Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Blut, meine tolle Laune auslasse. Warf ich Dich
nicht zur Thüre hinaus, schimpfte ich Dich nicht,
drückte ich Dir nicht mal die Kehle, daß Du zu er¬
sticken glaubtest, -- aus purem Muthwillen? Und
habe ich Dich nicht auch geschlagen?"

"Nein, Louis, das hast Du nicht. Du hast
mich nie geschlagen."

"Dann war's eine Andre. Und Eine, der ich
das größte Herzeleid angethan. Wenn ich ein guter
Mensch wäre, hätte ich auf meinen Knieen rutschen
müssen, bis ich es gut gemacht. Beleidigt hatte ich
sie, daß ich ihr nicht vor's Gesicht treten durfte, und
ich hatte auch gute Vorsätze, -- aber das wilde Thier
bäumte sich gegen das Gute, und ich war rasend,
toll vor Scham. -- Da habe ich sie gequält, daß sie
auch in Thränen ausbrach -- aber das waren andre
Thränen -- und das war der Dämon, das Unge¬
heuer, das die zerstört, die es zu lieben vorgiebt. --
Darum sei froh, Mädchen, ich erwürgte Dich noch
einmal in der Nacht --"

Er drückte ihr abgewandt die Hand und wollte hinaus.

"Louis! Das ist wider Abrede. Du wolltest mir
noch was vorlügen."

"Was?"

"Befiehl mir, ich solle, wenn ich zu Bett geh,
die Thür offen lassen, Du wolltest hereinschleichen,
mich im Schlaf erwürgen. Ach Louis, wenn Du
das thätest! Ich könnte wieder beten zum lieben Gott.
Wie ruhig würde ich einschlafen."

Blut, meine tolle Laune auslaſſe. Warf ich Dich
nicht zur Thüre hinaus, ſchimpfte ich Dich nicht,
drückte ich Dir nicht mal die Kehle, daß Du zu er¬
ſticken glaubteſt, — aus purem Muthwillen? Und
habe ich Dich nicht auch geſchlagen?“

„Nein, Louis, das haſt Du nicht. Du haſt
mich nie geſchlagen.“

„Dann war's eine Andre. Und Eine, der ich
das größte Herzeleid angethan. Wenn ich ein guter
Menſch wäre, hätte ich auf meinen Knieen rutſchen
müſſen, bis ich es gut gemacht. Beleidigt hatte ich
ſie, daß ich ihr nicht vor's Geſicht treten durfte, und
ich hatte auch gute Vorſätze, — aber das wilde Thier
bäumte ſich gegen das Gute, und ich war raſend,
toll vor Scham. — Da habe ich ſie gequält, daß ſie
auch in Thränen ausbrach — aber das waren andre
Thränen — und das war der Dämon, das Unge¬
heuer, das die zerſtört, die es zu lieben vorgiebt. —
Darum ſei froh, Mädchen, ich erwürgte Dich noch
einmal in der Nacht —“

Er drückte ihr abgewandt die Hand und wollte hinaus.

„Louis! Das iſt wider Abrede. Du wollteſt mir
noch was vorlügen.“

„Was?“

„Befiehl mir, ich ſolle, wenn ich zu Bett geh,
die Thür offen laſſen, Du wollteſt hereinſchleichen,
mich im Schlaf erwürgen. Ach Louis, wenn Du
das thäteſt! Ich könnte wieder beten zum lieben Gott.
Wie ruhig würde ich einſchlafen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="170"/>
Blut, meine tolle Laune ausla&#x017F;&#x017F;e. Warf ich Dich<lb/>
nicht zur Thüre hinaus, &#x017F;chimpfte ich Dich nicht,<lb/>
drückte ich Dir nicht mal die Kehle, daß Du zu er¬<lb/>
&#x017F;ticken glaubte&#x017F;t, &#x2014; aus purem Muthwillen? Und<lb/>
habe ich Dich nicht auch ge&#x017F;chlagen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, Louis, das ha&#x017F;t Du nicht. Du ha&#x017F;t<lb/>
mich nie ge&#x017F;chlagen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann war's eine Andre. Und Eine, der ich<lb/>
das größte Herzeleid angethan. Wenn ich ein guter<lb/>
Men&#x017F;ch wäre, hätte ich auf meinen Knieen rut&#x017F;chen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, bis ich es gut gemacht. Beleidigt hatte ich<lb/>
&#x017F;ie, daß ich ihr nicht vor's Ge&#x017F;icht treten durfte, und<lb/>
ich hatte auch gute Vor&#x017F;ätze, &#x2014; aber das wilde Thier<lb/>
bäumte &#x017F;ich gegen das Gute, und ich war ra&#x017F;end,<lb/>
toll vor Scham. &#x2014; Da habe ich &#x017F;ie gequält, daß &#x017F;ie<lb/>
auch in Thränen ausbrach &#x2014; aber das waren andre<lb/>
Thränen &#x2014; und das war der Dämon, das Unge¬<lb/>
heuer, das die zer&#x017F;tört, die es zu lieben vorgiebt. &#x2014;<lb/>
Darum &#x017F;ei froh, Mädchen, ich erwürgte Dich noch<lb/>
einmal in der Nacht &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er drückte ihr abgewandt die Hand und wollte hinaus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Louis! Das i&#x017F;t wider Abrede. Du wollte&#x017F;t mir<lb/>
noch was vorlügen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Befiehl mir, ich &#x017F;olle, wenn ich zu Bett geh,<lb/>
die Thür offen la&#x017F;&#x017F;en, Du wollte&#x017F;t herein&#x017F;chleichen,<lb/>
mich im Schlaf erwürgen. Ach Louis, wenn Du<lb/>
das thäte&#x017F;t! Ich könnte wieder beten zum lieben Gott.<lb/>
Wie ruhig würde ich ein&#x017F;chlafen.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0180] Blut, meine tolle Laune auslaſſe. Warf ich Dich nicht zur Thüre hinaus, ſchimpfte ich Dich nicht, drückte ich Dir nicht mal die Kehle, daß Du zu er¬ ſticken glaubteſt, — aus purem Muthwillen? Und habe ich Dich nicht auch geſchlagen?“ „Nein, Louis, das haſt Du nicht. Du haſt mich nie geſchlagen.“ „Dann war's eine Andre. Und Eine, der ich das größte Herzeleid angethan. Wenn ich ein guter Menſch wäre, hätte ich auf meinen Knieen rutſchen müſſen, bis ich es gut gemacht. Beleidigt hatte ich ſie, daß ich ihr nicht vor's Geſicht treten durfte, und ich hatte auch gute Vorſätze, — aber das wilde Thier bäumte ſich gegen das Gute, und ich war raſend, toll vor Scham. — Da habe ich ſie gequält, daß ſie auch in Thränen ausbrach — aber das waren andre Thränen — und das war der Dämon, das Unge¬ heuer, das die zerſtört, die es zu lieben vorgiebt. — Darum ſei froh, Mädchen, ich erwürgte Dich noch einmal in der Nacht —“ Er drückte ihr abgewandt die Hand und wollte hinaus. „Louis! Das iſt wider Abrede. Du wollteſt mir noch was vorlügen.“ „Was?“ „Befiehl mir, ich ſolle, wenn ich zu Bett geh, die Thür offen laſſen, Du wollteſt hereinſchleichen, mich im Schlaf erwürgen. Ach Louis, wenn Du das thäteſt! Ich könnte wieder beten zum lieben Gott. Wie ruhig würde ich einſchlafen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/180
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/180>, abgerufen am 26.11.2024.