fernten Gruppen, daß ein Courier mit wichtigen Nachrichten angekommen sei, aber er und sein Pferd, gleich erschöpft, seien auf dem Markt gestürzt. Der Commandant, welcher des Weges gekommen, habe ihn auf der Straße vernommen, und sei mit den Depechen sogleich nach dem Palais geeilt. Ein kleiner Mann mit sehr wichtiger Miene, den man früher schon bei allen Gruppirungen bemerken konnte, schwang sich jetzt auf eine Logenbrüstung und schrie: "Es ist richtig, meine Herren, der Courier ist da! Er hat sich beim Fall den Fuß verstaucht -- er kommt direct vom Schlachtfelde -- ich sah ihn selbst -- sie führen ihn jetzt am Schauspielhaus vorbei."
Sogleich war an der Thür ein Gedrang; man wollte hinaus, um sich von der Wahrheit zu über¬ zeugen. Die Entfernteren riefen: holt ihn herein! -- Was er auf der Straße aussagen dürfe, könne er doch auch dem Publicum erzählen.
"Wenn uns Merkel nicht wieder eine Finte aufbindet!" sagte ein Mann in mittleren Jahren, mit lebhaften dunkeln Augen, der, seiner Kleidung nach, dem geistlichen Stande anzugehören schien; das Bleistift und Pergament in seiner Hand deutete aber auf einen Berichterstatter für eine Zeitung, was er auch wirklich war, der französische Prediger und Professor Catel, damals, und noch lange nachher, Redacteur der Vossischen Zeitung. "Diesmal hat Merkel die Wahrheit gesagt, liebster Catel, bemerkte sein Nachbar. Der Courier ist da, auch ich sah ihn,
fernten Gruppen, daß ein Courier mit wichtigen Nachrichten angekommen ſei, aber er und ſein Pferd, gleich erſchöpft, ſeien auf dem Markt geſtürzt. Der Commandant, welcher des Weges gekommen, habe ihn auf der Straße vernommen, und ſei mit den Depechen ſogleich nach dem Palais geeilt. Ein kleiner Mann mit ſehr wichtiger Miene, den man früher ſchon bei allen Gruppirungen bemerken konnte, ſchwang ſich jetzt auf eine Logenbrüſtung und ſchrie: „Es iſt richtig, meine Herren, der Courier iſt da! Er hat ſich beim Fall den Fuß verſtaucht — er kommt direct vom Schlachtfelde — ich ſah ihn ſelbſt — ſie führen ihn jetzt am Schauſpielhaus vorbei.“
Sogleich war an der Thür ein Gedrang; man wollte hinaus, um ſich von der Wahrheit zu über¬ zeugen. Die Entfernteren riefen: holt ihn herein! — Was er auf der Straße ausſagen dürfe, könne er doch auch dem Publicum erzählen.
„Wenn uns Merkel nicht wieder eine Finte aufbindet!“ ſagte ein Mann in mittleren Jahren, mit lebhaften dunkeln Augen, der, ſeiner Kleidung nach, dem geiſtlichen Stande anzugehören ſchien; das Bleiſtift und Pergament in ſeiner Hand deutete aber auf einen Berichterſtatter für eine Zeitung, was er auch wirklich war, der franzöſiſche Prediger und Profeſſor Catel, damals, und noch lange nachher, Redacteur der Voſſiſchen Zeitung. „Diesmal hat Merkel die Wahrheit geſagt, liebſter Catel, bemerkte ſein Nachbar. Der Courier iſt da, auch ich ſah ihn,
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fernten Gruppen, daß ein Courier mit wichtigen
Nachrichten angekommen ſei, aber er und ſein Pferd,
gleich erſchöpft, ſeien auf dem Markt geſtürzt. Der
Commandant, welcher des Weges gekommen, habe
ihn auf der Straße vernommen, und ſei mit den
Depechen ſogleich nach dem Palais geeilt. Ein
kleiner Mann mit ſehr wichtiger Miene, den man
früher ſchon bei allen Gruppirungen bemerken konnte,
ſchwang ſich jetzt auf eine Logenbrüſtung und ſchrie:
„Es iſt richtig, meine Herren, der Courier iſt da!
Er hat ſich beim Fall den Fuß verſtaucht — er
kommt direct vom Schlachtfelde — ich ſah ihn ſelbſt —
ſie führen ihn jetzt am Schauſpielhaus vorbei.“
Sogleich war an der Thür ein Gedrang; man
wollte hinaus, um ſich von der Wahrheit zu über¬
zeugen. Die Entfernteren riefen: holt ihn herein! —
Was er auf der Straße ausſagen dürfe, könne er
doch auch dem Publicum erzählen.
„Wenn uns Merkel nicht wieder eine Finte
aufbindet!“ ſagte ein Mann in mittleren Jahren,
mit lebhaften dunkeln Augen, der, ſeiner Kleidung
nach, dem geiſtlichen Stande anzugehören ſchien;
das Bleiſtift und Pergament in ſeiner Hand deutete
aber auf einen Berichterſtatter für eine Zeitung, was
er auch wirklich war, der franzöſiſche Prediger und
Profeſſor Catel, damals, und noch lange nachher,
Redacteur der Voſſiſchen Zeitung. „Diesmal hat
Merkel die Wahrheit geſagt, liebſter Catel, bemerkte
ſein Nachbar. Der Courier iſt da, auch ich ſah ihn,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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