drin wären alle blind, oder taub, oder Cretins. Ja, ich weiß doch nicht, ob es recht wäre, sich selbst darum hinzugeben, für eine große Blindenanstalt, für ein Taubstummeninstitut, oder gar für ein Haus von lauter Blödsinnigen. Mein lieber Walter, dein Vater hat sich nun durch ein Menschenalter die Menschen angesehen wie sie sind, und darum hat er jetzt auf den Frieden speculirt, und ich glaube, er hat recht speculirt."
"Diese! rief Walter aufstehend. Ja, die Sie meinen, aber es giebt andere."
"Wer zweifelt daran! Es giebt überall gute, rechtschaffene, kluge, sogar ausgezeichnete Menschen, es kommt nur eben darauf an, ob die Klugen die Dummen und die Guten die Schlechten überwiegen, oder umgekehrt. Mein Sohn, ich will Dir zugeben, daß Euer recht Viele sind, die fühlen und sagen: so geht es nicht mehr! Da's aber noch immer so geht, so müssen diese Vielen doch immer noch die Schwächeren sein, sie dringen nicht durch, die Andern bleiben am Ruder, und wer am Ruder sitzt, steuert wohin er will, meinethalben ins Verderben; auf den blicken Alle, der entscheidet, auf den kommt es an in welchen Hafen das Schiff treibt. Ist Haugwitz abgesetzt, Beyme fortgejagt, Lombard eingesperrt? Deine Besseren und Edleren schreien freilich überall, es müsse so kommen. Noch aber ist es nicht gekom¬ men. Umgekehrt. Die Prinzen, die Königin, so viele berühmte Generale, der halbe Hof, die Prinzessinnen
drin wären alle blind, oder taub, oder Cretins. Ja, ich weiß doch nicht, ob es recht wäre, ſich ſelbſt darum hinzugeben, für eine große Blindenanſtalt, für ein Taubſtummeninſtitut, oder gar für ein Haus von lauter Blödſinnigen. Mein lieber Walter, dein Vater hat ſich nun durch ein Menſchenalter die Menſchen angeſehen wie ſie ſind, und darum hat er jetzt auf den Frieden ſpeculirt, und ich glaube, er hat recht ſpeculirt.“
„Dieſe! rief Walter aufſtehend. Ja, die Sie meinen, aber es giebt andere.“
„Wer zweifelt daran! Es giebt überall gute, rechtſchaffene, kluge, ſogar ausgezeichnete Menſchen, es kommt nur eben darauf an, ob die Klugen die Dummen und die Guten die Schlechten überwiegen, oder umgekehrt. Mein Sohn, ich will Dir zugeben, daß Euer recht Viele ſind, die fühlen und ſagen: ſo geht es nicht mehr! Da's aber noch immer ſo geht, ſo müſſen dieſe Vielen doch immer noch die Schwächeren ſein, ſie dringen nicht durch, die Andern bleiben am Ruder, und wer am Ruder ſitzt, ſteuert wohin er will, meinethalben ins Verderben; auf den blicken Alle, der entſcheidet, auf den kommt es an in welchen Hafen das Schiff treibt. Iſt Haugwitz abgeſetzt, Beyme fortgejagt, Lombard eingeſperrt? Deine Beſſeren und Edleren ſchreien freilich überall, es müſſe ſo kommen. Noch aber iſt es nicht gekom¬ men. Umgekehrt. Die Prinzen, die Königin, ſo viele berühmte Generale, der halbe Hof, die Prinzeſſinnen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0240"n="230"/>
drin wären alle blind, oder taub, oder Cretins. Ja,<lb/>
ich weiß doch nicht, ob es recht wäre, ſich ſelbſt darum<lb/>
hinzugeben, für eine große Blindenanſtalt, für ein<lb/>
Taubſtummeninſtitut, oder gar für ein Haus von<lb/>
lauter Blödſinnigen. Mein lieber Walter, dein Vater<lb/>
hat ſich nun durch ein Menſchenalter die Menſchen<lb/>
angeſehen wie ſie ſind, und darum hat er jetzt auf<lb/>
den Frieden ſpeculirt, und ich glaube, er hat recht<lb/>ſpeculirt.“</p><lb/><p>„Dieſe! rief Walter aufſtehend. Ja, die Sie<lb/>
meinen, aber es giebt andere.“</p><lb/><p>„Wer zweifelt daran! Es giebt überall gute,<lb/>
rechtſchaffene, kluge, ſogar ausgezeichnete Menſchen,<lb/>
es kommt nur eben darauf an, ob die Klugen die<lb/>
Dummen und die Guten die Schlechten überwiegen,<lb/>
oder umgekehrt. Mein Sohn, ich will Dir zugeben,<lb/>
daß Euer recht Viele ſind, die fühlen und ſagen:<lb/>ſo geht es nicht mehr! Da's aber noch immer ſo<lb/>
geht, ſo müſſen dieſe Vielen doch immer noch die<lb/>
Schwächeren ſein, ſie dringen nicht durch, die Andern<lb/>
bleiben am Ruder, und wer am Ruder ſitzt, ſteuert<lb/>
wohin er will, meinethalben ins Verderben; auf den<lb/>
blicken Alle, der entſcheidet, auf den kommt es an<lb/>
in welchen Hafen das Schiff treibt. Iſt Haugwitz<lb/>
abgeſetzt, Beyme fortgejagt, Lombard eingeſperrt?<lb/>
Deine Beſſeren und Edleren ſchreien freilich überall,<lb/>
es müſſe ſo kommen. Noch aber iſt es nicht gekom¬<lb/>
men. Umgekehrt. Die Prinzen, die Königin, ſo viele<lb/>
berühmte Generale, der halbe Hof, die Prinzeſſinnen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[230/0240]
drin wären alle blind, oder taub, oder Cretins. Ja,
ich weiß doch nicht, ob es recht wäre, ſich ſelbſt darum
hinzugeben, für eine große Blindenanſtalt, für ein
Taubſtummeninſtitut, oder gar für ein Haus von
lauter Blödſinnigen. Mein lieber Walter, dein Vater
hat ſich nun durch ein Menſchenalter die Menſchen
angeſehen wie ſie ſind, und darum hat er jetzt auf
den Frieden ſpeculirt, und ich glaube, er hat recht
ſpeculirt.“
„Dieſe! rief Walter aufſtehend. Ja, die Sie
meinen, aber es giebt andere.“
„Wer zweifelt daran! Es giebt überall gute,
rechtſchaffene, kluge, ſogar ausgezeichnete Menſchen,
es kommt nur eben darauf an, ob die Klugen die
Dummen und die Guten die Schlechten überwiegen,
oder umgekehrt. Mein Sohn, ich will Dir zugeben,
daß Euer recht Viele ſind, die fühlen und ſagen:
ſo geht es nicht mehr! Da's aber noch immer ſo
geht, ſo müſſen dieſe Vielen doch immer noch die
Schwächeren ſein, ſie dringen nicht durch, die Andern
bleiben am Ruder, und wer am Ruder ſitzt, ſteuert
wohin er will, meinethalben ins Verderben; auf den
blicken Alle, der entſcheidet, auf den kommt es an
in welchen Hafen das Schiff treibt. Iſt Haugwitz
abgeſetzt, Beyme fortgejagt, Lombard eingeſperrt?
Deine Beſſeren und Edleren ſchreien freilich überall,
es müſſe ſo kommen. Noch aber iſt es nicht gekom¬
men. Umgekehrt. Die Prinzen, die Königin, ſo viele
berühmte Generale, der halbe Hof, die Prinzeſſinnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/240>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.