Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten
Monarchen.

Aber etwas mußte geschehen, das fühlte Jeder.
So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬
schließer hatten unter den Enveloppen der Damen
Blumenkränze gesehen; oder waren es schon Lorbeer¬
kränze? Auf irgend ein Haupt sie zu drücken, dazu
waren sie doch mitgenommen. Aber wo war das
Haupt, wo der Eine, der eine solche Masse wecken,
begeistern, führen konnte? -- Wohl gab es Einen,
einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnsten
Geiste und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte
Franzosenblut getrunken, ritterlich hatte er sich mehr
als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen
und -- dem unüberwundenen Helden hätte man alle
seine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des
Volkes gewesen, und wäre er vorgesprungen, da auf
eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen lassen
im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige
Worte, -- möglich war es, daß es ein Ernst ward,
dessen Folgen Niemand berechnet. Aber diesen Einen
fesselten Rücksichten, er knirschte im verhaltenen Grimm
in seinen vier Wänden; er zückte den Pallasch, um
ihn wieder in die Scheide zu stoßen, er sah nach
den Wolken, und lauschte auf den Gallop eines
Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß
ersehnte Wort brachte. Er hatte sein Wort geben
müssen, heut nicht im Theater zu erscheinen. "Scharf
geschliffen und von vorn herein die Spitze abge¬

zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten
Monarchen.

Aber etwas mußte geſchehen, das fühlte Jeder.
So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬
ſchließer hatten unter den Enveloppen der Damen
Blumenkränze geſehen; oder waren es ſchon Lorbeer¬
kränze? Auf irgend ein Haupt ſie zu drücken, dazu
waren ſie doch mitgenommen. Aber wo war das
Haupt, wo der Eine, der eine ſolche Maſſe wecken,
begeiſtern, führen konnte? — Wohl gab es Einen,
einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnſten
Geiſte und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte
Franzoſenblut getrunken, ritterlich hatte er ſich mehr
als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen
und — dem unüberwundenen Helden hätte man alle
ſeine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des
Volkes geweſen, und wäre er vorgeſprungen, da auf
eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen laſſen
im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige
Worte, — möglich war es, daß es ein Ernſt ward,
deſſen Folgen Niemand berechnet. Aber dieſen Einen
feſſelten Rückſichten, er knirſchte im verhaltenen Grimm
in ſeinen vier Wänden; er zückte den Pallaſch, um
ihn wieder in die Scheide zu ſtoßen, er ſah nach
den Wolken, und lauſchte auf den Gallop eines
Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß
erſehnte Wort brachte. Er hatte ſein Wort geben
müſſen, heut nicht im Theater zu erſcheinen. „Scharf
geſchliffen und von vorn herein die Spitze abge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="262"/>
zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten<lb/>
Monarchen.</p><lb/>
        <p>Aber etwas mußte ge&#x017F;chehen, das fühlte Jeder.<lb/>
So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬<lb/>
&#x017F;chließer hatten unter den Enveloppen der Damen<lb/>
Blumenkränze ge&#x017F;ehen; oder waren es &#x017F;chon Lorbeer¬<lb/>
kränze? Auf irgend ein Haupt &#x017F;ie zu drücken, dazu<lb/>
waren &#x017F;ie doch mitgenommen. Aber wo war das<lb/>
Haupt, wo der Eine, der eine &#x017F;olche Ma&#x017F;&#x017F;e wecken,<lb/>
begei&#x017F;tern, führen konnte? &#x2014; Wohl gab es Einen,<lb/>
einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühn&#x017F;ten<lb/>
Gei&#x017F;te und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte<lb/>
Franzo&#x017F;enblut getrunken, ritterlich hatte er &#x017F;ich mehr<lb/>
als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen<lb/>
und &#x2014; dem unüberwundenen Helden hätte man alle<lb/>
&#x017F;eine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des<lb/>
Volkes gewe&#x017F;en, und wäre er vorge&#x017F;prungen, da auf<lb/>
eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige<lb/>
Worte, &#x2014; möglich war es, daß es ein Ern&#x017F;t ward,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Folgen Niemand berechnet. Aber die&#x017F;en Einen<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;elten Rück&#x017F;ichten, er knir&#x017F;chte im verhaltenen Grimm<lb/>
in &#x017F;einen vier Wänden; er zückte den Palla&#x017F;ch, um<lb/>
ihn wieder in die Scheide zu &#x017F;toßen, er &#x017F;ah nach<lb/>
den Wolken, und lau&#x017F;chte auf den Gallop eines<lb/>
Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß<lb/>
er&#x017F;ehnte Wort brachte. Er hatte &#x017F;ein Wort geben<lb/>&#x017F;&#x017F;en, heut nicht im Theater zu er&#x017F;cheinen. &#x201E;Scharf<lb/>
ge&#x017F;chliffen und von vorn herein die Spitze abge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0272] zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten Monarchen. Aber etwas mußte geſchehen, das fühlte Jeder. So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬ ſchließer hatten unter den Enveloppen der Damen Blumenkränze geſehen; oder waren es ſchon Lorbeer¬ kränze? Auf irgend ein Haupt ſie zu drücken, dazu waren ſie doch mitgenommen. Aber wo war das Haupt, wo der Eine, der eine ſolche Maſſe wecken, begeiſtern, führen konnte? — Wohl gab es Einen, einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnſten Geiſte und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte Franzoſenblut getrunken, ritterlich hatte er ſich mehr als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen und — dem unüberwundenen Helden hätte man alle ſeine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des Volkes geweſen, und wäre er vorgeſprungen, da auf eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen laſſen im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige Worte, — möglich war es, daß es ein Ernſt ward, deſſen Folgen Niemand berechnet. Aber dieſen Einen feſſelten Rückſichten, er knirſchte im verhaltenen Grimm in ſeinen vier Wänden; er zückte den Pallaſch, um ihn wieder in die Scheide zu ſtoßen, er ſah nach den Wolken, und lauſchte auf den Gallop eines Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß erſehnte Wort brachte. Er hatte ſein Wort geben müſſen, heut nicht im Theater zu erſcheinen. „Scharf geſchliffen und von vorn herein die Spitze abge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/272
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/272>, abgerufen am 24.11.2024.