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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Sie ist so auffällig verletzt, daß sie eben so auffällig
Genugthuung heischt; der Hohn, den man uns zuge¬
fügt hat, den Napoleons Generale noch täglich in
Anspach und Baireuth Preußen zufügen, könnten
einen Stein ins Leben rufen. Das und noch vieles
andre, was hier nicht hergehört, ist mir Bürgschaft."

"Wofür?"

"Daß endlich der stahlgeborne Entschluß ins
Leben springt."

Der andre ging eine Weile schweigend, dann
sagte er ruhig: "Einen Gesandten wird man an Na¬
poleon schicken, ihm Friedensbedingungen stellen und
unterhandeln. Wenn Sie wissen was Unterhandlun¬
gen sind, wo Preußische Diplomaten mitsprechen, so
stellen Sie danach Ihre Hoffnungen."

"Diesmal, nur diesmal nicht -- rief Walter in
Eifer gebracht -- es geht nicht, es läßt sich nicht
mehr zurückdrängen. Das Volk leidet es nicht."

"Das Volk, mein Herr! Das weiß ich nicht;
ich kenne es wenigstens noch nicht genug, und was
ich von ihm kenne, doch -- das gehört nicht hierher."

Sie standen an einem Scheidewege. Der Fremde
wenigstens nahm an, daß sie hier scheiden müßten,
oder er wollte hier scheiden. Es waren seine Ab¬
schiedsworte:

"Dies Volk, mein Herr, mag gut sein, tapfer
treu, aber es ist noch zu klein für seine Traditionen.
Es hat sich übernommen, und es ist nie gut, wenn
man sich den Magen auch mit dem Besten füllt, wenn

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Sie iſt ſo auffällig verletzt, daß ſie eben ſo auffällig
Genugthuung heiſcht; der Hohn, den man uns zuge¬
fügt hat, den Napoleons Generale noch täglich in
Anſpach und Baireuth Preußen zufügen, könnten
einen Stein ins Leben rufen. Das und noch vieles
andre, was hier nicht hergehört, iſt mir Bürgſchaft.“

„Wofür?“

„Daß endlich der ſtahlgeborne Entſchluß ins
Leben ſpringt.“

Der andre ging eine Weile ſchweigend, dann
ſagte er ruhig: „Einen Geſandten wird man an Na¬
poleon ſchicken, ihm Friedensbedingungen ſtellen und
unterhandeln. Wenn Sie wiſſen was Unterhandlun¬
gen ſind, wo Preußiſche Diplomaten mitſprechen, ſo
ſtellen Sie danach Ihre Hoffnungen.“

„Diesmal, nur diesmal nicht — rief Walter in
Eifer gebracht — es geht nicht, es läßt ſich nicht
mehr zurückdrängen. Das Volk leidet es nicht.“

„Das Volk, mein Herr! Das weiß ich nicht;
ich kenne es wenigſtens noch nicht genug, und was
ich von ihm kenne, doch — das gehört nicht hierher.“

Sie ſtanden an einem Scheidewege. Der Fremde
wenigſtens nahm an, daß ſie hier ſcheiden müßten,
oder er wollte hier ſcheiden. Es waren ſeine Ab¬
ſchiedsworte:

„Dies Volk, mein Herr, mag gut ſein, tapfer
treu, aber es iſt noch zu klein für ſeine Traditionen.
Es hat ſich übernommen, und es iſt nie gut, wenn
man ſich den Magen auch mit dem Beſten füllt, wenn

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[147/0157] Sie iſt ſo auffällig verletzt, daß ſie eben ſo auffällig Genugthuung heiſcht; der Hohn, den man uns zuge¬ fügt hat, den Napoleons Generale noch täglich in Anſpach und Baireuth Preußen zufügen, könnten einen Stein ins Leben rufen. Das und noch vieles andre, was hier nicht hergehört, iſt mir Bürgſchaft.“ „Wofür?“ „Daß endlich der ſtahlgeborne Entſchluß ins Leben ſpringt.“ Der andre ging eine Weile ſchweigend, dann ſagte er ruhig: „Einen Geſandten wird man an Na¬ poleon ſchicken, ihm Friedensbedingungen ſtellen und unterhandeln. Wenn Sie wiſſen was Unterhandlun¬ gen ſind, wo Preußiſche Diplomaten mitſprechen, ſo ſtellen Sie danach Ihre Hoffnungen.“ „Diesmal, nur diesmal nicht — rief Walter in Eifer gebracht — es geht nicht, es läßt ſich nicht mehr zurückdrängen. Das Volk leidet es nicht.“ „Das Volk, mein Herr! Das weiß ich nicht; ich kenne es wenigſtens noch nicht genug, und was ich von ihm kenne, doch — das gehört nicht hierher.“ Sie ſtanden an einem Scheidewege. Der Fremde wenigſtens nahm an, daß ſie hier ſcheiden müßten, oder er wollte hier ſcheiden. Es waren ſeine Ab¬ ſchiedsworte: „Dies Volk, mein Herr, mag gut ſein, tapfer treu, aber es iſt noch zu klein für ſeine Traditionen. Es hat ſich übernommen, und es iſt nie gut, wenn man ſich den Magen auch mit dem Beſten füllt, wenn 10*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/157>, abgerufen am 09.11.2024.