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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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unmerklich zu einem süßen Lächeln. Von dem Ge¬
sprochenen hatte sie wohl nur einen Theil gehört.
Mit wieder auf der Brust verschlungenen Armen, wie
vorhin, sprach sie: "Sie sahen den Tod und ich
das Leben, Sie das Entsetzen und ich -- ich, was
kann ich dafür, daß ich anderer Natur bin, Herr von
Wandel! Pawlowitsch wird nicht sterben, diese Ge¬
schöpfe haben eine andre Natur. Sie kennen das
nicht. Er ist mein treuster Diener. Meinen Sie,
daß er mich weniger lieben wird, weil ich ihn züch¬
tigen ließ? Wenn er genesen ist, versichere ich Sie,
wird er mit verdoppelter Devotion sich auf die Erde
werfen, meinen Rocksaum küssen und bei seinem Hei¬
ligen für mich beten. Und ich, ich theile diese Ge¬
fühle der Anhänglichkeit für das Geschöpf. Ich em¬
pfand die Geißelschläge mit. -- Lachen Sie nur!
Das verstehen Sie eben nicht. Sie können auch bei
der Abbildung eines Martyriums lachen, oder wen¬
den dem schönsten Bilde aus Ekel den Rücken. Mich
ergreift immer eine unbeschreibliche Wonne bei diesen
Qualen, mein Blut wallt, mein Körper empfindet
sie mit; dieses sprützende Blut, ich sehe es schon in
Rosen und Lilien verwandelt, diese Röthe des äußer¬
sten Schmerzes auf den Wangen, der Todesschweiß,
die verzückten Augen, die krampfhaften Verrenkun¬
gen, mir werden es lauter Schönheitslinien, und wo
Sie Zerrissenheit und Untergang sehen, durchschauert
mich schon Harmonie und Vollendung."

"Das heißt ein Läuterungsprozeß in procura

unmerklich zu einem ſüßen Lächeln. Von dem Ge¬
ſprochenen hatte ſie wohl nur einen Theil gehört.
Mit wieder auf der Bruſt verſchlungenen Armen, wie
vorhin, ſprach ſie: „Sie ſahen den Tod und ich
das Leben, Sie das Entſetzen und ich — ich, was
kann ich dafür, daß ich anderer Natur bin, Herr von
Wandel! Pawlowitſch wird nicht ſterben, dieſe Ge¬
ſchöpfe haben eine andre Natur. Sie kennen das
nicht. Er iſt mein treuſter Diener. Meinen Sie,
daß er mich weniger lieben wird, weil ich ihn züch¬
tigen ließ? Wenn er geneſen iſt, verſichere ich Sie,
wird er mit verdoppelter Devotion ſich auf die Erde
werfen, meinen Rockſaum küſſen und bei ſeinem Hei¬
ligen für mich beten. Und ich, ich theile dieſe Ge¬
fühle der Anhänglichkeit für das Geſchöpf. Ich em¬
pfand die Geißelſchläge mit. — Lachen Sie nur!
Das verſtehen Sie eben nicht. Sie können auch bei
der Abbildung eines Martyriums lachen, oder wen¬
den dem ſchönſten Bilde aus Ekel den Rücken. Mich
ergreift immer eine unbeſchreibliche Wonne bei dieſen
Qualen, mein Blut wallt, mein Körper empfindet
ſie mit; dieſes ſprützende Blut, ich ſehe es ſchon in
Roſen und Lilien verwandelt, dieſe Röthe des äußer¬
ſten Schmerzes auf den Wangen, der Todesſchweiß,
die verzückten Augen, die krampfhaften Verrenkun¬
gen, mir werden es lauter Schönheitslinien, und wo
Sie Zerriſſenheit und Untergang ſehen, durchſchauert
mich ſchon Harmonie und Vollendung.“

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[94/0104] unmerklich zu einem ſüßen Lächeln. Von dem Ge¬ ſprochenen hatte ſie wohl nur einen Theil gehört. Mit wieder auf der Bruſt verſchlungenen Armen, wie vorhin, ſprach ſie: „Sie ſahen den Tod und ich das Leben, Sie das Entſetzen und ich — ich, was kann ich dafür, daß ich anderer Natur bin, Herr von Wandel! Pawlowitſch wird nicht ſterben, dieſe Ge¬ ſchöpfe haben eine andre Natur. Sie kennen das nicht. Er iſt mein treuſter Diener. Meinen Sie, daß er mich weniger lieben wird, weil ich ihn züch¬ tigen ließ? Wenn er geneſen iſt, verſichere ich Sie, wird er mit verdoppelter Devotion ſich auf die Erde werfen, meinen Rockſaum küſſen und bei ſeinem Hei¬ ligen für mich beten. Und ich, ich theile dieſe Ge¬ fühle der Anhänglichkeit für das Geſchöpf. Ich em¬ pfand die Geißelſchläge mit. — Lachen Sie nur! Das verſtehen Sie eben nicht. Sie können auch bei der Abbildung eines Martyriums lachen, oder wen¬ den dem ſchönſten Bilde aus Ekel den Rücken. Mich ergreift immer eine unbeſchreibliche Wonne bei dieſen Qualen, mein Blut wallt, mein Körper empfindet ſie mit; dieſes ſprützende Blut, ich ſehe es ſchon in Roſen und Lilien verwandelt, dieſe Röthe des äußer¬ ſten Schmerzes auf den Wangen, der Todesſchweiß, die verzückten Augen, die krampfhaften Verrenkun¬ gen, mir werden es lauter Schönheitslinien, und wo Sie Zerriſſenheit und Untergang ſehen, durchſchauert mich ſchon Harmonie und Vollendung.“ „Das heißt ein Läuterungsprozeß in procura

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/104>, abgerufen am 21.11.2024.