Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Kunst und Wissenschaft und dem Umgange mit den
Geistern der Nation sich verschließe, die ihre Ehre
ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach
Berlin kommen müssen, um ästhetische Cirkel zu bil¬
den, und jetzt usurpire Prinzeß Biron von Kurland,
was die Pflicht des einheimischen Adels sei.

Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen
über die Herzogin von Kurland, daß sie sich merk¬
würdig conservirt habe, schöner eigentlich noch als
ihre Töchter, die doch auch sehr liebenswürdig wären.
Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬
zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die sie in
ihren Bann gezogen.

"Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn
Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder
Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuser."

"Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,
sagte nach einer Pause die Lupinus. Er war so
schweigsam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch
wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte so selten das in¬
nere Feuer auf. Ich sprach zwei Mal mit ihm, und
beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Mensch.
Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der
berauschenden Gedanken nicht werth hält, die doch
bei jeder geistigen Berührung aus einem Geiste wie
der seine aufsteigen, emporwirbeln müssen, denke ich,
wie die Lerche in den Aether!"

"Es ist vielleicht nicht gut, daß man die Dichter
mit Lerchen vergleicht."

Kunſt und Wiſſenſchaft und dem Umgange mit den
Geiſtern der Nation ſich verſchließe, die ihre Ehre
ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach
Berlin kommen müſſen, um äſthetiſche Cirkel zu bil¬
den, und jetzt uſurpire Prinzeß Biron von Kurland,
was die Pflicht des einheimiſchen Adels ſei.

Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen
über die Herzogin von Kurland, daß ſie ſich merk¬
würdig conſervirt habe, ſchöner eigentlich noch als
ihre Töchter, die doch auch ſehr liebenswürdig wären.
Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬
zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die ſie in
ihren Bann gezogen.

„Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn
Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder
Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuſer.“

„Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,
ſagte nach einer Pauſe die Lupinus. Er war ſo
ſchweigſam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch
wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte ſo ſelten das in¬
nere Feuer auf. Ich ſprach zwei Mal mit ihm, und
beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Menſch.
Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der
berauſchenden Gedanken nicht werth hält, die doch
bei jeder geiſtigen Berührung aus einem Geiſte wie
der ſeine aufſteigen, emporwirbeln müſſen, denke ich,
wie die Lerche in den Aether!“

„Es iſt vielleicht nicht gut, daß man die Dichter
mit Lerchen vergleicht.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="26"/>
Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und dem Umgange mit den<lb/>
Gei&#x017F;tern der Nation &#x017F;ich ver&#x017F;chließe, die ihre Ehre<lb/>
ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach<lb/>
Berlin kommen mü&#x017F;&#x017F;en, um ä&#x017F;theti&#x017F;che Cirkel zu bil¬<lb/>
den, und jetzt u&#x017F;urpire Prinzeß Biron von Kurland,<lb/>
was die Pflicht des einheimi&#x017F;chen Adels &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen<lb/>
über die Herzogin von Kurland, daß &#x017F;ie &#x017F;ich merk¬<lb/>
würdig con&#x017F;ervirt habe, &#x017F;chöner eigentlich noch als<lb/>
ihre Töchter, die doch auch &#x017F;ehr liebenswürdig wären.<lb/>
Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬<lb/>
zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die &#x017F;ie in<lb/>
ihren Bann gezogen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn<lb/>
Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder<lb/>
Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häu&#x017F;er.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,<lb/>
&#x017F;agte nach einer Pau&#x017F;e die Lupinus. Er war &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chweig&#x017F;am. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch<lb/>
wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte &#x017F;o &#x017F;elten das in¬<lb/>
nere Feuer auf. Ich &#x017F;prach zwei Mal mit ihm, und<lb/>
beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Men&#x017F;ch.<lb/>
Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der<lb/>
berau&#x017F;chenden Gedanken nicht werth hält, die doch<lb/>
bei jeder gei&#x017F;tigen Berührung aus einem Gei&#x017F;te wie<lb/>
der &#x017F;eine auf&#x017F;teigen, emporwirbeln mü&#x017F;&#x017F;en, denke ich,<lb/>
wie die Lerche in den Aether!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t vielleicht nicht gut, daß man die Dichter<lb/>
mit Lerchen vergleicht.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0036] Kunſt und Wiſſenſchaft und dem Umgange mit den Geiſtern der Nation ſich verſchließe, die ihre Ehre ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Stael, nach Berlin kommen müſſen, um äſthetiſche Cirkel zu bil¬ den, und jetzt uſurpire Prinzeß Biron von Kurland, was die Pflicht des einheimiſchen Adels ſei. Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen über die Herzogin von Kurland, daß ſie ſich merk¬ würdig conſervirt habe, ſchöner eigentlich noch als ihre Töchter, die doch auch ſehr liebenswürdig wären. Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Her¬ zogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die ſie in ihren Bann gezogen. „Prinzeß Radziwill hatte auch gefragt, wer denn Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuſer.“ „Ich habe mir Schiller doch anders gedacht, ſagte nach einer Pauſe die Lupinus. Er war ſo ſchweigſam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte ſo ſelten das in¬ nere Feuer auf. Ich ſprach zwei Mal mit ihm, und beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Menſch. Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der berauſchenden Gedanken nicht werth hält, die doch bei jeder geiſtigen Berührung aus einem Geiſte wie der ſeine aufſteigen, emporwirbeln müſſen, denke ich, wie die Lerche in den Aether!“ „Es iſt vielleicht nicht gut, daß man die Dichter mit Lerchen vergleicht.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/36
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/36>, abgerufen am 21.11.2024.