er ja auch in der Gesellschaft war. Der tölpelhafte deutsche Hanswurst war längst fortgeschickt, und man sprach nur das aus, was gegen nichts und niemand verstieß, auch auf die Gefahr hin in dem Ge¬ sagten nichts zu sagen. Darum, doch auch aus andern Gründen, las man nie in den Berliner Zei¬ tungen von dem etwas, was in Berlin geschah, es sei denn, daß eine hohe Obrigkeit es der Druckerei zugesandt, und auch über das Draußen enthielt man sich jeder eignen Meinung und druckte nur ab, was andere Zeitungen vorher gedruckt hatten. Heute aber war ein außerordentliches Ereigniß auch in der ge¬ nannten Vossischen Zeitung. Vornan stand ein lan¬ ges Gedicht, dessen Anfang und Ende so lauteten. Jemand las es in der Conditorei laut vor, als die Officiere eintraten, und alle, die es hörten, sahen sich verwundert an:
Nicht Salomon und Titus -- wozu Namen
Der Vorzeit! Sind wir Neueren so arm? --
Nein, Alexander, Friedrich, Arm in Arm,
Stehn da, ein Brüderpaar. Zu Preußens Adler kamen
Die Adler Rußlands! Jubelnd sieht Berlin
Sie über sich vereinten Fluges ziehn.
Sie stehen vor dir, Arm in Arm,
O glückliches Berlin! Sprich aus die schönen Namen!
Wer sind die Menschenfreunde? Sprich!
Wer? -- Alexander, Friederich!
Daß das Gedicht ausgezeichnet schön sei, darüber war nur eine Stimme, aber einer der eingetretenen Officiere begriff nicht, wie solch ein Blitzkerl von
er ja auch in der Geſellſchaft war. Der tölpelhafte deutſche Hanswurſt war längſt fortgeſchickt, und man ſprach nur das aus, was gegen nichts und niemand verſtieß, auch auf die Gefahr hin in dem Ge¬ ſagten nichts zu ſagen. Darum, doch auch aus andern Gründen, las man nie in den Berliner Zei¬ tungen von dem etwas, was in Berlin geſchah, es ſei denn, daß eine hohe Obrigkeit es der Druckerei zugeſandt, und auch über das Draußen enthielt man ſich jeder eignen Meinung und druckte nur ab, was andere Zeitungen vorher gedruckt hatten. Heute aber war ein außerordentliches Ereigniß auch in der ge¬ nannten Voſſiſchen Zeitung. Vornan ſtand ein lan¬ ges Gedicht, deſſen Anfang und Ende ſo lauteten. Jemand las es in der Conditorei laut vor, als die Officiere eintraten, und alle, die es hörten, ſahen ſich verwundert an:
Nicht Salomon und Titus — wozu Namen
Der Vorzeit! Sind wir Neueren ſo arm? —
Nein, Alexander, Friedrich, Arm in Arm,
Stehn da, ein Brüderpaar. Zu Preußens Adler kamen
Die Adler Rußlands! Jubelnd ſieht Berlin
Sie über ſich vereinten Fluges ziehn.
Sie ſtehen vor dir, Arm in Arm,
O glückliches Berlin! Sprich aus die ſchönen Namen!
Wer ſind die Menſchenfreunde? Sprich!
Wer? — Alexander, Friederich!
Daß das Gedicht ausgezeichnet ſchön ſei, darüber war nur eine Stimme, aber einer der eingetretenen Officiere begriff nicht, wie ſolch ein Blitzkerl von
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er ja auch in der Geſellſchaft war. Der tölpelhafte
deutſche Hanswurſt war längſt fortgeſchickt, und man
ſprach nur das aus, was gegen nichts und niemand
verſtieß, auch auf die Gefahr hin in dem Ge¬
ſagten nichts zu ſagen. Darum, doch auch aus
andern Gründen, las man nie in den Berliner Zei¬
tungen von dem etwas, was in Berlin geſchah, es
ſei denn, daß eine hohe Obrigkeit es der Druckerei
zugeſandt, und auch über das Draußen enthielt man
ſich jeder eignen Meinung und druckte nur ab, was
andere Zeitungen vorher gedruckt hatten. Heute aber
war ein außerordentliches Ereigniß auch in der ge¬
nannten Voſſiſchen Zeitung. Vornan ſtand ein lan¬
ges Gedicht, deſſen Anfang und Ende ſo lauteten.
Jemand las es in der Conditorei laut vor, als die
Officiere eintraten, und alle, die es hörten, ſahen ſich
verwundert an:
Nicht Salomon und Titus — wozu Namen
Der Vorzeit! Sind wir Neueren ſo arm? —
Nein, Alexander, Friedrich, Arm in Arm,
Stehn da, ein Brüderpaar. Zu Preußens Adler kamen
Die Adler Rußlands! Jubelnd ſieht Berlin
Sie über ſich vereinten Fluges ziehn.
Sie ſtehen vor dir, Arm in Arm,
O glückliches Berlin! Sprich aus die ſchönen Namen!
Wer ſind die Menſchenfreunde? Sprich!
Wer? — Alexander, Friederich!
Daß das Gedicht ausgezeichnet ſchön ſei, darüber
war nur eine Stimme, aber einer der eingetretenen
Officiere begriff nicht, wie ſolch ein Blitzkerl von
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/65>, abgerufen am 16.02.2025.
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