Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

andern verbissene Wuth, militairischen Uebermuth oder
Kammerherrngesichter.

Auch er hatte auf ein Schauspiel gehofft, aber
keine Komödie, auf eines, das aufgehn werde, wie
die Blume aus der Knospe, wie die Sonne am
Frühlingsmorgen, auf einen Auferstehungstag des
Preußischen Volkes. Wenn die Trommel wirbelte,
eine Reiterschaar durch die Straßen sprengte, aller
Augen nach dem Schlosse sich wandten, wenn dann
-- die Fenster aufrissen, der König an die Brüstung
träte, an der Hand die schöne Königin, zur Seite der
ritterliche Freund. Wenn er an die Brust faßte, die
Hand zum Schwur gen Himmel hob: "Gott sei
mein Zeuge, ich kann nicht anders. Was ich gethan,
er weiß es, um die blutige Entscheidung zu sparen.
Er wollte sie mir nicht sparen. Mein Volk, es ist
kein Krieg um eitlen Vortheil, es gilt die Erhaltung
deiner selbst, unsrer theuer errungenen Selbstständig¬
keit, es gilt Preußens mit Füßen getretene Ehre, es
gilt den Augenblick, den nichts zurückkauft. Mein
Volk, es gilt unser Dasein. Dies Wort ist Krieg
und mein Volk wird zu mir stehen!" -- Und das
Volk wäre mit einer Stimme, mit einem Laut in
des Königs Worte eingefallen. Dann hätten Thrä¬
nen perlen mögen im festesten Auge, dann jeder an
die Brust des Andern fallen, dann die Arme sich
zum Schwur erheben, ein Laut in die Wolken, nicht
Jubel, Freude, Musik, ein Laut der Einigkeit zwischen
Fürst und Volk.

andern verbiſſene Wuth, militairiſchen Uebermuth oder
Kammerherrngeſichter.

Auch er hatte auf ein Schauſpiel gehofft, aber
keine Komödie, auf eines, das aufgehn werde, wie
die Blume aus der Knoſpe, wie die Sonne am
Frühlingsmorgen, auf einen Auferſtehungstag des
Preußiſchen Volkes. Wenn die Trommel wirbelte,
eine Reiterſchaar durch die Straßen ſprengte, aller
Augen nach dem Schloſſe ſich wandten, wenn dann
— die Fenſter aufriſſen, der König an die Brüſtung
träte, an der Hand die ſchöne Königin, zur Seite der
ritterliche Freund. Wenn er an die Bruſt faßte, die
Hand zum Schwur gen Himmel hob: „Gott ſei
mein Zeuge, ich kann nicht anders. Was ich gethan,
er weiß es, um die blutige Entſcheidung zu ſparen.
Er wollte ſie mir nicht ſparen. Mein Volk, es iſt
kein Krieg um eitlen Vortheil, es gilt die Erhaltung
deiner ſelbſt, unſrer theuer errungenen Selbſtſtändig¬
keit, es gilt Preußens mit Füßen getretene Ehre, es
gilt den Augenblick, den nichts zurückkauft. Mein
Volk, es gilt unſer Daſein. Dies Wort iſt Krieg
und mein Volk wird zu mir ſtehen!“ — Und das
Volk wäre mit einer Stimme, mit einem Laut in
des Königs Worte eingefallen. Dann hätten Thrä¬
nen perlen mögen im feſteſten Auge, dann jeder an
die Bruſt des Andern fallen, dann die Arme ſich
zum Schwur erheben, ein Laut in die Wolken, nicht
Jubel, Freude, Muſik, ein Laut der Einigkeit zwiſchen
Fürſt und Volk.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="116"/>
andern verbi&#x017F;&#x017F;ene Wuth, militairi&#x017F;chen Uebermuth oder<lb/>
Kammerherrnge&#x017F;ichter.</p><lb/>
        <p>Auch er hatte auf ein Schau&#x017F;piel gehofft, aber<lb/>
keine Komödie, auf eines, das aufgehn werde, wie<lb/>
die Blume aus der Kno&#x017F;pe, wie die Sonne am<lb/>
Frühlingsmorgen, auf einen Aufer&#x017F;tehungstag des<lb/>
Preußi&#x017F;chen Volkes. Wenn die Trommel wirbelte,<lb/>
eine Reiter&#x017F;chaar durch die Straßen &#x017F;prengte, aller<lb/>
Augen nach dem Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich wandten, wenn dann<lb/>
&#x2014; die Fen&#x017F;ter aufri&#x017F;&#x017F;en, der König an die Brü&#x017F;tung<lb/>
träte, an der Hand die &#x017F;chöne Königin, zur Seite der<lb/>
ritterliche Freund. Wenn er an die Bru&#x017F;t faßte, die<lb/>
Hand zum Schwur gen Himmel hob: &#x201E;Gott &#x017F;ei<lb/>
mein Zeuge, ich kann nicht anders. Was ich gethan,<lb/>
er weiß es, um die blutige Ent&#x017F;cheidung zu &#x017F;paren.<lb/>
Er wollte &#x017F;ie mir nicht &#x017F;paren. Mein Volk, es i&#x017F;t<lb/>
kein Krieg um eitlen Vortheil, es gilt die Erhaltung<lb/>
deiner &#x017F;elb&#x017F;t, un&#x017F;rer theuer errungenen Selb&#x017F;t&#x017F;tändig¬<lb/>
keit, es gilt Preußens mit Füßen getretene Ehre, es<lb/>
gilt den Augenblick, den nichts zurückkauft. Mein<lb/>
Volk, es gilt un&#x017F;er Da&#x017F;ein. Dies Wort i&#x017F;t Krieg<lb/>
und mein Volk wird zu mir &#x017F;tehen!&#x201C; &#x2014; Und das<lb/>
Volk wäre mit einer Stimme, mit einem Laut in<lb/>
des Königs Worte eingefallen. Dann hätten Thrä¬<lb/>
nen perlen mögen im fe&#x017F;te&#x017F;ten Auge, dann jeder an<lb/>
die Bru&#x017F;t des Andern fallen, dann die Arme &#x017F;ich<lb/>
zum Schwur erheben, ein Laut in die Wolken, nicht<lb/>
Jubel, Freude, Mu&#x017F;ik, ein Laut der Einigkeit zwi&#x017F;chen<lb/>
Für&#x017F;t und Volk.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0126] andern verbiſſene Wuth, militairiſchen Uebermuth oder Kammerherrngeſichter. Auch er hatte auf ein Schauſpiel gehofft, aber keine Komödie, auf eines, das aufgehn werde, wie die Blume aus der Knoſpe, wie die Sonne am Frühlingsmorgen, auf einen Auferſtehungstag des Preußiſchen Volkes. Wenn die Trommel wirbelte, eine Reiterſchaar durch die Straßen ſprengte, aller Augen nach dem Schloſſe ſich wandten, wenn dann — die Fenſter aufriſſen, der König an die Brüſtung träte, an der Hand die ſchöne Königin, zur Seite der ritterliche Freund. Wenn er an die Bruſt faßte, die Hand zum Schwur gen Himmel hob: „Gott ſei mein Zeuge, ich kann nicht anders. Was ich gethan, er weiß es, um die blutige Entſcheidung zu ſparen. Er wollte ſie mir nicht ſparen. Mein Volk, es iſt kein Krieg um eitlen Vortheil, es gilt die Erhaltung deiner ſelbſt, unſrer theuer errungenen Selbſtſtändig¬ keit, es gilt Preußens mit Füßen getretene Ehre, es gilt den Augenblick, den nichts zurückkauft. Mein Volk, es gilt unſer Daſein. Dies Wort iſt Krieg und mein Volk wird zu mir ſtehen!“ — Und das Volk wäre mit einer Stimme, mit einem Laut in des Königs Worte eingefallen. Dann hätten Thrä¬ nen perlen mögen im feſteſten Auge, dann jeder an die Bruſt des Andern fallen, dann die Arme ſich zum Schwur erheben, ein Laut in die Wolken, nicht Jubel, Freude, Muſik, ein Laut der Einigkeit zwiſchen Fürſt und Volk.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/126
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/126>, abgerufen am 09.11.2024.