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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Völkerschaften, zusammen, die Congresse werden im¬
mer größer. Die Fürsten, die Staatsmänner lernen
sich kennen; früher kannten sie nur ihre Schwächen,
jetzt ihre Vorzüge; die Mißverständnisse, in der Ferne
groß, erscheinen in der Nähe klein. So bahnt sich
eine Verständigung an in immer weitern Kreisen, bis
wir alle endlich eine große Völkerfamilie sind, einig
in Harmonie und Interessen."

"Haben Sie gute Nachrichten von Ihrem Kai¬
ser? Seine Majestät befinden sich doch in erwünschtem
Wohlsein?"

"Er erwartet mit Sehnsucht den Ambassadeur
aus Berlin. Sie müssen wissen, Kaiserin Josephine
bewundert Kaiser Alexander in der Stille um seine
Humanität, seine Ritterlichkeit. Sie möchte ihn gern
von Angesicht sehen --"

"Mein Kaiser Alexander ist zu galant, als daß
er dem Wunsch einer reizenden Dame nicht gern ent¬
gegen käme."

"Auf das Entgegenkommen kommt es ja nur
an, in allen Dingen."

"Das fehlte noch, daß uns Napoleon hier über¬
raschte!" rief unwillkürlich Major Eisenhauch.

Der Gesandte schien es gehört zu haben: "Aber
nichts von Ueberraschung in so ernsten Dingen. Ein
neutraler Ort in der Mitte, der findet sich ja leicht
zum Fürstencongreß. Drei, vier edle Monarchen, und
noch edlere Menschen, begleitet von schönen Fürstinnen,
holden Frauen, in deren Augen der Thau des Mit¬

Völkerſchaften, zuſammen, die Congreſſe werden im¬
mer größer. Die Fürſten, die Staatsmänner lernen
ſich kennen; früher kannten ſie nur ihre Schwächen,
jetzt ihre Vorzüge; die Mißverſtändniſſe, in der Ferne
groß, erſcheinen in der Nähe klein. So bahnt ſich
eine Verſtändigung an in immer weitern Kreiſen, bis
wir alle endlich eine große Völkerfamilie ſind, einig
in Harmonie und Intereſſen.“

„Haben Sie gute Nachrichten von Ihrem Kai¬
ſer? Seine Majeſtät befinden ſich doch in erwünſchtem
Wohlſein?“

„Er erwartet mit Sehnſucht den Ambaſſadeur
aus Berlin. Sie müſſen wiſſen, Kaiſerin Joſephine
bewundert Kaiſer Alexander in der Stille um ſeine
Humanität, ſeine Ritterlichkeit. Sie möchte ihn gern
von Angeſicht ſehen —“

„Mein Kaiſer Alexander iſt zu galant, als daß
er dem Wunſch einer reizenden Dame nicht gern ent¬
gegen käme.“

„Auf das Entgegenkommen kommt es ja nur
an, in allen Dingen.“

„Das fehlte noch, daß uns Napoleon hier über¬
raſchte!“ rief unwillkürlich Major Eiſenhauch.

Der Geſandte ſchien es gehört zu haben: „Aber
nichts von Ueberraſchung in ſo ernſten Dingen. Ein
neutraler Ort in der Mitte, der findet ſich ja leicht
zum Fürſtencongreß. Drei, vier edle Monarchen, und
noch edlere Menſchen, begleitet von ſchönen Fürſtinnen,
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[108/0118] Völkerſchaften, zuſammen, die Congreſſe werden im¬ mer größer. Die Fürſten, die Staatsmänner lernen ſich kennen; früher kannten ſie nur ihre Schwächen, jetzt ihre Vorzüge; die Mißverſtändniſſe, in der Ferne groß, erſcheinen in der Nähe klein. So bahnt ſich eine Verſtändigung an in immer weitern Kreiſen, bis wir alle endlich eine große Völkerfamilie ſind, einig in Harmonie und Intereſſen.“ „Haben Sie gute Nachrichten von Ihrem Kai¬ ſer? Seine Majeſtät befinden ſich doch in erwünſchtem Wohlſein?“ „Er erwartet mit Sehnſucht den Ambaſſadeur aus Berlin. Sie müſſen wiſſen, Kaiſerin Joſephine bewundert Kaiſer Alexander in der Stille um ſeine Humanität, ſeine Ritterlichkeit. Sie möchte ihn gern von Angeſicht ſehen —“ „Mein Kaiſer Alexander iſt zu galant, als daß er dem Wunſch einer reizenden Dame nicht gern ent¬ gegen käme.“ „Auf das Entgegenkommen kommt es ja nur an, in allen Dingen.“ „Das fehlte noch, daß uns Napoleon hier über¬ raſchte!“ rief unwillkürlich Major Eiſenhauch. Der Geſandte ſchien es gehört zu haben: „Aber nichts von Ueberraſchung in ſo ernſten Dingen. Ein neutraler Ort in der Mitte, der findet ſich ja leicht zum Fürſtencongreß. Drei, vier edle Monarchen, und noch edlere Menſchen, begleitet von ſchönen Fürſtinnen, holden Frauen, in deren Augen der Thau des Mit¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/118>, abgerufen am 30.04.2024.