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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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"Geheimräthin! rief Adelheid erblassend, das ist
zu viel!"

"Ich mache Dir keinen Vorwurf; im Gegentheil
ich lobe Dich, daß Du zur Besinnung kommst. Kann
ich fordern, daß mich jemand lieben soll, und gar
um der Kleinigkeit willen, wo auch ich mir gestehe,
daß ich es nicht aus Liebe zu Dir gethan, sondern
wirklich, weil es mich amüsirte, mein Haus durch ein
so schönes Mädchen lebendig zu machen. Vieles,
was ich aus Liebe gethan, ward mir schlechter ver¬
golten. Unsre Naturen haben nun einmal keine
Sympathie. Du bist mir gleichgültig, ich bin Dir
vielleicht widerwärtig. Kannst Du oder ich dafür?
Wie ich die angeheuchelten Gefühle der Dankbarkeit
betrachte, hast Du eben gehört. Du hast nun schon
gelernt, Dich geistig von mir frei zu machen. Das
ist ein Fortschritt. Du moquirst Dich über mich,
complotirst im Kleinen gegen mich. So wird Dir
mein Haus eine gute Schule werden fürs Leben.
Fahre fort; so nur lernst Du, wie man mit den
Menschen umgehen muß, um -- was die andern
nennen, frei zu werden. Ich bin die ältere, und sah
es zu spät ein. Uebe Dich an mir. Du hast ein
langes Leben vor Dir."

Adelheid stand sprachlos da, als die Geheim¬
räthin langsam nach der Thüre sich entfernte. Sie
wandte sich noch einmal um: "Noch eins, was ich
von Dir fordern kann. Wir sind nun einmal an
einander gekettet. Wir müssen es tragen bis der

„Geheimräthin! rief Adelheid erblaſſend, das iſt
zu viel!“

„Ich mache Dir keinen Vorwurf; im Gegentheil
ich lobe Dich, daß Du zur Beſinnung kommſt. Kann
ich fordern, daß mich jemand lieben ſoll, und gar
um der Kleinigkeit willen, wo auch ich mir geſtehe,
daß ich es nicht aus Liebe zu Dir gethan, ſondern
wirklich, weil es mich amüſirte, mein Haus durch ein
ſo ſchönes Mädchen lebendig zu machen. Vieles,
was ich aus Liebe gethan, ward mir ſchlechter ver¬
golten. Unſre Naturen haben nun einmal keine
Sympathie. Du biſt mir gleichgültig, ich bin Dir
vielleicht widerwärtig. Kannſt Du oder ich dafür?
Wie ich die angeheuchelten Gefühle der Dankbarkeit
betrachte, haſt Du eben gehört. Du haſt nun ſchon
gelernt, Dich geiſtig von mir frei zu machen. Das
iſt ein Fortſchritt. Du moquirſt Dich über mich,
complotirſt im Kleinen gegen mich. So wird Dir
mein Haus eine gute Schule werden fürs Leben.
Fahre fort; ſo nur lernſt Du, wie man mit den
Menſchen umgehen muß, um — was die andern
nennen, frei zu werden. Ich bin die ältere, und ſah
es zu ſpät ein. Uebe Dich an mir. Du haſt ein
langes Leben vor Dir.“

Adelheid ſtand ſprachlos da, als die Geheim¬
räthin langſam nach der Thüre ſich entfernte. Sie
wandte ſich noch einmal um: „Noch eins, was ich
von Dir fordern kann. Wir ſind nun einmal an
einander gekettet. Wir müſſen es tragen bis der

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[218/0228] „Geheimräthin! rief Adelheid erblaſſend, das iſt zu viel!“ „Ich mache Dir keinen Vorwurf; im Gegentheil ich lobe Dich, daß Du zur Beſinnung kommſt. Kann ich fordern, daß mich jemand lieben ſoll, und gar um der Kleinigkeit willen, wo auch ich mir geſtehe, daß ich es nicht aus Liebe zu Dir gethan, ſondern wirklich, weil es mich amüſirte, mein Haus durch ein ſo ſchönes Mädchen lebendig zu machen. Vieles, was ich aus Liebe gethan, ward mir ſchlechter ver¬ golten. Unſre Naturen haben nun einmal keine Sympathie. Du biſt mir gleichgültig, ich bin Dir vielleicht widerwärtig. Kannſt Du oder ich dafür? Wie ich die angeheuchelten Gefühle der Dankbarkeit betrachte, haſt Du eben gehört. Du haſt nun ſchon gelernt, Dich geiſtig von mir frei zu machen. Das iſt ein Fortſchritt. Du moquirſt Dich über mich, complotirſt im Kleinen gegen mich. So wird Dir mein Haus eine gute Schule werden fürs Leben. Fahre fort; ſo nur lernſt Du, wie man mit den Menſchen umgehen muß, um — was die andern nennen, frei zu werden. Ich bin die ältere, und ſah es zu ſpät ein. Uebe Dich an mir. Du haſt ein langes Leben vor Dir.“ Adelheid ſtand ſprachlos da, als die Geheim¬ räthin langſam nach der Thüre ſich entfernte. Sie wandte ſich noch einmal um: „Noch eins, was ich von Dir fordern kann. Wir ſind nun einmal an einander gekettet. Wir müſſen es tragen bis der

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/228>, abgerufen am 21.11.2024.