Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sich selbst. Und wo ist der Sittenrichter, der es kalt
verdammt?"

Er nahm das Papier, falzte es und that es in
seine Brieftasche: "Ich will ihr Testamentsvollstrecker
sein. Wenn sie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb
wäre, was sie zu seinem Heile thun könnte! Ich
übernehme es für sie. Sein Liebesglück darf durch
diese Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte
er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie
bleibe vor ihm verschwunden, spurlos. Die Wirthin
werde ich instruiren. Was er -- ohne Liebe, aus
Erbarmen für sie thun könnte, kann ich ebenso gut."

Seinen Vorsatz, auf Louis Rückkehr zu warten,
um mündlich der Ueberbringer der frohen Botschaft
zu sein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu
lange bei seinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬
der und theilte ihm kurz und klar, was seiner warte,
was von ihm gefordert werde, mit. Er stellte sich in
den Hintergrund und ließ den neuen Minister selbst
den sein, der zuerst sein Auge auf Louis Bovillard
geworfen, für sich die bescheidene Rolle eines um
Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem
Herzen die Eigenschaften bestätigen können, welche der
Minister bereits in ihm entdeckt.


ſich ſelbſt. Und wo iſt der Sittenrichter, der es kalt
verdammt?“

Er nahm das Papier, falzte es und that es in
ſeine Brieftaſche: „Ich will ihr Teſtamentsvollſtrecker
ſein. Wenn ſie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb
wäre, was ſie zu ſeinem Heile thun könnte! Ich
übernehme es für ſie. Sein Liebesglück darf durch
dieſe Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte
er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie
bleibe vor ihm verſchwunden, ſpurlos. Die Wirthin
werde ich inſtruiren. Was er — ohne Liebe, aus
Erbarmen für ſie thun könnte, kann ich ebenſo gut.“

Seinen Vorſatz, auf Louis Rückkehr zu warten,
um mündlich der Ueberbringer der frohen Botſchaft
zu ſein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu
lange bei ſeinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬
der und theilte ihm kurz und klar, was ſeiner warte,
was von ihm gefordert werde, mit. Er ſtellte ſich in
den Hintergrund und ließ den neuen Miniſter ſelbſt
den ſein, der zuerſt ſein Auge auf Louis Bovillard
geworfen, für ſich die beſcheidene Rolle eines um
Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem
Herzen die Eigenſchaften beſtätigen können, welche der
Miniſter bereits in ihm entdeckt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="258"/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t. Und wo i&#x017F;t der Sittenrichter, der es kalt<lb/>
verdammt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er nahm das Papier, falzte es und that es in<lb/>
&#x017F;eine Briefta&#x017F;che: &#x201E;Ich will ihr Te&#x017F;tamentsvoll&#x017F;trecker<lb/>
&#x017F;ein. Wenn &#x017F;ie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb<lb/>
wäre, was &#x017F;ie zu &#x017F;einem Heile thun könnte! Ich<lb/>
übernehme es für &#x017F;ie. Sein Liebesglück darf durch<lb/>
die&#x017F;e Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte<lb/>
er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie<lb/>
bleibe vor ihm ver&#x017F;chwunden, &#x017F;purlos. Die Wirthin<lb/>
werde ich in&#x017F;truiren. Was er &#x2014; ohne Liebe, aus<lb/>
Erbarmen für &#x017F;ie thun könnte, kann ich eben&#x017F;o gut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Seinen Vor&#x017F;atz, auf Louis Rückkehr zu warten,<lb/>
um mündlich der Ueberbringer der frohen Bot&#x017F;chaft<lb/>
zu &#x017F;ein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu<lb/>
lange bei &#x017F;einem Glück. Er nahm Papier und Fe¬<lb/>
der und theilte ihm kurz und klar, was &#x017F;einer warte,<lb/>
was von ihm gefordert werde, mit. Er &#x017F;tellte &#x017F;ich in<lb/>
den Hintergrund und ließ den neuen Mini&#x017F;ter &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
den &#x017F;ein, der zuer&#x017F;t &#x017F;ein Auge auf Louis Bovillard<lb/>
geworfen, für &#x017F;ich die be&#x017F;cheidene Rolle eines um<lb/>
Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem<lb/>
Herzen die Eigen&#x017F;chaften be&#x017F;tätigen können, welche der<lb/>
Mini&#x017F;ter bereits in ihm entdeckt.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0268] ſich ſelbſt. Und wo iſt der Sittenrichter, der es kalt verdammt?“ Er nahm das Papier, falzte es und that es in ſeine Brieftaſche: „Ich will ihr Teſtamentsvollſtrecker ſein. Wenn ſie nur etwas wüßte, was ihm recht lieb wäre, was ſie zu ſeinem Heile thun könnte! Ich übernehme es für ſie. Sein Liebesglück darf durch dieſe Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwiedern! Sie bleibe vor ihm verſchwunden, ſpurlos. Die Wirthin werde ich inſtruiren. Was er — ohne Liebe, aus Erbarmen für ſie thun könnte, kann ich ebenſo gut.“ Seinen Vorſatz, auf Louis Rückkehr zu warten, um mündlich der Ueberbringer der frohen Botſchaft zu ſein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu lange bei ſeinem Glück. Er nahm Papier und Fe¬ der und theilte ihm kurz und klar, was ſeiner warte, was von ihm gefordert werde, mit. Er ſtellte ſich in den Hintergrund und ließ den neuen Miniſter ſelbſt den ſein, der zuerſt ſein Auge auf Louis Bovillard geworfen, für ſich die beſcheidene Rolle eines um Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem Herzen die Eigenſchaften beſtätigen können, welche der Miniſter bereits in ihm entdeckt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/268
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/268>, abgerufen am 24.11.2024.