frommer Sinn, allgemeine Menschenliebe, sondern auch Zufriedenheit, Selbstbescheidung und Gehorsam gegen die Obrigkeit, kurz ein glückliches, vollkom¬ menes Gemeinwesen entspringen müsse. Man nannte sie ein Original; Einige aber meinten: ist nicht jedes denkende Wesen mehr oder minder ein Original, das von einer gehegten Vorstellung nicht lassen kann, sie nährt, und von ihrer Realisirung das Wohl der großen und kleinen Kreise abhängig wähnt, in denen sein Gedanke sich bewegt? Glaubt nicht jeder ein Radicalmittel zu wissen, schüttelt er nicht be¬ denklich den Kopf, wenn die Regierer und Lenker andere Mittel ergreifen, seines ignorirend, und ist nicht der ganze Complex dieser Sinnenden, Den¬ kenden und Thätigen doch eigentlich das Corpus der geistigen Menschheit, welches, aus wie vielen Irrthümern es auch bestehe, die Trägen und Stumpf¬ sinnigen mit sich fortreißt in dem großen Ent¬ wickelungsprozeß der Menschheit?
Die Straße war wieder still geworden und Walter saß am Schreibtisch. Er schlug die Augen nieder. Es war eine ermattende Luft. Er schüttelte die Träume ab, aber die Wirklichkeit kehrte als Traumbild zurück. Eine Seite stand fertig geschrieben, als er die Feder wieder fortlegte und sich zurück¬ lehnte: "Lohnt es sich denn um dieses Volk! Will es anders sein, als es ist! Weiß es, was es wollen muß, um aus der Dumpfheit der Existenz --"
Er trat noch einmal an's Fenster.
frommer Sinn, allgemeine Menſchenliebe, ſondern auch Zufriedenheit, Selbſtbeſcheidung und Gehorſam gegen die Obrigkeit, kurz ein glückliches, vollkom¬ menes Gemeinweſen entſpringen müſſe. Man nannte ſie ein Original; Einige aber meinten: iſt nicht jedes denkende Weſen mehr oder minder ein Original, das von einer gehegten Vorſtellung nicht laſſen kann, ſie nährt, und von ihrer Realiſirung das Wohl der großen und kleinen Kreiſe abhängig wähnt, in denen ſein Gedanke ſich bewegt? Glaubt nicht jeder ein Radicalmittel zu wiſſen, ſchüttelt er nicht be¬ denklich den Kopf, wenn die Regierer und Lenker andere Mittel ergreifen, ſeines ignorirend, und iſt nicht der ganze Complex dieſer Sinnenden, Den¬ kenden und Thätigen doch eigentlich das Corpus der geiſtigen Menſchheit, welches, aus wie vielen Irrthümern es auch beſtehe, die Trägen und Stumpf¬ ſinnigen mit ſich fortreißt in dem großen Ent¬ wickelungsprozeß der Menſchheit?
Die Straße war wieder ſtill geworden und Walter ſaß am Schreibtiſch. Er ſchlug die Augen nieder. Es war eine ermattende Luft. Er ſchüttelte die Träume ab, aber die Wirklichkeit kehrte als Traumbild zurück. Eine Seite ſtand fertig geſchrieben, als er die Feder wieder fortlegte und ſich zurück¬ lehnte: „Lohnt es ſich denn um dieſes Volk! Will es anders ſein, als es iſt! Weiß es, was es wollen muß, um aus der Dumpfheit der Exiſtenz —“
Er trat noch einmal an's Fenſter.
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frommer Sinn, allgemeine Menſchenliebe, ſondern
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gegen die Obrigkeit, kurz ein glückliches, vollkom¬
menes Gemeinweſen entſpringen müſſe. Man nannte
ſie ein Original; Einige aber meinten: iſt nicht
jedes denkende Weſen mehr oder minder ein Original,
das von einer gehegten Vorſtellung nicht laſſen kann,
ſie nährt, und von ihrer Realiſirung das Wohl der
großen und kleinen Kreiſe abhängig wähnt, in
denen ſein Gedanke ſich bewegt? Glaubt nicht jeder
ein Radicalmittel zu wiſſen, ſchüttelt er nicht be¬
denklich den Kopf, wenn die Regierer und Lenker
andere Mittel ergreifen, ſeines ignorirend, und iſt
nicht der ganze Complex dieſer Sinnenden, Den¬
kenden und Thätigen doch eigentlich das Corpus
der geiſtigen Menſchheit, welches, aus wie vielen
Irrthümern es auch beſtehe, die Trägen und Stumpf¬
ſinnigen mit ſich fortreißt in dem großen Ent¬
wickelungsprozeß der Menſchheit?
Die Straße war wieder ſtill geworden und
Walter ſaß am Schreibtiſch. Er ſchlug die Augen
nieder. Es war eine ermattende Luft. Er ſchüttelte
die Träume ab, aber die Wirklichkeit kehrte als
Traumbild zurück. Eine Seite ſtand fertig geſchrieben,
als er die Feder wieder fortlegte und ſich zurück¬
lehnte: „Lohnt es ſich denn um dieſes Volk! Will
es anders ſein, als es iſt! Weiß es, was es wollen
muß, um aus der Dumpfheit der Exiſtenz —“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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