Der Legationsrath hatte hier offenbar Dinge erfahren, die ihn überraschten, die neuesten Neuig¬ keiten des heutigen Mittags. Wenn er die Ueber¬ raschung auf seinem Gesichte verrieth, so merkte we¬ nigstens der Attache nichts davon, und es stellte sich auf dem eisernen Gesichte das feine Lächeln der Ueberlegenheit wieder ein, wie des Meisters der einen Schüler auf die Probe gestellt hat, als er in gleichgültigem Tone sagte:
"Die Feldkessel wurden beim Gouverneur schon gepackt, als ich vorhin ansprach. Das wird keine ernste Campagne werden. Die Ansichten, welche in der gestrigen Ministerconferenz siegten --"
"Kennen wir!" unterbrach der Attache.
"Ich zweifle nicht an der Divinationsgabe des Herrn von Laforest. Indessen sind hier Viele so glücklich diese Ansichten im Allgemeinen zu kennen."
"Und wir im Besondern. -- Was sehn Sie mich so verwundert an, Herr von Wandel? -- Ich meine das Circularschreiben an die Gesandtschaften nach Wien und Petersburg."
Es war in der That ein so skeptischer Blick, de haut en bas, wie ein Duellant seinen Secundanten nicht anzusehn pflegt, als der Legationsrath die Hand auf die Schulter des Vicomte legend, sprach: "Ja, Herr von Marvilliers, die diplomatische ist eine an¬ genehme Carriere für einen Anfänger, wenn man uns nur nicht immer die Brosamen vom Tische als Geheimnisse aufpackte. Wenn Ihr Gesandter eine
II. 17
Der Legationsrath hatte hier offenbar Dinge erfahren, die ihn überraſchten, die neueſten Neuig¬ keiten des heutigen Mittags. Wenn er die Ueber¬ raſchung auf ſeinem Geſichte verrieth, ſo merkte we¬ nigſtens der Attaché nichts davon, und es ſtellte ſich auf dem eiſernen Geſichte das feine Lächeln der Ueberlegenheit wieder ein, wie des Meiſters der einen Schüler auf die Probe geſtellt hat, als er in gleichgültigem Tone ſagte:
„Die Feldkeſſel wurden beim Gouverneur ſchon gepackt, als ich vorhin anſprach. Das wird keine ernſte Campagne werden. Die Anſichten, welche in der geſtrigen Miniſterconferenz ſiegten —“
„Kennen wir!“ unterbrach der Attaché.
„Ich zweifle nicht an der Divinationsgabe des Herrn von Laforeſt. Indeſſen ſind hier Viele ſo glücklich dieſe Anſichten im Allgemeinen zu kennen.“
„Und wir im Beſondern. — Was ſehn Sie mich ſo verwundert an, Herr von Wandel? — Ich meine das Circularſchreiben an die Geſandtſchaften nach Wien und Petersburg.“
Es war in der That ein ſo ſkeptiſcher Blick, de haut en bas, wie ein Duellant ſeinen Secundanten nicht anzuſehn pflegt, als der Legationsrath die Hand auf die Schulter des Vicomte legend, ſprach: „Ja, Herr von Marvilliers, die diplomatiſche iſt eine an¬ genehme Carriere für einen Anfänger, wenn man uns nur nicht immer die Broſamen vom Tiſche als Geheimniſſe aufpackte. Wenn Ihr Geſandter eine
II. 17
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Der Legationsrath hatte hier offenbar Dinge
erfahren, die ihn überraſchten, die neueſten Neuig¬
keiten des heutigen Mittags. Wenn er die Ueber¬
raſchung auf ſeinem Geſichte verrieth, ſo merkte we¬
nigſtens der Attaché nichts davon, und es ſtellte ſich
auf dem eiſernen Geſichte das feine Lächeln der
Ueberlegenheit wieder ein, wie des Meiſters der
einen Schüler auf die Probe geſtellt hat, als er in
gleichgültigem Tone ſagte:
„Die Feldkeſſel wurden beim Gouverneur ſchon
gepackt, als ich vorhin anſprach. Das wird keine
ernſte Campagne werden. Die Anſichten, welche in
der geſtrigen Miniſterconferenz ſiegten —“
„Kennen wir!“ unterbrach der Attaché.
„Ich zweifle nicht an der Divinationsgabe des
Herrn von Laforeſt. Indeſſen ſind hier Viele ſo
glücklich dieſe Anſichten im Allgemeinen zu kennen.“
„Und wir im Beſondern. — Was ſehn Sie
mich ſo verwundert an, Herr von Wandel? — Ich
meine das Circularſchreiben an die Geſandtſchaften
nach Wien und Petersburg.“
Es war in der That ein ſo ſkeptiſcher Blick,
de haut en bas, wie ein Duellant ſeinen Secundanten
nicht anzuſehn pflegt, als der Legationsrath die Hand
auf die Schulter des Vicomte legend, ſprach: „Ja,
Herr von Marvilliers, die diplomatiſche iſt eine an¬
genehme Carriere für einen Anfänger, wenn man
uns nur nicht immer die Broſamen vom Tiſche als
Geheimniſſe aufpackte. Wenn Ihr Geſandter eine
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/267>, abgerufen am 16.07.2024.
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