Jetzt wußte van Asten, wohin die Geheimräthin steuerte. Er hatte ja selbst dahin das Schiff der Un¬ terhaltung gelenkt, und nur nicht gemerkt, daß sie durch ein Scheinmanöver es abgelenkt, nur damit er mit noch mehr Nachdruck die Richtung wieder einschlage. Warum sollte er nicht in ihre Wünsche eingehen! Es war keine Sünde gegen die Wahrheit, daß er es für verdienstlich erklärte, wenn eine Dame ihr Haus als Vereinigungspunkt für die Notabili¬ täten der Intelligenz öffne, eine Dame, die mit klarem Verstande, Belesenheit, feiner Sensualität, und durch den Stand ihres Gatten und ihre eigne Geburt dazu wie berufen scheine.
"Sie scherzen! Das könnte eine Jede, wenn sie wollte. Im Uebrigen, was ist es denn auch be¬ sonderes, wenn man etwas anders aussieht, als diese ehrbaren Hausfrauen, die vom Bügeln und Kinder¬ wiegen noch echauffirt scheinen, wenn sie ihr Gesell¬ schaftskleid angelegt haben. Denn allerdings kommt mir Manche vor, wenn sie nach dem Kuchenteller den Arm ausstreckt, als mache sie eine Bewegung, um ein Stück Wäsche über die Leine zu werfen. Und dann, lieber van Asten, Sie spielen auf meine Her¬ kunft an. Ich bitte Sie, um Gottes Willen, nur davon nichts, daß ich von Adel bin. Ueber diese Unterscheidungen sind wir doch hinaus. Sie wissen, daß ich meinen Namen ohne Thränen einem Bürger¬ lichen hingeopfert habe. Lassen wir die Todten ruhen! Ja, ich will gern meine Schwäche bekennen, es ist
Jetzt wußte van Aſten, wohin die Geheimräthin ſteuerte. Er hatte ja ſelbſt dahin das Schiff der Un¬ terhaltung gelenkt, und nur nicht gemerkt, daß ſie durch ein Scheinmanöver es abgelenkt, nur damit er mit noch mehr Nachdruck die Richtung wieder einſchlage. Warum ſollte er nicht in ihre Wünſche eingehen! Es war keine Sünde gegen die Wahrheit, daß er es für verdienſtlich erklärte, wenn eine Dame ihr Haus als Vereinigungspunkt für die Notabili¬ täten der Intelligenz öffne, eine Dame, die mit klarem Verſtande, Beleſenheit, feiner Senſualität, und durch den Stand ihres Gatten und ihre eigne Geburt dazu wie berufen ſcheine.
„Sie ſcherzen! Das könnte eine Jede, wenn ſie wollte. Im Uebrigen, was iſt es denn auch be¬ ſonderes, wenn man etwas anders ausſieht, als dieſe ehrbaren Hausfrauen, die vom Bügeln und Kinder¬ wiegen noch echauffirt ſcheinen, wenn ſie ihr Geſell¬ ſchaftskleid angelegt haben. Denn allerdings kommt mir Manche vor, wenn ſie nach dem Kuchenteller den Arm ausſtreckt, als mache ſie eine Bewegung, um ein Stück Wäſche über die Leine zu werfen. Und dann, lieber van Aſten, Sie ſpielen auf meine Her¬ kunft an. Ich bitte Sie, um Gottes Willen, nur davon nichts, daß ich von Adel bin. Ueber dieſe Unterſcheidungen ſind wir doch hinaus. Sie wiſſen, daß ich meinen Namen ohne Thränen einem Bürger¬ lichen hingeopfert habe. Laſſen wir die Todten ruhen! Ja, ich will gern meine Schwäche bekennen, es iſt
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Jetzt wußte van Aſten, wohin die Geheimräthin
ſteuerte. Er hatte ja ſelbſt dahin das Schiff der Un¬
terhaltung gelenkt, und nur nicht gemerkt, daß ſie
durch ein Scheinmanöver es abgelenkt, nur damit
er mit noch mehr Nachdruck die Richtung wieder
einſchlage. Warum ſollte er nicht in ihre Wünſche
eingehen! Es war keine Sünde gegen die Wahrheit,
daß er es für verdienſtlich erklärte, wenn eine Dame
ihr Haus als Vereinigungspunkt für die Notabili¬
täten der Intelligenz öffne, eine Dame, die mit
klarem Verſtande, Beleſenheit, feiner Senſualität,
und durch den Stand ihres Gatten und ihre eigne
Geburt dazu wie berufen ſcheine.
„Sie ſcherzen! Das könnte eine Jede, wenn
ſie wollte. Im Uebrigen, was iſt es denn auch be¬
ſonderes, wenn man etwas anders ausſieht, als dieſe
ehrbaren Hausfrauen, die vom Bügeln und Kinder¬
wiegen noch echauffirt ſcheinen, wenn ſie ihr Geſell¬
ſchaftskleid angelegt haben. Denn allerdings kommt
mir Manche vor, wenn ſie nach dem Kuchenteller den
Arm ausſtreckt, als mache ſie eine Bewegung, um
ein Stück Wäſche über die Leine zu werfen. Und
dann, lieber van Aſten, Sie ſpielen auf meine Her¬
kunft an. Ich bitte Sie, um Gottes Willen, nur
davon nichts, daß ich von Adel bin. Ueber dieſe
Unterſcheidungen ſind wir doch hinaus. Sie wiſſen,
daß ich meinen Namen ohne Thränen einem Bürger¬
lichen hingeopfert habe. Laſſen wir die Todten ruhen!
Ja, ich will gern meine Schwäche bekennen, es iſt
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/38>, abgerufen am 03.12.2024.
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