Der Redner hatte eine noch kühnere Hypothese aufgestellt: nur in der Nationalität sei die Wurzel der Kraft, um der Tyrannei zu widerstehen. Der corsische Riese, der mit den Flügeln des Vogels Rock die Welt umspanne, wisse, was er thue, indem er das Ureigene der Nationen erdrücke, um sie in eine Allgemeinheit von gleicher Farbe, gleicher Prägung zu stampfen. Das ermatte den Lebensnerv; woran solle die Begeisterung, der Patriotismus sich klammern, wenn ein Pfeiler nach dem andern der alten heiligen Erinnerungen, der Töne und Bilder zerbreche, an denen wir uns als Kinder gehalten. Das unscheinend Unbedeutendste sei da von Wichtig¬ keit, ein altes Lied, es dünkt uns ohne Sinn, ein Sprüchwort, eine Ruine, ein dunkler Winkel, den ein Geist, eine Sage umschwebt, eine Gewöhnung, die uns albern erscheint. Alles sei doppelt bedeutend, was als Heftnadel gelten könne, um ein Volk zusammenzuhalten, in einem Augenblick, wo Alles hinarbeitet, es zu zersplittern und sein Tichten und Trachten in allgemeine Begriffe von Wohlergehen und Glückseligkeit aufzulösen.
Er ging noch weiter: nur den Nationen, welche diese ihre Nationalität festgehalten, winke die Palme des Sieges. Nicht seine Insellage schütze Albion, sondern das ehrenwerthe Festhalten an den alten Sitten und Gesetzen. So sah er in Spanien eine Mauer, an welcher des Eroberers Ehrsucht scheitern müsse, er erwartete von den Basken in den
Der Redner hatte eine noch kühnere Hypotheſe aufgeſtellt: nur in der Nationalität ſei die Wurzel der Kraft, um der Tyrannei zu widerſtehen. Der corſiſche Rieſe, der mit den Flügeln des Vogels Rock die Welt umſpanne, wiſſe, was er thue, indem er das Ureigene der Nationen erdrücke, um ſie in eine Allgemeinheit von gleicher Farbe, gleicher Prägung zu ſtampfen. Das ermatte den Lebensnerv; woran ſolle die Begeiſterung, der Patriotismus ſich klammern, wenn ein Pfeiler nach dem andern der alten heiligen Erinnerungen, der Töne und Bilder zerbreche, an denen wir uns als Kinder gehalten. Das unſcheinend Unbedeutendſte ſei da von Wichtig¬ keit, ein altes Lied, es dünkt uns ohne Sinn, ein Sprüchwort, eine Ruine, ein dunkler Winkel, den ein Geiſt, eine Sage umſchwebt, eine Gewöhnung, die uns albern erſcheint. Alles ſei doppelt bedeutend, was als Heftnadel gelten könne, um ein Volk zuſammenzuhalten, in einem Augenblick, wo Alles hinarbeitet, es zu zerſplittern und ſein Tichten und Trachten in allgemeine Begriffe von Wohlergehen und Glückſeligkeit aufzulöſen.
Er ging noch weiter: nur den Nationen, welche dieſe ihre Nationalität feſtgehalten, winke die Palme des Sieges. Nicht ſeine Inſellage ſchütze Albion, ſondern das ehrenwerthe Feſthalten an den alten Sitten und Geſetzen. So ſah er in Spanien eine Mauer, an welcher des Eroberers Ehrſucht ſcheitern müſſe, er erwartete von den Basken in den
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Der Redner hatte eine noch kühnere Hypotheſe
aufgeſtellt: nur in der Nationalität ſei die Wurzel
der Kraft, um der Tyrannei zu widerſtehen. Der
corſiſche Rieſe, der mit den Flügeln des Vogels
Rock die Welt umſpanne, wiſſe, was er thue, indem
er das Ureigene der Nationen erdrücke, um ſie in
eine Allgemeinheit von gleicher Farbe, gleicher
Prägung zu ſtampfen. Das ermatte den Lebensnerv;
woran ſolle die Begeiſterung, der Patriotismus ſich
klammern, wenn ein Pfeiler nach dem andern der
alten heiligen Erinnerungen, der Töne und Bilder
zerbreche, an denen wir uns als Kinder gehalten.
Das unſcheinend Unbedeutendſte ſei da von Wichtig¬
keit, ein altes Lied, es dünkt uns ohne Sinn, ein
Sprüchwort, eine Ruine, ein dunkler Winkel, den
ein Geiſt, eine Sage umſchwebt, eine Gewöhnung,
die uns albern erſcheint. Alles ſei doppelt bedeutend,
was als Heftnadel gelten könne, um ein Volk
zuſammenzuhalten, in einem Augenblick, wo Alles
hinarbeitet, es zu zerſplittern und ſein Tichten und
Trachten in allgemeine Begriffe von Wohlergehen
und Glückſeligkeit aufzulöſen.
Er ging noch weiter: nur den Nationen, welche
dieſe ihre Nationalität feſtgehalten, winke die
Palme des Sieges. Nicht ſeine Inſellage ſchütze
Albion, ſondern das ehrenwerthe Feſthalten an den
alten Sitten und Geſetzen. So ſah er in Spanien
eine Mauer, an welcher des Eroberers Ehrſucht
ſcheitern müſſe, er erwartete von den Basken in den
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/130>, abgerufen am 21.11.2024.
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