nicht mehr, als die Mehrzahl der zarter gebildeten Frauen es dazumal waren, oder sein zu müssen glaubten. Es waren bei ihr nur momentane Wal¬ lungen, und sie deutete dieselben nur für das Aufblitzen unbewußter Naturkräfte. Sie wollte keine Geister¬ seherin sein und erklärte sich gegen den Aberglauben.
Aber die Zungen waren fertig über sie zu rich¬ ten, und es giebt in einer großen Stadt böse Zungen. Wir übergehen das, was die Boshaften sich zu¬ zischelten: es sei nur Aerger, weil ihre Gesellschaften nicht die Anziehungskraft geübt, die sie gewünscht, und die Exclusiven sich zur Russischen Fürstin zögen, weil Prinz Louis durchaus nicht kommen wollen, und es möchte wohl einen besondern Grund gehabt haben, warum sie den Prinzen so gern an sich ge¬ zogen. Worauf andere hinzusetzten, der Prinz müsse auch wohl einen besondern Grund haben, warum er nicht gekommen. Wir heben lieber heraus, was die mild Gesinnten zur Erklärung vorbrachten: sie sei zu fein, und weil ihr alles Rohe widerstrebe, wirke es afficirend, gewissermaßen revolutionirend in dem zar¬ ten Körper. Andre: sie, die für einen kranken, wun¬ derlichen Mann zu sorgen, habe sich nun noch die Last für die Erziehung einer Pflegetochter aufgeladen. Was koste das nicht! Und ob es denn auch recht anerkannt würde! Demoiselle Adelheid sei wohl gut und schön, aber sie habe ein eigensinniges Köpfchen. Habe sie es nicht durchgesetzt gegen Aller Willen, daß sie mit ihrem Lehrer halb verlobt sei, einem jungen
nicht mehr, als die Mehrzahl der zarter gebildeten Frauen es dazumal waren, oder ſein zu müſſen glaubten. Es waren bei ihr nur momentane Wal¬ lungen, und ſie deutete dieſelben nur für das Aufblitzen unbewußter Naturkräfte. Sie wollte keine Geiſter¬ ſeherin ſein und erklärte ſich gegen den Aberglauben.
Aber die Zungen waren fertig über ſie zu rich¬ ten, und es giebt in einer großen Stadt böſe Zungen. Wir übergehen das, was die Boshaften ſich zu¬ ziſchelten: es ſei nur Aerger, weil ihre Geſellſchaften nicht die Anziehungskraft geübt, die ſie gewünſcht, und die Excluſiven ſich zur Ruſſiſchen Fürſtin zögen, weil Prinz Louis durchaus nicht kommen wollen, und es möchte wohl einen beſondern Grund gehabt haben, warum ſie den Prinzen ſo gern an ſich ge¬ zogen. Worauf andere hinzuſetzten, der Prinz müſſe auch wohl einen beſondern Grund haben, warum er nicht gekommen. Wir heben lieber heraus, was die mild Geſinnten zur Erklärung vorbrachten: ſie ſei zu fein, und weil ihr alles Rohe widerſtrebe, wirke es afficirend, gewiſſermaßen revolutionirend in dem zar¬ ten Körper. Andre: ſie, die für einen kranken, wun¬ derlichen Mann zu ſorgen, habe ſich nun noch die Laſt für die Erziehung einer Pflegetochter aufgeladen. Was koſte das nicht! Und ob es denn auch recht anerkannt würde! Demoiſelle Adelheid ſei wohl gut und ſchön, aber ſie habe ein eigenſinniges Köpfchen. Habe ſie es nicht durchgeſetzt gegen Aller Willen, daß ſie mit ihrem Lehrer halb verlobt ſei, einem jungen
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nicht mehr, als die Mehrzahl der zarter gebildeten
Frauen es dazumal waren, oder ſein zu müſſen
glaubten. Es waren bei ihr nur momentane Wal¬
lungen, und ſie deutete dieſelben nur für das Aufblitzen
unbewußter Naturkräfte. Sie wollte keine Geiſter¬
ſeherin ſein und erklärte ſich gegen den Aberglauben.
Aber die Zungen waren fertig über ſie zu rich¬
ten, und es giebt in einer großen Stadt böſe Zungen.
Wir übergehen das, was die Boshaften ſich zu¬
ziſchelten: es ſei nur Aerger, weil ihre Geſellſchaften
nicht die Anziehungskraft geübt, die ſie gewünſcht,
und die Excluſiven ſich zur Ruſſiſchen Fürſtin zögen,
weil Prinz Louis durchaus nicht kommen wollen,
und es möchte wohl einen beſondern Grund gehabt
haben, warum ſie den Prinzen ſo gern an ſich ge¬
zogen. Worauf andere hinzuſetzten, der Prinz müſſe
auch wohl einen beſondern Grund haben, warum er
nicht gekommen. Wir heben lieber heraus, was die
mild Geſinnten zur Erklärung vorbrachten: ſie ſei zu
fein, und weil ihr alles Rohe widerſtrebe, wirke es
afficirend, gewiſſermaßen revolutionirend in dem zar¬
ten Körper. Andre: ſie, die für einen kranken, wun¬
derlichen Mann zu ſorgen, habe ſich nun noch die Laſt
für die Erziehung einer Pflegetochter aufgeladen.
Was koſte das nicht! Und ob es denn auch recht
anerkannt würde! Demoiſelle Adelheid ſei wohl gut
und ſchön, aber ſie habe ein eigenſinniges Köpfchen.
Habe ſie es nicht durchgeſetzt gegen Aller Willen, daß
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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