Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts dagegen, ich will nicht eifersüchtig sein. Sie
liebt ihn, ich meine Bovillard, das ist ihre Krank¬
heit, die verborgene, die an ihr zehrt. Sie muß her¬
aus, die Krisis ist nothwendig; darum wird sie kom¬
men, ohne daß wir etwas dazu thun. Verstehen
Sie mich, wir lassen die Natur walten."

"Und dann?"

"Wenn Sie die Bibel läsen, würden Sie wis¬
sen, man soll nicht für den andern Morgen sorgen.
Sein Sie heut Abend liebenswürdig, Herr Lega¬
tionsrath."

"Ich bin nicht ganz disponirt."

"Sie sollen es sein. Sie können es sein. Herr
von Bovillard hat nur zwei Augen, und die gehören
jetzt nicht ihm."

Die Wagen fingen an vorzurollen; die Fürstin
verschwand mit dem wiederholten Befehl: "Sein Sie
liebenswürdig!" -- Sie hatte kaum Zeit, ihre Toi¬
lette zu ändern, aber Niemand hat den Blutfleck an
ihrem Aermel gesehen.

nichts dagegen, ich will nicht eiferſüchtig ſein. Sie
liebt ihn, ich meine Bovillard, das iſt ihre Krank¬
heit, die verborgene, die an ihr zehrt. Sie muß her¬
aus, die Kriſis iſt nothwendig; darum wird ſie kom¬
men, ohne daß wir etwas dazu thun. Verſtehen
Sie mich, wir laſſen die Natur walten.“

„Und dann?“

„Wenn Sie die Bibel läſen, würden Sie wiſ¬
ſen, man ſoll nicht für den andern Morgen ſorgen.
Sein Sie heut Abend liebenswürdig, Herr Lega¬
tionsrath.“

„Ich bin nicht ganz disponirt.“

„Sie ſollen es ſein. Sie können es ſein. Herr
von Bovillard hat nur zwei Augen, und die gehören
jetzt nicht ihm.“

Die Wagen fingen an vorzurollen; die Fürſtin
verſchwand mit dem wiederholten Befehl: „Sein Sie
liebenswürdig!“ — Sie hatte kaum Zeit, ihre Toi¬
lette zu ändern, aber Niemand hat den Blutfleck an
ihrem Aermel geſehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="102"/>
nichts dagegen, ich will nicht eifer&#x017F;üchtig &#x017F;ein. Sie<lb/>
liebt ihn, ich meine Bovillard, das i&#x017F;t ihre Krank¬<lb/>
heit, die verborgene, die an ihr zehrt. Sie muß her¬<lb/>
aus, die Kri&#x017F;is i&#x017F;t nothwendig; darum wird &#x017F;ie kom¬<lb/>
men, ohne daß wir etwas dazu thun. Ver&#x017F;tehen<lb/>
Sie mich, wir la&#x017F;&#x017F;en die Natur walten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dann?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Sie die Bibel lä&#x017F;en, würden Sie wi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, man &#x017F;oll nicht für den andern Morgen &#x017F;orgen.<lb/>
Sein Sie heut Abend liebenswürdig, Herr Lega¬<lb/>
tionsrath.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bin nicht ganz disponirt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ollen es &#x017F;ein. Sie können es &#x017F;ein. Herr<lb/>
von Bovillard hat nur zwei Augen, und die gehören<lb/>
jetzt nicht ihm.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Wagen fingen an vorzurollen; die Für&#x017F;tin<lb/>
ver&#x017F;chwand mit dem wiederholten Befehl: &#x201E;Sein Sie<lb/>
liebenswürdig!&#x201C; &#x2014; Sie hatte kaum Zeit, ihre Toi¬<lb/>
lette zu ändern, aber Niemand hat den Blutfleck an<lb/>
ihrem Aermel ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0112] nichts dagegen, ich will nicht eiferſüchtig ſein. Sie liebt ihn, ich meine Bovillard, das iſt ihre Krank¬ heit, die verborgene, die an ihr zehrt. Sie muß her¬ aus, die Kriſis iſt nothwendig; darum wird ſie kom¬ men, ohne daß wir etwas dazu thun. Verſtehen Sie mich, wir laſſen die Natur walten.“ „Und dann?“ „Wenn Sie die Bibel läſen, würden Sie wiſ¬ ſen, man ſoll nicht für den andern Morgen ſorgen. Sein Sie heut Abend liebenswürdig, Herr Lega¬ tionsrath.“ „Ich bin nicht ganz disponirt.“ „Sie ſollen es ſein. Sie können es ſein. Herr von Bovillard hat nur zwei Augen, und die gehören jetzt nicht ihm.“ Die Wagen fingen an vorzurollen; die Fürſtin verſchwand mit dem wiederholten Befehl: „Sein Sie liebenswürdig!“ — Sie hatte kaum Zeit, ihre Toi¬ lette zu ändern, aber Niemand hat den Blutfleck an ihrem Aermel geſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/112
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/112>, abgerufen am 21.11.2024.