sich selbst. Und wo ist der Sittenrichter, der es kalt verdammt?"
Er nahm das Papier, falzte es und that es in seine Brieftasche: "Ich will ihr Testamentsvollstrecker sein. Wenn sie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb wäre, was sie zu seinem Heile thun könnte! Ich übernehme es für sie. Sein Liebesglück darf durch diese Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie bleibe vor ihm verschwunden, spurlos. Die Wirthin werde ich instruiren. Was er -- ohne Liebe, aus Erbarmen für sie thun könnte, kann ich ebenso gut."
Seinen Vorsatz, auf Louis Rückkehr zu warten, um mündlich der Ueberbringer der frohen Botschaft zu sein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu lange bei seinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬ der und theilte ihm kurz und klar, was seiner warte, was von ihm gefordert werde, mit. Er stellte sich in den Hintergrund und ließ den neuen Minister selbst den sein, der zuerst sein Auge auf Louis Bovillard geworfen, für sich die bescheidene Rolle eines um Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem Herzen die Eigenschaften bestätigen können, welche der Minister bereits in ihm entdeckt.
ſich ſelbſt. Und wo iſt der Sittenrichter, der es kalt verdammt?“
Er nahm das Papier, falzte es und that es in ſeine Brieftaſche: „Ich will ihr Teſtamentsvollſtrecker ſein. Wenn ſie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb wäre, was ſie zu ſeinem Heile thun könnte! Ich übernehme es für ſie. Sein Liebesglück darf durch dieſe Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie bleibe vor ihm verſchwunden, ſpurlos. Die Wirthin werde ich inſtruiren. Was er — ohne Liebe, aus Erbarmen für ſie thun könnte, kann ich ebenſo gut.“
Seinen Vorſatz, auf Louis Rückkehr zu warten, um mündlich der Ueberbringer der frohen Botſchaft zu ſein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu lange bei ſeinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬ der und theilte ihm kurz und klar, was ſeiner warte, was von ihm gefordert werde, mit. Er ſtellte ſich in den Hintergrund und ließ den neuen Miniſter ſelbſt den ſein, der zuerſt ſein Auge auf Louis Bovillard geworfen, für ſich die beſcheidene Rolle eines um Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem Herzen die Eigenſchaften beſtätigen können, welche der Miniſter bereits in ihm entdeckt.
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ſich ſelbſt. Und wo iſt der Sittenrichter, der es kalt
verdammt?“
Er nahm das Papier, falzte es und that es in
ſeine Brieftaſche: „Ich will ihr Teſtamentsvollſtrecker
ſein. Wenn ſie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb
wäre, was ſie zu ſeinem Heile thun könnte! Ich
übernehme es für ſie. Sein Liebesglück darf durch
dieſe Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte
er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie
bleibe vor ihm verſchwunden, ſpurlos. Die Wirthin
werde ich inſtruiren. Was er — ohne Liebe, aus
Erbarmen für ſie thun könnte, kann ich ebenſo gut.“
Seinen Vorſatz, auf Louis Rückkehr zu warten,
um mündlich der Ueberbringer der frohen Botſchaft
zu ſein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu
lange bei ſeinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬
der und theilte ihm kurz und klar, was ſeiner warte,
was von ihm gefordert werde, mit. Er ſtellte ſich in
den Hintergrund und ließ den neuen Miniſter ſelbſt
den ſein, der zuerſt ſein Auge auf Louis Bovillard
geworfen, für ſich die beſcheidene Rolle eines um
Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem
Herzen die Eigenſchaften beſtätigen können, welche der
Miniſter bereits in ihm entdeckt.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/268>, abgerufen am 24.11.2024.
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