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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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bin, bin ich durch Dich. Seit ich das fühlte, ward
mir bange. Du hattest es mir vorausgesagt, durch
große Leiden werde der Mensch geläutert, seine Sinne
gehen auf für das Edle und Schöne und sein inneres
Auge für das Ewige und Wahre. Und da sah ich,
wie Du viel sorgsamer und liebevoller wardst, und
mit jeder Schülerin würdest Du Dir nicht so viel
Mühe geben. Und Dein Unterricht ward auch so
besonders. Und da, Walter, da kam dann -- ich
weiß nicht wie -- der Gedanke, daß es so sein
müßte --"

"Und erschrakst Du vor dem Gedanken?"

Sie schwieg einen Augenblick: -- "Nein gewiß
nicht, Walter. -- Wo konnte ich besser aufgehoben
sein, dachte ich, wer sollte mich besser zum Rechten
führen und schützen! Ich gewöhnte mich so daran,
daß --"

"Du gewöhntest Dich nur daran!"

Jetzt erschrak sie vor dem Ton der Frage. Sie
legte sanft die Hand auf seine, und blickte ihn klar
an: "Hast Du nicht zuweilen gemerkt, daß ich lächelte?
Ich dachte dann an das, was Du oft gesagt, der
Mensch erzieht sich selbst, und man kann keine Natur
ändern. Und Du wolltest mich doch ändern, so wie
Du mich wünschtest. Und dann widersprach ich aus
Uebermuth. Nur aus Schelmerei, ich nahm mir im
Herzen doch vor, zu werden, wie Du es wünschtest."

"Das hattest Du Dir vorgenommen und ich war
der Gegenstand Deiner Gedanken!"

bin, bin ich durch Dich. Seit ich das fühlte, ward
mir bange. Du hatteſt es mir vorausgeſagt, durch
große Leiden werde der Menſch geläutert, ſeine Sinne
gehen auf für das Edle und Schöne und ſein inneres
Auge für das Ewige und Wahre. Und da ſah ich,
wie Du viel ſorgſamer und liebevoller wardſt, und
mit jeder Schülerin würdeſt Du Dir nicht ſo viel
Mühe geben. Und Dein Unterricht ward auch ſo
beſonders. Und da, Walter, da kam dann — ich
weiß nicht wie — der Gedanke, daß es ſo ſein
müßte —“

„Und erſchrakſt Du vor dem Gedanken?“

Sie ſchwieg einen Augenblick: — „Nein gewiß
nicht, Walter. — Wo konnte ich beſſer aufgehoben
ſein, dachte ich, wer ſollte mich beſſer zum Rechten
führen und ſchützen! Ich gewöhnte mich ſo daran,
daß —“

„Du gewöhnteſt Dich nur daran!“

Jetzt erſchrak ſie vor dem Ton der Frage. Sie
legte ſanft die Hand auf ſeine, und blickte ihn klar
an: „Haſt Du nicht zuweilen gemerkt, daß ich lächelte?
Ich dachte dann an das, was Du oft geſagt, der
Menſch erzieht ſich ſelbſt, und man kann keine Natur
ändern. Und Du wollteſt mich doch ändern, ſo wie
Du mich wünſchteſt. Und dann widerſprach ich aus
Uebermuth. Nur aus Schelmerei, ich nahm mir im
Herzen doch vor, zu werden, wie Du es wünſchteſt.“

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der Gegenſtand Deiner Gedanken!“

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[226/0236] bin, bin ich durch Dich. Seit ich das fühlte, ward mir bange. Du hatteſt es mir vorausgeſagt, durch große Leiden werde der Menſch geläutert, ſeine Sinne gehen auf für das Edle und Schöne und ſein inneres Auge für das Ewige und Wahre. Und da ſah ich, wie Du viel ſorgſamer und liebevoller wardſt, und mit jeder Schülerin würdeſt Du Dir nicht ſo viel Mühe geben. Und Dein Unterricht ward auch ſo beſonders. Und da, Walter, da kam dann — ich weiß nicht wie — der Gedanke, daß es ſo ſein müßte —“ „Und erſchrakſt Du vor dem Gedanken?“ Sie ſchwieg einen Augenblick: — „Nein gewiß nicht, Walter. — Wo konnte ich beſſer aufgehoben ſein, dachte ich, wer ſollte mich beſſer zum Rechten führen und ſchützen! Ich gewöhnte mich ſo daran, daß —“ „Du gewöhnteſt Dich nur daran!“ Jetzt erſchrak ſie vor dem Ton der Frage. Sie legte ſanft die Hand auf ſeine, und blickte ihn klar an: „Haſt Du nicht zuweilen gemerkt, daß ich lächelte? Ich dachte dann an das, was Du oft geſagt, der Menſch erzieht ſich ſelbſt, und man kann keine Natur ändern. Und Du wollteſt mich doch ändern, ſo wie Du mich wünſchteſt. Und dann widerſprach ich aus Uebermuth. Nur aus Schelmerei, ich nahm mir im Herzen doch vor, zu werden, wie Du es wünſchteſt.“ „Das hatteſt Du Dir vorgenommen und ich war der Gegenſtand Deiner Gedanken!“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/236>, abgerufen am 28.11.2024.