"Und wir, eingekeilt in diese Mitte! Ganz Eu¬ ropa in Waffen gegen einander, und wir --"
"Sehen zu -- wie sie sich schlagen und vertragen, und denken mit König Salomo: Alles ist eitel!"
Walters Brust hob sich; es waren ernste Gefühle, die heraus wollten, aber er überwand sich --, es war hier nicht der Ort dazu. Nur ein Stoßseufzer brach es hervor: "Und der Brand in unsern eignen Eingeweiden!"
"Ein Eimer Wasser drauf, lieber Walter. Ist probat!" Hatte der Gelehrte heute ein Sonntagsge¬ sicht? Er der nichts sah, was um ihn vorging, blickte er heut in die Seelenzustände eines andern und fand sein Vergnügen darin das Verborgene heraus zu schöpfen? -- "Da steht wieder auf Ihrem Gesicht: Ach Gott, der gute Geheimrath Lupinus! Er weiß, woran die Verfassungen in Rom und Athen zu Grunde gingen, aber wie es im Preußischen Staat gährt und stockt, das sind ihm Böhmische Dör¬ fer. -- Wer wird denn gleich Einen verdammen, junger Herr, ohne daß er ein bischen versucht hat, ihn zu bessern! -- Oder zu untersuchen, ob denn nicht doch ein Lichtchen der Erkenntniß in ihm flackert! -- Manche Fahne, die vor dem Heer des großen Königs flatterte, ist von den Motten zerfressen, das weiß ich, und die Monturen im Zeughause gehen in Plunder, wenn man sie ausklopft. Weiß auch noch mehr. Unsre Soldaten sind nicht Bonaparte's Sol¬ daten. Und unsre Officiere, -- weiß ich auch, man
„Und wir, eingekeilt in dieſe Mitte! Ganz Eu¬ ropa in Waffen gegen einander, und wir —“
„Sehen zu — wie ſie ſich ſchlagen und vertragen, und denken mit König Salomo: Alles iſt eitel!“
Walters Bruſt hob ſich; es waren ernſte Gefühle, die heraus wollten, aber er überwand ſich —, es war hier nicht der Ort dazu. Nur ein Stoßſeufzer brach es hervor: „Und der Brand in unſern eignen Eingeweiden!“
„Ein Eimer Waſſer drauf, lieber Walter. Iſt probat!“ Hatte der Gelehrte heute ein Sonntagsge¬ ſicht? Er der nichts ſah, was um ihn vorging, blickte er heut in die Seelenzuſtände eines andern und fand ſein Vergnügen darin das Verborgene heraus zu ſchöpfen? — „Da ſteht wieder auf Ihrem Geſicht: Ach Gott, der gute Geheimrath Lupinus! Er weiß, woran die Verfaſſungen in Rom und Athen zu Grunde gingen, aber wie es im Preußiſchen Staat gährt und ſtockt, das ſind ihm Böhmiſche Dör¬ fer. — Wer wird denn gleich Einen verdammen, junger Herr, ohne daß er ein bischen verſucht hat, ihn zu beſſern! — Oder zu unterſuchen, ob denn nicht doch ein Lichtchen der Erkenntniß in ihm flackert! — Manche Fahne, die vor dem Heer des großen Königs flatterte, iſt von den Motten zerfreſſen, das weiß ich, und die Monturen im Zeughauſe gehen in Plunder, wenn man ſie ausklopft. Weiß auch noch mehr. Unſre Soldaten ſind nicht Bonaparte's Sol¬ daten. Und unſre Officiere, — weiß ich auch, man
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„Und wir, eingekeilt in dieſe Mitte! Ganz Eu¬
ropa in Waffen gegen einander, und wir —“
„Sehen zu — wie ſie ſich ſchlagen und vertragen,
und denken mit König Salomo: Alles iſt eitel!“
Walters Bruſt hob ſich; es waren ernſte Gefühle,
die heraus wollten, aber er überwand ſich —, es
war hier nicht der Ort dazu. Nur ein Stoßſeufzer
brach es hervor: „Und der Brand in unſern eignen
Eingeweiden!“
„Ein Eimer Waſſer drauf, lieber Walter. Iſt
probat!“ Hatte der Gelehrte heute ein Sonntagsge¬
ſicht? Er der nichts ſah, was um ihn vorging,
blickte er heut in die Seelenzuſtände eines andern
und fand ſein Vergnügen darin das Verborgene
heraus zu ſchöpfen? — „Da ſteht wieder auf Ihrem
Geſicht: Ach Gott, der gute Geheimrath Lupinus!
Er weiß, woran die Verfaſſungen in Rom und Athen
zu Grunde gingen, aber wie es im Preußiſchen
Staat gährt und ſtockt, das ſind ihm Böhmiſche Dör¬
fer. — Wer wird denn gleich Einen verdammen,
junger Herr, ohne daß er ein bischen verſucht hat,
ihn zu beſſern! — Oder zu unterſuchen, ob denn
nicht doch ein Lichtchen der Erkenntniß in ihm flackert!
— Manche Fahne, die vor dem Heer des großen
Königs flatterte, iſt von den Motten zerfreſſen, das
weiß ich, und die Monturen im Zeughauſe gehen in
Plunder, wenn man ſie ausklopft. Weiß auch noch
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/21>, abgerufen am 23.11.2024.
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