Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

mir gleich was durch den Sinn. Und nachher, wie
ich im Stroh suchte unter seinem Bett, da fand
ichs -- das Achtgroschenstück."

"Sie hat es dem Hausknecht wieder gegeben!"

"Ich wollte es auch, aber da kriegte mich der
Fritz zu packen. Sage ich Ihnen, wie ein Kobold,
er kniff mir in die Waden und biß mir in die
Finger, und schrie und weinte -- nu man hat
doch auch ein Herz im Leibe -- wer will denn
seiner Herrschaft Kinder an den Galgen liefern! --
Dem Gottlieb thut man's wieder gut. Die Prügel
hat er doch mal weg; schaden ihm auch nichts. Aber
von dem Achtgroschenstück, davon ist's ja eben. Zum
Kuchenbäcker um die Ecke. Sein ganz Schnupf¬
tuch voll brachte er mit, husch unters Bett, und
nun stopften sie. Daran liegen sie ja jetzt wieder.
Nein, sage ich doch, das steckt im Blute."

"Meint Sie?"

"O Du lieber himmlischer Vater, wenn da
nicht Einer hilft, der wird mal 'ne Räuberbande,
wie's zu lesen steht in den Büchern bei Herrn
Vieweg -- blutig duster im Walde, und am Ende
schleppen sie ihn in Ketten. Na, wenn das mein
Herr erlebte?"

"Im Blute, sagt Sie, steckt es!"

"Wer's zu verantworten hat, weiß ich auch,
Frau Geheimräthin. Nein, da sind Sie nicht dran
Schuld. Im Blute, sagt der Herr Prediger, steckt
die Sünde, der Frühprediger meine ich, wo die

mir gleich was durch den Sinn. Und nachher, wie
ich im Stroh ſuchte unter ſeinem Bett, da fand
ichs — das Achtgroſchenſtück.“

„Sie hat es dem Hausknecht wieder gegeben!“

„Ich wollte es auch, aber da kriegte mich der
Fritz zu packen. Sage ich Ihnen, wie ein Kobold,
er kniff mir in die Waden und biß mir in die
Finger, und ſchrie und weinte — nu man hat
doch auch ein Herz im Leibe — wer will denn
ſeiner Herrſchaft Kinder an den Galgen liefern! —
Dem Gottlieb thut man's wieder gut. Die Prügel
hat er doch mal weg; ſchaden ihm auch nichts. Aber
von dem Achtgroſchenſtück, davon iſt's ja eben. Zum
Kuchenbäcker um die Ecke. Sein ganz Schnupf¬
tuch voll brachte er mit, huſch unters Bett, und
nun ſtopften ſie. Daran liegen ſie ja jetzt wieder.
Nein, ſage ich doch, das ſteckt im Blute.“

„Meint Sie?“

„O Du lieber himmliſcher Vater, wenn da
nicht Einer hilft, der wird mal 'ne Räuberbande,
wie's zu leſen ſteht in den Büchern bei Herrn
Vieweg — blutig duſter im Walde, und am Ende
ſchleppen ſie ihn in Ketten. Na, wenn das mein
Herr erlebte?“

„Im Blute, ſagt Sie, ſteckt es!“

„Wer's zu verantworten hat, weiß ich auch,
Frau Geheimräthin. Nein, da ſind Sie nicht dran
Schuld. Im Blute, ſagt der Herr Prediger, ſteckt
die Sünde, der Frühprediger meine ich, wo die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="205"/>
mir gleich was durch den Sinn. Und nachher, wie<lb/>
ich im Stroh &#x017F;uchte unter &#x017F;einem Bett, da fand<lb/>
ichs &#x2014; das Achtgro&#x017F;chen&#x017F;tück.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie hat es dem Hausknecht wieder gegeben!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich wollte es auch, aber da kriegte mich der<lb/>
Fritz zu packen. Sage ich Ihnen, wie ein Kobold,<lb/>
er kniff mir in die Waden und biß mir in die<lb/>
Finger, und &#x017F;chrie und weinte &#x2014; nu man hat<lb/>
doch auch ein Herz im Leibe &#x2014; wer will denn<lb/>
&#x017F;einer Herr&#x017F;chaft Kinder an den Galgen liefern! &#x2014;<lb/>
Dem Gottlieb thut man's wieder gut. Die Prügel<lb/>
hat er doch mal weg; &#x017F;chaden ihm auch nichts. Aber<lb/>
von dem Achtgro&#x017F;chen&#x017F;tück, davon i&#x017F;t's ja eben. Zum<lb/>
Kuchenbäcker um die Ecke. Sein ganz Schnupf¬<lb/>
tuch voll brachte er mit, hu&#x017F;ch unters Bett, und<lb/>
nun &#x017F;topften &#x017F;ie. Daran liegen &#x017F;ie ja jetzt wieder.<lb/>
Nein, &#x017F;age ich doch, das &#x017F;teckt im Blute.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meint Sie?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O Du lieber himmli&#x017F;cher Vater, wenn da<lb/>
nicht Einer hilft, der wird mal 'ne Räuberbande,<lb/>
wie's zu le&#x017F;en &#x017F;teht in den Büchern bei Herrn<lb/>
Vieweg &#x2014; blutig du&#x017F;ter im Walde, und am Ende<lb/>
&#x017F;chleppen &#x017F;ie ihn in Ketten. Na, wenn das mein<lb/>
Herr erlebte?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Im Blute, &#x017F;agt Sie, &#x017F;teckt es!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer's zu verantworten hat, weiß ich auch,<lb/>
Frau Geheimräthin. Nein, da &#x017F;ind Sie nicht dran<lb/>
Schuld. Im Blute, &#x017F;agt der Herr Prediger, &#x017F;teckt<lb/>
die Sünde, der Frühprediger meine ich, wo die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0215] mir gleich was durch den Sinn. Und nachher, wie ich im Stroh ſuchte unter ſeinem Bett, da fand ichs — das Achtgroſchenſtück.“ „Sie hat es dem Hausknecht wieder gegeben!“ „Ich wollte es auch, aber da kriegte mich der Fritz zu packen. Sage ich Ihnen, wie ein Kobold, er kniff mir in die Waden und biß mir in die Finger, und ſchrie und weinte — nu man hat doch auch ein Herz im Leibe — wer will denn ſeiner Herrſchaft Kinder an den Galgen liefern! — Dem Gottlieb thut man's wieder gut. Die Prügel hat er doch mal weg; ſchaden ihm auch nichts. Aber von dem Achtgroſchenſtück, davon iſt's ja eben. Zum Kuchenbäcker um die Ecke. Sein ganz Schnupf¬ tuch voll brachte er mit, huſch unters Bett, und nun ſtopften ſie. Daran liegen ſie ja jetzt wieder. Nein, ſage ich doch, das ſteckt im Blute.“ „Meint Sie?“ „O Du lieber himmliſcher Vater, wenn da nicht Einer hilft, der wird mal 'ne Räuberbande, wie's zu leſen ſteht in den Büchern bei Herrn Vieweg — blutig duſter im Walde, und am Ende ſchleppen ſie ihn in Ketten. Na, wenn das mein Herr erlebte?“ „Im Blute, ſagt Sie, ſteckt es!“ „Wer's zu verantworten hat, weiß ich auch, Frau Geheimräthin. Nein, da ſind Sie nicht dran Schuld. Im Blute, ſagt der Herr Prediger, ſteckt die Sünde, der Frühprediger meine ich, wo die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/215
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/215>, abgerufen am 21.11.2024.