Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

der Natur, will alles an sich reißen, vom Lamme
seine Eingeweide, um eine Harfe widertönen zu lassen,
vom Wallfisch seine Barten, um das Mieder des jungen
Mädchens zu halten; seine Tafeln sind bedeckt mit
Cadavern. Ja, dem Menschen ist in dem unerforsch¬
lichen Rathschluß des Ewigen das Amt gegeben, den
Menschen zu erwürgen, und der Krieg ists, der den
Spruch erfüllt. Die Erde selbst schreit nach Blut.
Das der Thiere genügt ihr nicht, auch nicht das der
Schuldigen, das durch das Schwert des Gesetzes
vergossen wird. Sie will mehr Blut, reineres. Der
Mensch, von einer göttlichen Wuth ergriffen, an der
Haß und Zorn keinen Theil haben, rückt ins
Schlachtfeld und thut mit Begeisterung, wovor er
schaudert. In Erfüllung des großen Gesetzes, das
gewaltsame Zerstörung unter den lebenden Wesen
fordert, ist die ganze Erde, fortwährend von Blut
getränkt, nur ein ungeheurer Altar, auf dem alles
geopfert werden muß ohne Ende. Ja, meine Theure,
zweifeln Sie daran, wenn Sie die Weltgeschichte
durchblättern, wenn Sie die rothen Schlachtfelder
überblicken, mit denen der gekrönte Korse die Länder
füllt, daß der Würgeengel sie umkreist wie die Sonne,
und eine Nation nur aufkommen läßt, um andere
zu schlagen! Wenn die Verbrechen sich gehäuft über
das Maaß, dann verfolgt mit Hast der Engel, ohne
Maaß zu kennen, seinen unermüdlichen Flug. Die
sicht- und greifbaren Anlässe erklären den Krieg
nicht; jeder kennt ja das Uebel; wenn sie wollten,

der Natur, will alles an ſich reißen, vom Lamme
ſeine Eingeweide, um eine Harfe widertönen zu laſſen,
vom Wallfiſch ſeine Barten, um das Mieder des jungen
Mädchens zu halten; ſeine Tafeln ſind bedeckt mit
Cadavern. Ja, dem Menſchen iſt in dem unerforſch¬
lichen Rathſchluß des Ewigen das Amt gegeben, den
Menſchen zu erwürgen, und der Krieg iſts, der den
Spruch erfüllt. Die Erde ſelbſt ſchreit nach Blut.
Das der Thiere genügt ihr nicht, auch nicht das der
Schuldigen, das durch das Schwert des Geſetzes
vergoſſen wird. Sie will mehr Blut, reineres. Der
Menſch, von einer göttlichen Wuth ergriffen, an der
Haß und Zorn keinen Theil haben, rückt ins
Schlachtfeld und thut mit Begeiſterung, wovor er
ſchaudert. In Erfüllung des großen Geſetzes, das
gewaltſame Zerſtörung unter den lebenden Weſen
fordert, iſt die ganze Erde, fortwährend von Blut
getränkt, nur ein ungeheurer Altar, auf dem alles
geopfert werden muß ohne Ende. Ja, meine Theure,
zweifeln Sie daran, wenn Sie die Weltgeſchichte
durchblättern, wenn Sie die rothen Schlachtfelder
überblicken, mit denen der gekrönte Korſe die Länder
füllt, daß der Würgeengel ſie umkreiſt wie die Sonne,
und eine Nation nur aufkommen läßt, um andere
zu ſchlagen! Wenn die Verbrechen ſich gehäuft über
das Maaß, dann verfolgt mit Haſt der Engel, ohne
Maaß zu kennen, ſeinen unermüdlichen Flug. Die
ſicht- und greifbaren Anläſſe erklären den Krieg
nicht; jeder kennt ja das Uebel; wenn ſie wollten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0183" n="173"/>
der Natur, will alles an &#x017F;ich reißen, vom Lamme<lb/>
&#x017F;eine Eingeweide, um eine Harfe widertönen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
vom Wallfi&#x017F;ch &#x017F;eine Barten, um das Mieder des jungen<lb/>
Mädchens zu halten; &#x017F;eine Tafeln &#x017F;ind bedeckt mit<lb/>
Cadavern. Ja, dem Men&#x017F;chen i&#x017F;t in dem unerfor&#x017F;ch¬<lb/>
lichen Rath&#x017F;chluß des Ewigen das Amt gegeben, den<lb/>
Men&#x017F;chen zu erwürgen, und der Krieg i&#x017F;ts, der den<lb/>
Spruch erfüllt. Die Erde &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chreit nach Blut.<lb/>
Das der Thiere genügt ihr nicht, auch nicht das der<lb/>
Schuldigen, das durch das Schwert des Ge&#x017F;etzes<lb/>
vergo&#x017F;&#x017F;en wird. Sie will mehr Blut, reineres. Der<lb/>
Men&#x017F;ch, von einer göttlichen Wuth ergriffen, an der<lb/>
Haß und Zorn keinen Theil haben, rückt ins<lb/>
Schlachtfeld und thut mit Begei&#x017F;terung, wovor er<lb/>
&#x017F;chaudert. In Erfüllung des großen Ge&#x017F;etzes, das<lb/>
gewalt&#x017F;ame Zer&#x017F;törung unter den lebenden We&#x017F;en<lb/>
fordert, i&#x017F;t die ganze Erde, fortwährend von Blut<lb/>
getränkt, nur ein ungeheurer Altar, auf dem alles<lb/>
geopfert werden muß ohne Ende. Ja, meine Theure,<lb/>
zweifeln Sie daran, wenn Sie die Weltge&#x017F;chichte<lb/>
durchblättern, wenn Sie die rothen Schlachtfelder<lb/>
überblicken, mit denen der gekrönte Kor&#x017F;e die Länder<lb/>
füllt, daß der Würgeengel &#x017F;ie umkrei&#x017F;t wie die Sonne,<lb/>
und eine Nation nur aufkommen läßt, um andere<lb/>
zu &#x017F;chlagen! Wenn die Verbrechen &#x017F;ich gehäuft über<lb/>
das Maaß, dann verfolgt mit Ha&#x017F;t der Engel, ohne<lb/>
Maaß zu kennen, &#x017F;einen unermüdlichen Flug. Die<lb/>
&#x017F;icht- und greifbaren Anlä&#x017F;&#x017F;e erklären den Krieg<lb/>
nicht; jeder kennt ja das Uebel; wenn &#x017F;ie wollten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0183] der Natur, will alles an ſich reißen, vom Lamme ſeine Eingeweide, um eine Harfe widertönen zu laſſen, vom Wallfiſch ſeine Barten, um das Mieder des jungen Mädchens zu halten; ſeine Tafeln ſind bedeckt mit Cadavern. Ja, dem Menſchen iſt in dem unerforſch¬ lichen Rathſchluß des Ewigen das Amt gegeben, den Menſchen zu erwürgen, und der Krieg iſts, der den Spruch erfüllt. Die Erde ſelbſt ſchreit nach Blut. Das der Thiere genügt ihr nicht, auch nicht das der Schuldigen, das durch das Schwert des Geſetzes vergoſſen wird. Sie will mehr Blut, reineres. Der Menſch, von einer göttlichen Wuth ergriffen, an der Haß und Zorn keinen Theil haben, rückt ins Schlachtfeld und thut mit Begeiſterung, wovor er ſchaudert. In Erfüllung des großen Geſetzes, das gewaltſame Zerſtörung unter den lebenden Weſen fordert, iſt die ganze Erde, fortwährend von Blut getränkt, nur ein ungeheurer Altar, auf dem alles geopfert werden muß ohne Ende. Ja, meine Theure, zweifeln Sie daran, wenn Sie die Weltgeſchichte durchblättern, wenn Sie die rothen Schlachtfelder überblicken, mit denen der gekrönte Korſe die Länder füllt, daß der Würgeengel ſie umkreiſt wie die Sonne, und eine Nation nur aufkommen läßt, um andere zu ſchlagen! Wenn die Verbrechen ſich gehäuft über das Maaß, dann verfolgt mit Haſt der Engel, ohne Maaß zu kennen, ſeinen unermüdlichen Flug. Die ſicht- und greifbaren Anläſſe erklären den Krieg nicht; jeder kennt ja das Uebel; wenn ſie wollten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/183
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/183>, abgerufen am 09.11.2024.