vorüberging. Da ward sie eine andere. Und Du bist der Mann, an den sich das schwache Mädchen lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht, nun ist's an Dir, zu entscheiden. Du aber bist nun die Säule, an die der Epheu sich rankt, Du der Freund, den mir die Götter erzogen. Du sprichst nun für mich. So an Dich mich schmiegend, will ich stehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬ glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt, Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter, nicht mehr erschrecken."
Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne in der Linde schauten auf einen Glücklichen und eine still Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter jener Zeit gesagt hätten, daß Götter die Sterblichen darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war immer gefährlich, aber auch jene Götter täuschten sich und wurden getäuscht. Sie schaukelten über den Spiegel auf der See und sahen nicht den Sturm, der schon ihre Tiefe aufwühlte. -- Ueber die Dächer tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrstunde war wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge. Es waren aus der einen Stunde drei geworden.
Das süße Geheimniß, was es für andre noch bleiben sollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter. Walter hatte es so gewollt. Adelheid erkannte seine Gründe an, aber sie seufzte, als sie aufstanden. Es war ein schwerer Gang.
vorüberging. Da ward ſie eine andere. Und Du biſt der Mann, an den ſich das ſchwache Mädchen lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht, nun iſt's an Dir, zu entſcheiden. Du aber biſt nun die Säule, an die der Epheu ſich rankt, Du der Freund, den mir die Götter erzogen. Du ſprichſt nun für mich. So an Dich mich ſchmiegend, will ich ſtehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬ glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt, Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter, nicht mehr erſchrecken.“
Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne in der Linde ſchauten auf einen Glücklichen und eine ſtill Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter jener Zeit geſagt hätten, daß Götter die Sterblichen darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war immer gefährlich, aber auch jene Götter täuſchten ſich und wurden getäuſcht. Sie ſchaukelten über den Spiegel auf der See und ſahen nicht den Sturm, der ſchon ihre Tiefe aufwühlte. — Ueber die Dächer tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrſtunde war wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge. Es waren aus der einen Stunde drei geworden.
Das ſüße Geheimniß, was es für andre noch bleiben ſollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter. Walter hatte es ſo gewollt. Adelheid erkannte ſeine Gründe an, aber ſie ſeufzte, als ſie aufſtanden. Es war ein ſchwerer Gang.
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vorüberging. Da ward ſie eine andere. Und Du
biſt der Mann, an den ſich das ſchwache Mädchen
lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm
zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht,
nun iſt's an Dir, zu entſcheiden. Du aber biſt nun
die Säule, an die der Epheu ſich rankt, Du der
Freund, den mir die Götter erzogen. Du ſprichſt
nun für mich. So an Dich mich ſchmiegend, will
ich ſtehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬
glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt,
Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter,
nicht mehr erſchrecken.“
Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne
in der Linde ſchauten auf einen Glücklichen und eine
ſtill Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter
jener Zeit geſagt hätten, daß Götter die Sterblichen
darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war
immer gefährlich, aber auch jene Götter täuſchten
ſich und wurden getäuſcht. Sie ſchaukelten über den
Spiegel auf der See und ſahen nicht den Sturm,
der ſchon ihre Tiefe aufwühlte. — Ueber die Dächer
tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrſtunde war
wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge.
Es waren aus der einen Stunde drei geworden.
Das ſüße Geheimniß, was es für andre noch
bleiben ſollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter.
Walter hatte es ſo gewollt. Adelheid erkannte ſeine
Gründe an, aber ſie ſeufzte, als ſie aufſtanden. Es
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/242>, abgerufen am 28.11.2024.
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