Kunst und Wissenschaft und dem Umgange mit den Geistern der Nation sich verschließe, die ihre Ehre ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach Berlin kommen müssen, um ästhetische Cirkel zu bil¬ den, und jetzt usurpire Prinzeß Biron von Kurland, was die Pflicht des einheimischen Adels sei.
Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen über die Herzogin von Kurland, daß sie sich merk¬ würdig conservirt habe, schöner eigentlich noch als ihre Töchter, die doch auch sehr liebenswürdig wären. Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬ zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die sie in ihren Bann gezogen.
"Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuser."
"Ich habe mir Schiller doch anders gedacht, sagte nach einer Pause die Lupinus. Er war so schweigsam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte so selten das in¬ nere Feuer auf. Ich sprach zwei Mal mit ihm, und beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Mensch. Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der berauschenden Gedanken nicht werth hält, die doch bei jeder geistigen Berührung aus einem Geiste wie der seine aufsteigen, emporwirbeln müssen, denke ich, wie die Lerche in den Aether!"
"Es ist vielleicht nicht gut, daß man die Dichter mit Lerchen vergleicht."
Kunſt und Wiſſenſchaft und dem Umgange mit den Geiſtern der Nation ſich verſchließe, die ihre Ehre ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach Berlin kommen müſſen, um äſthetiſche Cirkel zu bil¬ den, und jetzt uſurpire Prinzeß Biron von Kurland, was die Pflicht des einheimiſchen Adels ſei.
Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen über die Herzogin von Kurland, daß ſie ſich merk¬ würdig conſervirt habe, ſchöner eigentlich noch als ihre Töchter, die doch auch ſehr liebenswürdig wären. Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬ zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die ſie in ihren Bann gezogen.
„Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuſer.“
„Ich habe mir Schiller doch anders gedacht, ſagte nach einer Pauſe die Lupinus. Er war ſo ſchweigſam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte ſo ſelten das in¬ nere Feuer auf. Ich ſprach zwei Mal mit ihm, und beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Menſch. Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der berauſchenden Gedanken nicht werth hält, die doch bei jeder geiſtigen Berührung aus einem Geiſte wie der ſeine aufſteigen, emporwirbeln müſſen, denke ich, wie die Lerche in den Aether!“
„Es iſt vielleicht nicht gut, daß man die Dichter mit Lerchen vergleicht.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0036"n="26"/>
Kunſt und Wiſſenſchaft und dem Umgange mit den<lb/>
Geiſtern der Nation ſich verſchließe, die ihre Ehre<lb/>
ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach<lb/>
Berlin kommen müſſen, um äſthetiſche Cirkel zu bil¬<lb/>
den, und jetzt uſurpire Prinzeß Biron von Kurland,<lb/>
was die Pflicht des einheimiſchen Adels ſei.</p><lb/><p>Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen<lb/>
über die Herzogin von Kurland, daß ſie ſich merk¬<lb/>
würdig conſervirt habe, ſchöner eigentlich noch als<lb/>
ihre Töchter, die doch auch ſehr liebenswürdig wären.<lb/>
Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬<lb/>
zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die ſie in<lb/>
ihren Bann gezogen.</p><lb/><p>„Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn<lb/>
Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder<lb/>
Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuſer.“</p><lb/><p>„Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,<lb/>ſagte nach einer Pauſe die Lupinus. Er war ſo<lb/>ſchweigſam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch<lb/>
wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte ſo ſelten das in¬<lb/>
nere Feuer auf. Ich ſprach zwei Mal mit ihm, und<lb/>
beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Menſch.<lb/>
Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der<lb/>
berauſchenden Gedanken nicht werth hält, die doch<lb/>
bei jeder geiſtigen Berührung aus einem Geiſte wie<lb/>
der ſeine aufſteigen, emporwirbeln müſſen, denke ich,<lb/>
wie die Lerche in den Aether!“</p><lb/><p>„Es iſt vielleicht nicht gut, daß man die Dichter<lb/>
mit Lerchen vergleicht.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[26/0036]
Kunſt und Wiſſenſchaft und dem Umgange mit den
Geiſtern der Nation ſich verſchließe, die ihre Ehre
ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach
Berlin kommen müſſen, um äſthetiſche Cirkel zu bil¬
den, und jetzt uſurpire Prinzeß Biron von Kurland,
was die Pflicht des einheimiſchen Adels ſei.
Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen
über die Herzogin von Kurland, daß ſie ſich merk¬
würdig conſervirt habe, ſchöner eigentlich noch als
ihre Töchter, die doch auch ſehr liebenswürdig wären.
Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬
zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die ſie in
ihren Bann gezogen.
„Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn
Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder
Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuſer.“
„Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,
ſagte nach einer Pauſe die Lupinus. Er war ſo
ſchweigſam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch
wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte ſo ſelten das in¬
nere Feuer auf. Ich ſprach zwei Mal mit ihm, und
beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Menſch.
Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der
berauſchenden Gedanken nicht werth hält, die doch
bei jeder geiſtigen Berührung aus einem Geiſte wie
der ſeine aufſteigen, emporwirbeln müſſen, denke ich,
wie die Lerche in den Aether!“
„Es iſt vielleicht nicht gut, daß man die Dichter
mit Lerchen vergleicht.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/36>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.