Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.frei aus, weil sein Herz rein geblieben, nur die Gewalt Die Fürstin mußte heute selbst so von ihren "Ach, ich verstehe Sie, schluchzte die schöne Frau, "Meine Liebe, Gute, beruhigen Sie sich, sprach frei aus, weil ſein Herz rein geblieben, nur die Gewalt Die Fürſtin mußte heute ſelbſt ſo von ihren „Ach, ich verſtehe Sie, ſchluchzte die ſchöne Frau, „Meine Liebe, Gute, beruhigen Sie ſich, ſprach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="176"/> frei aus, weil ſein Herz rein geblieben, nur die Gewalt<lb/> der Umſtände ihn zur That trieb. Dagegen wie man¬<lb/> cher, der nichts gethan, was die Sinne faſſen, iſt ſchon<lb/> verdammt, weil er in der Stille ſeinen ſündhaften<lb/> Regungen nachging, weil er in Gedanken gegen Got¬<lb/> tes Geſetze ſündigte. Wie leicht lullen wir uns in<lb/> ſüße Verſtellung ein, es ſei nicht ſchlimm was wir<lb/> denken; wir lügen uns edle Abſichten vor, oder glau¬<lb/> ben, es ſind ja nur Phantaſieen, und wenn es zur<lb/> Ausführung kommt, ſo würden wir ſtark ſein und<lb/> ihnen widerſtehen. Ach, meine Liebe, wir ſind nicht<lb/> ſtark, und Gedankenſünden ſind oft die ſchwerſten,<lb/> die wir begehen können.“</p><lb/> <p>Die Fürſtin mußte heute ſelbſt ſo von ihren<lb/> eigenen Gedanken bedrängt und verwirrt ſein, daß<lb/> ihre diplomatiſche Kunſt ſie in dem, was ſie laut<lb/> ſprach, zu verlaſſen ſchien. Sie hatte nichts von dem<lb/> neuen peinlichen Eindruck gemerkt, den dieſe Tröſtung<lb/> auf die Baronin hervorgebracht, die plötzlich ſich auf<lb/> den Boden des Wagens niederſenkte, und die Knie<lb/> der Fürſtin umfaßte:</p><lb/> <p>„Ach, ich verſtehe Sie, ſchluchzte die ſchöne Frau,<lb/> aber — ich konnte nicht anders.“</p><lb/> <p>„Meine Liebe, Gute, beruhigen Sie ſich, ſprach<lb/> die Fürſtin, die eine neue Specialbeichte fürchtete, und<lb/> nichts weniger als Luſt hatte, den Beichtvater abzu¬<lb/> geben. In ſolchen großen Welt-Kataſtrophen hat das<lb/> Auge droben weniger Acht — ich wollte ſagen, es ſieht<lb/> milde und gnädig auf die kleinen Vergehungen herab.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0186]
frei aus, weil ſein Herz rein geblieben, nur die Gewalt
der Umſtände ihn zur That trieb. Dagegen wie man¬
cher, der nichts gethan, was die Sinne faſſen, iſt ſchon
verdammt, weil er in der Stille ſeinen ſündhaften
Regungen nachging, weil er in Gedanken gegen Got¬
tes Geſetze ſündigte. Wie leicht lullen wir uns in
ſüße Verſtellung ein, es ſei nicht ſchlimm was wir
denken; wir lügen uns edle Abſichten vor, oder glau¬
ben, es ſind ja nur Phantaſieen, und wenn es zur
Ausführung kommt, ſo würden wir ſtark ſein und
ihnen widerſtehen. Ach, meine Liebe, wir ſind nicht
ſtark, und Gedankenſünden ſind oft die ſchwerſten,
die wir begehen können.“
Die Fürſtin mußte heute ſelbſt ſo von ihren
eigenen Gedanken bedrängt und verwirrt ſein, daß
ihre diplomatiſche Kunſt ſie in dem, was ſie laut
ſprach, zu verlaſſen ſchien. Sie hatte nichts von dem
neuen peinlichen Eindruck gemerkt, den dieſe Tröſtung
auf die Baronin hervorgebracht, die plötzlich ſich auf
den Boden des Wagens niederſenkte, und die Knie
der Fürſtin umfaßte:
„Ach, ich verſtehe Sie, ſchluchzte die ſchöne Frau,
aber — ich konnte nicht anders.“
„Meine Liebe, Gute, beruhigen Sie ſich, ſprach
die Fürſtin, die eine neue Specialbeichte fürchtete, und
nichts weniger als Luſt hatte, den Beichtvater abzu¬
geben. In ſolchen großen Welt-Kataſtrophen hat das
Auge droben weniger Acht — ich wollte ſagen, es ſieht
milde und gnädig auf die kleinen Vergehungen herab.“
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