Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

zu schlagen, wenn das Interesse es fordert. Wir sind
Feinde, in Einem kommen Sie aber doch mit mir
überein?"

"Keine Allianz!" rief sie mit nervöser Heftigkeit.

"Mit den Ideologen oder Germanomanen. Ich
bin kein Dichter, aber vielleicht ein Prophet. Ich sehe
die Brücke gespannt, die Rußland und Frankreich einst
verbindet."

"Was wollte Laforest eigentlich?" fragte ein
Russe, nachdem der Kaiser vorübergeritten, und die
Gesellschaft sich wieder schweigend zusammen fand.

"Auf die Frechheit den Hohn setzen!" rief Eisen¬
hauch.

"Belauscht hat er wenigstens nichts, was er nicht
schon weiß," versicherte Bovillard.

Der Legationsrath erwiederte: "Vielleicht nur
uns beschäftigt, um unsre Aufmerksamkeit von dem
abzuziehen, was wir nicht wissen sollen. Die erlauchte
Frau steht in Gedanken versunken?"

"Ueber dem aufgewühlten Chaos hinzutänzeln
wie auf Blumenwiesen ist die Kunst dieses Lebens,
sagte die Fürstin Gargazin. Wer immer die Risse
sähe und die züngelnden Flammen! -- Ich liebe die
Diplomaten, welche in jeder Situation die Dehors
beobachten."

"Frau Baronin Eitelbach!" meldete der Jäger.

Unausstehlich! schien aus den schwellenden Lippen
der sanften Frau geschrieben; aber über die Lippen
kamen nur die halb verhallenden Worte: "Auch die

zu ſchlagen, wenn das Intereſſe es fordert. Wir ſind
Feinde, in Einem kommen Sie aber doch mit mir
überein?“

„Keine Allianz!“ rief ſie mit nervöſer Heftigkeit.

„Mit den Ideologen oder Germanomanen. Ich
bin kein Dichter, aber vielleicht ein Prophet. Ich ſehe
die Brücke geſpannt, die Rußland und Frankreich einſt
verbindet.“

„Was wollte Laforeſt eigentlich?“ fragte ein
Ruſſe, nachdem der Kaiſer vorübergeritten, und die
Geſellſchaft ſich wieder ſchweigend zuſammen fand.

„Auf die Frechheit den Hohn ſetzen!“ rief Eiſen¬
hauch.

„Belauſcht hat er wenigſtens nichts, was er nicht
ſchon weiß,“ verſicherte Bovillard.

Der Legationsrath erwiederte: „Vielleicht nur
uns beſchäftigt, um unſre Aufmerkſamkeit von dem
abzuziehen, was wir nicht wiſſen ſollen. Die erlauchte
Frau ſteht in Gedanken verſunken?“

„Ueber dem aufgewühlten Chaos hinzutänzeln
wie auf Blumenwieſen iſt die Kunſt dieſes Lebens,
ſagte die Fürſtin Gargazin. Wer immer die Riſſe
ſähe und die züngelnden Flammen! — Ich liebe die
Diplomaten, welche in jeder Situation die Dehors
beobachten.“

„Frau Baronin Eitelbach!“ meldete der Jäger.

Unausſtehlich! ſchien aus den ſchwellenden Lippen
der ſanften Frau geſchrieben; aber über die Lippen
kamen nur die halb verhallenden Worte: „Auch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="111"/>
zu &#x017F;chlagen, wenn das Intere&#x017F;&#x017F;e es fordert. Wir &#x017F;ind<lb/>
Feinde, in Einem kommen Sie aber doch mit mir<lb/>
überein?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Keine Allianz!&#x201C; rief &#x017F;ie mit nervö&#x017F;er Heftigkeit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit den Ideologen oder Germanomanen. Ich<lb/>
bin kein Dichter, aber vielleicht ein Prophet. Ich &#x017F;ehe<lb/>
die Brücke ge&#x017F;pannt, die Rußland und Frankreich ein&#x017F;t<lb/>
verbindet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was wollte Lafore&#x017F;t eigentlich?&#x201C; fragte ein<lb/>
Ru&#x017F;&#x017F;e, nachdem der Kai&#x017F;er vorübergeritten, und die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;ich wieder &#x017F;chweigend zu&#x017F;ammen fand.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auf die Frechheit den Hohn &#x017F;etzen!&#x201C; rief Ei&#x017F;en¬<lb/>
hauch.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Belau&#x017F;cht hat er wenig&#x017F;tens nichts, was er nicht<lb/>
&#x017F;chon weiß,&#x201C; ver&#x017F;icherte Bovillard.</p><lb/>
        <p>Der Legationsrath erwiederte: &#x201E;Vielleicht nur<lb/>
uns be&#x017F;chäftigt, um un&#x017F;re Aufmerk&#x017F;amkeit von dem<lb/>
abzuziehen, was wir nicht wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen. Die erlauchte<lb/>
Frau &#x017F;teht in Gedanken ver&#x017F;unken?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ueber dem aufgewühlten Chaos hinzutänzeln<lb/>
wie auf Blumenwie&#x017F;en i&#x017F;t die Kun&#x017F;t die&#x017F;es Lebens,<lb/>
&#x017F;agte die Für&#x017F;tin Gargazin. Wer immer die Ri&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ähe und die züngelnden Flammen! &#x2014; Ich liebe die<lb/>
Diplomaten, welche in jeder Situation die Dehors<lb/>
beobachten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Frau Baronin Eitelbach!&#x201C; meldete der Jäger.</p><lb/>
        <p>Unaus&#x017F;tehlich! &#x017F;chien aus den &#x017F;chwellenden Lippen<lb/>
der &#x017F;anften Frau ge&#x017F;chrieben; aber über die Lippen<lb/>
kamen nur die halb verhallenden Worte: &#x201E;Auch die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0121] zu ſchlagen, wenn das Intereſſe es fordert. Wir ſind Feinde, in Einem kommen Sie aber doch mit mir überein?“ „Keine Allianz!“ rief ſie mit nervöſer Heftigkeit. „Mit den Ideologen oder Germanomanen. Ich bin kein Dichter, aber vielleicht ein Prophet. Ich ſehe die Brücke geſpannt, die Rußland und Frankreich einſt verbindet.“ „Was wollte Laforeſt eigentlich?“ fragte ein Ruſſe, nachdem der Kaiſer vorübergeritten, und die Geſellſchaft ſich wieder ſchweigend zuſammen fand. „Auf die Frechheit den Hohn ſetzen!“ rief Eiſen¬ hauch. „Belauſcht hat er wenigſtens nichts, was er nicht ſchon weiß,“ verſicherte Bovillard. Der Legationsrath erwiederte: „Vielleicht nur uns beſchäftigt, um unſre Aufmerkſamkeit von dem abzuziehen, was wir nicht wiſſen ſollen. Die erlauchte Frau ſteht in Gedanken verſunken?“ „Ueber dem aufgewühlten Chaos hinzutänzeln wie auf Blumenwieſen iſt die Kunſt dieſes Lebens, ſagte die Fürſtin Gargazin. Wer immer die Riſſe ſähe und die züngelnden Flammen! — Ich liebe die Diplomaten, welche in jeder Situation die Dehors beobachten.“ „Frau Baronin Eitelbach!“ meldete der Jäger. Unausſtehlich! ſchien aus den ſchwellenden Lippen der ſanften Frau geſchrieben; aber über die Lippen kamen nur die halb verhallenden Worte: „Auch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/121
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/121>, abgerufen am 09.11.2024.