Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Kreisen, in welchen sie sich bewegt, sie war
sich dieses Uebergewichts bewußt, dennoch glaubte sie
den rohen Kitzel überwunden zu haben, welcher sich
darin gefällt, dies Uebergewicht auch die Anderen
empfinden zu lassen. Dem Legationsrath gegenüber
fühlte sie diesen Zauberbann zerstört. Aber grade
gegen eine geistige Uebermacht anzukämpfen, ist inte¬
ressant. Eine Frau hat so viele kleine Künste, mit
denen sie unvermerkt in das feste System des Mannes
Bresche legt, wenn es der Mühe verlohnt.

Er stand auf der Höhe, wo man nur wenig
auszugeben braucht, aber man reißt sich um die Münze,
wie um eine Seltenheit. Dann sieht man auch wohl
nicht immer genau nach, ob die Münze echt ist. Er
saß nachlässig im Fauteuil, doch mit dem Anstand
des vornehmen Mannes einer Dame gegenüber, die
er auch dafür anerkennt.

Ihre Unterhaltung hatte sich weit entfernt aus
den Kreisen, in welchen wir die Lupinus zu Hause wissen.

"Einer Frau von Ihrem Geist ist keine Region
verschlossen, in die sie dringen will," hatte er auf
eine Bemerkung der Geheimräthin erwiedert, daß sie
die Sphären des Staats für, ihrem Geschlecht wenn
nicht unzugänglich, doch geschlossen halte.

"Man sagt uns doch so oft, wir sollen uns
nicht aus unserer Sphäre verlieren."

"Wer das uns auf sich beziehen will! Ist die
Stael keine Frau! Mich dünkt, man braucht nicht so
weit zu suchen. Sind nicht die höchsten Damen an

in den Kreiſen, in welchen ſie ſich bewegt, ſie war
ſich dieſes Uebergewichts bewußt, dennoch glaubte ſie
den rohen Kitzel überwunden zu haben, welcher ſich
darin gefällt, dies Uebergewicht auch die Anderen
empfinden zu laſſen. Dem Legationsrath gegenüber
fühlte ſie dieſen Zauberbann zerſtört. Aber grade
gegen eine geiſtige Uebermacht anzukämpfen, iſt inte¬
reſſant. Eine Frau hat ſo viele kleine Künſte, mit
denen ſie unvermerkt in das feſte Syſtem des Mannes
Breſche legt, wenn es der Mühe verlohnt.

Er ſtand auf der Höhe, wo man nur wenig
auszugeben braucht, aber man reißt ſich um die Münze,
wie um eine Seltenheit. Dann ſieht man auch wohl
nicht immer genau nach, ob die Münze echt iſt. Er
ſaß nachläſſig im Fauteuil, doch mit dem Anſtand
des vornehmen Mannes einer Dame gegenüber, die
er auch dafür anerkennt.

Ihre Unterhaltung hatte ſich weit entfernt aus
den Kreiſen, in welchen wir die Lupinus zu Hauſe wiſſen.

„Einer Frau von Ihrem Geiſt iſt keine Region
verſchloſſen, in die ſie dringen will,“ hatte er auf
eine Bemerkung der Geheimräthin erwiedert, daß ſie
die Sphären des Staats für, ihrem Geſchlecht wenn
nicht unzugänglich, doch geſchloſſen halte.

„Man ſagt uns doch ſo oft, wir ſollen uns
nicht aus unſerer Sphäre verlieren.“

„Wer das uns auf ſich beziehen will! Iſt die
Stael keine Frau! Mich dünkt, man braucht nicht ſo
weit zu ſuchen. Sind nicht die höchſten Damen an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="61"/>
in den Krei&#x017F;en, in welchen &#x017F;ie &#x017F;ich bewegt, &#x017F;ie war<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;es Uebergewichts bewußt, dennoch glaubte &#x017F;ie<lb/>
den rohen Kitzel überwunden zu haben, welcher &#x017F;ich<lb/>
darin gefällt, dies Uebergewicht auch die Anderen<lb/>
empfinden zu la&#x017F;&#x017F;en. Dem Legationsrath gegenüber<lb/>
fühlte &#x017F;ie die&#x017F;en Zauberbann zer&#x017F;tört. Aber grade<lb/>
gegen eine gei&#x017F;tige Uebermacht anzukämpfen, i&#x017F;t inte¬<lb/>
re&#x017F;&#x017F;ant. Eine Frau hat &#x017F;o viele kleine Kün&#x017F;te, mit<lb/>
denen &#x017F;ie unvermerkt in das fe&#x017F;te Sy&#x017F;tem des Mannes<lb/>
Bre&#x017F;che legt, wenn es der Mühe verlohnt.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;tand auf der Höhe, wo man nur wenig<lb/>
auszugeben braucht, aber man reißt &#x017F;ich um die Münze,<lb/>
wie um eine Seltenheit. Dann &#x017F;ieht man auch wohl<lb/>
nicht immer genau nach, ob die Münze echt i&#x017F;t. Er<lb/>
&#x017F;aß nachlä&#x017F;&#x017F;ig im Fauteuil, doch mit dem An&#x017F;tand<lb/>
des vornehmen Mannes einer Dame gegenüber, die<lb/>
er auch dafür anerkennt.</p><lb/>
        <p>Ihre Unterhaltung hatte &#x017F;ich weit entfernt aus<lb/>
den Krei&#x017F;en, in welchen wir die Lupinus zu Hau&#x017F;e wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einer Frau von Ihrem Gei&#x017F;t i&#x017F;t keine Region<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, in die &#x017F;ie dringen <hi rendition="#g">will</hi>,&#x201C; hatte er auf<lb/>
eine Bemerkung der Geheimräthin erwiedert, daß &#x017F;ie<lb/>
die Sphären des Staats für, ihrem Ge&#x017F;chlecht wenn<lb/>
nicht unzugänglich, doch ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en halte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Man &#x017F;agt uns doch &#x017F;o oft, wir &#x017F;ollen uns<lb/>
nicht aus un&#x017F;erer Sphäre verlieren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer das <hi rendition="#g">uns</hi> auf &#x017F;ich beziehen will! I&#x017F;t die<lb/>
Stael keine Frau! Mich dünkt, man braucht nicht &#x017F;o<lb/>
weit zu &#x017F;uchen. Sind nicht die höch&#x017F;ten Damen an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0071] in den Kreiſen, in welchen ſie ſich bewegt, ſie war ſich dieſes Uebergewichts bewußt, dennoch glaubte ſie den rohen Kitzel überwunden zu haben, welcher ſich darin gefällt, dies Uebergewicht auch die Anderen empfinden zu laſſen. Dem Legationsrath gegenüber fühlte ſie dieſen Zauberbann zerſtört. Aber grade gegen eine geiſtige Uebermacht anzukämpfen, iſt inte¬ reſſant. Eine Frau hat ſo viele kleine Künſte, mit denen ſie unvermerkt in das feſte Syſtem des Mannes Breſche legt, wenn es der Mühe verlohnt. Er ſtand auf der Höhe, wo man nur wenig auszugeben braucht, aber man reißt ſich um die Münze, wie um eine Seltenheit. Dann ſieht man auch wohl nicht immer genau nach, ob die Münze echt iſt. Er ſaß nachläſſig im Fauteuil, doch mit dem Anſtand des vornehmen Mannes einer Dame gegenüber, die er auch dafür anerkennt. Ihre Unterhaltung hatte ſich weit entfernt aus den Kreiſen, in welchen wir die Lupinus zu Hauſe wiſſen. „Einer Frau von Ihrem Geiſt iſt keine Region verſchloſſen, in die ſie dringen will,“ hatte er auf eine Bemerkung der Geheimräthin erwiedert, daß ſie die Sphären des Staats für, ihrem Geſchlecht wenn nicht unzugänglich, doch geſchloſſen halte. „Man ſagt uns doch ſo oft, wir ſollen uns nicht aus unſerer Sphäre verlieren.“ „Wer das uns auf ſich beziehen will! Iſt die Stael keine Frau! Mich dünkt, man braucht nicht ſo weit zu ſuchen. Sind nicht die höchſten Damen an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/71
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/71>, abgerufen am 27.11.2024.