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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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ein gefährliches Lauschen. Wie oft hören wir die
Wahrheit, wie oft täuschen wir uns!"

"Sagen Sie, ich hätte mich getäuscht!"

"Einem Cavalier muß der Ruf seiner Geliebten
über Alles gehn. Was der Rasende im verschlossnen
Cabinet der Fürstin vielleicht gewagt hätte, wird er
doch nicht vor tausend Augen sich unterstehen. Nein,
da beruhigen Sie sich -- und wenn er es gethan,
so hätte ich ein Wort mit ihm reden wollen. Wenn
es weiter nichts ist -- da, wie gesagt, sein Sie
ganz ruhig."

"Was meinen Sie mit dem weiter nichts?"

"O grübeln Sie nicht nach. Eine Bitte! Thun
Sie sich Gewalt an. Verbergen Sie diese Gefühle.
Sie sind zu schön und rein, die Welt ist ihrer nicht
werth. Möglich, das gebe ich zu, möglich, daß auch
er Ihrer nicht werth ist. Aber erscheinen Sie dafür
desto größer, und wenn er treu ist, bewahren Sie
ihm das Vertrauen, ist er es nicht, sich die Größe
über Ihren Schmerz erhaben zu sein. Meine Freundin,
sagte er aufstehend und drückte ihre Hand an seine
Brust, das Vergängliche gehört der Zeit, was aber
in die Aeonen hinausragt, das ist das heilige Be¬
wußtsein einer schönen Seele. Sie werden mich ver¬
stehen."

Ganz verstand sie ihn nicht, aber es war gut,
daß sie ihn nicht fragte, denn die Gesellschaft war
wieder im Zimmer. Nur der Major schien am Eck¬
fenster noch draußen:

ein gefährliches Lauſchen. Wie oft hören wir die
Wahrheit, wie oft täuſchen wir uns!“

„Sagen Sie, ich hätte mich getäuſcht!“

„Einem Cavalier muß der Ruf ſeiner Geliebten
über Alles gehn. Was der Raſende im verſchloſſnen
Cabinet der Fürſtin vielleicht gewagt hätte, wird er
doch nicht vor tauſend Augen ſich unterſtehen. Nein,
da beruhigen Sie ſich — und wenn er es gethan,
ſo hätte ich ein Wort mit ihm reden wollen. Wenn
es weiter nichts iſt — da, wie geſagt, ſein Sie
ganz ruhig.“

„Was meinen Sie mit dem weiter nichts?“

„O grübeln Sie nicht nach. Eine Bitte! Thun
Sie ſich Gewalt an. Verbergen Sie dieſe Gefühle.
Sie ſind zu ſchön und rein, die Welt iſt ihrer nicht
werth. Möglich, das gebe ich zu, möglich, daß auch
er Ihrer nicht werth iſt. Aber erſcheinen Sie dafür
deſto größer, und wenn er treu iſt, bewahren Sie
ihm das Vertrauen, iſt er es nicht, ſich die Größe
über Ihren Schmerz erhaben zu ſein. Meine Freundin,
ſagte er aufſtehend und drückte ihre Hand an ſeine
Bruſt, das Vergängliche gehört der Zeit, was aber
in die Aeonen hinausragt, das iſt das heilige Be¬
wußtſein einer ſchönen Seele. Sie werden mich ver¬
ſtehen.“

Ganz verſtand ſie ihn nicht, aber es war gut,
daß ſie ihn nicht fragte, denn die Geſellſchaft war
wieder im Zimmer. Nur der Major ſchien am Eck¬
fenſter noch draußen:

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[18/0028] ein gefährliches Lauſchen. Wie oft hören wir die Wahrheit, wie oft täuſchen wir uns!“ „Sagen Sie, ich hätte mich getäuſcht!“ „Einem Cavalier muß der Ruf ſeiner Geliebten über Alles gehn. Was der Raſende im verſchloſſnen Cabinet der Fürſtin vielleicht gewagt hätte, wird er doch nicht vor tauſend Augen ſich unterſtehen. Nein, da beruhigen Sie ſich — und wenn er es gethan, ſo hätte ich ein Wort mit ihm reden wollen. Wenn es weiter nichts iſt — da, wie geſagt, ſein Sie ganz ruhig.“ „Was meinen Sie mit dem weiter nichts?“ „O grübeln Sie nicht nach. Eine Bitte! Thun Sie ſich Gewalt an. Verbergen Sie dieſe Gefühle. Sie ſind zu ſchön und rein, die Welt iſt ihrer nicht werth. Möglich, das gebe ich zu, möglich, daß auch er Ihrer nicht werth iſt. Aber erſcheinen Sie dafür deſto größer, und wenn er treu iſt, bewahren Sie ihm das Vertrauen, iſt er es nicht, ſich die Größe über Ihren Schmerz erhaben zu ſein. Meine Freundin, ſagte er aufſtehend und drückte ihre Hand an ſeine Bruſt, das Vergängliche gehört der Zeit, was aber in die Aeonen hinausragt, das iſt das heilige Be¬ wußtſein einer ſchönen Seele. Sie werden mich ver¬ ſtehen.“ Ganz verſtand ſie ihn nicht, aber es war gut, daß ſie ihn nicht fragte, denn die Geſellſchaft war wieder im Zimmer. Nur der Major ſchien am Eck¬ fenſter noch draußen:

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/28>, abgerufen am 23.11.2024.