ten? -- O still, meine Freundin, ich weiß, was die¬ ses Aufathmen sagen soll: Sie stürzten lieber in den Abgrund, als sie von mir annehmen! Ich lasse die¬ sem natürlichen Gefühl sein Recht, wie die Alten schreien mußten, um ihren Schmerz loszuwerden. Schreien Sie, meine Freundin, innerlich, weinen Sie, wenn Sie wieder Thränen finden, verfluchen mich! Nichts von Resignation, Vergebung edler Seelen; ein Palliativ, was die Natur abschwächt. Nein, erge¬ hen Sie sich in Ihrem ganzen Haß, aber dann -- dann bedenken Sie, daß wir Beide uns kennen, daß der Zufall in der Welt eine bedeutende Rolle spielt, daß, wo kein Thron mehr sicher steht, die sicherste Stellung im Leben es nicht mehr ist, daß Fälle denkbar sind --"
Sie sah ihn scheu an: "Sie meinen --"
"Ich gebe nichts auf Ahnungen, aber -- einen Wunsch, eine Weisung laß ich Ihnen zurück, als letztes Angebinde. Sie haben sich stark gezeigt, blei¬ ben Sie es, wenn das Unglück da ist. Welches Recht haben diese Menschen, die wir kennen, über uns? Etwa uns in's Herz zu schauen! Der Pöbel! Wer in aller Welt giebt ihnen das: unsre innersten Gedanken auszufragen? In's Gefängniß mögen sie den Freien schleppen, auf den Rabenstein uns schlei¬ fen, nicht uns zwingen, daß wir uns selbst verrathen und verdammen. Das Recht hat keiner Mutter Sohn, er stehe so hoch er will. Der Pöbel kann uns nicht, wir können ihn, wenn wir fest bleiben, überwinden. Die Märtyrer wurden mit Recht Heilige, nur daß
ten? — O ſtill, meine Freundin, ich weiß, was die¬ ſes Aufathmen ſagen ſoll: Sie ſtürzten lieber in den Abgrund, als ſie von mir annehmen! Ich laſſe die¬ ſem natürlichen Gefühl ſein Recht, wie die Alten ſchreien mußten, um ihren Schmerz loszuwerden. Schreien Sie, meine Freundin, innerlich, weinen Sie, wenn Sie wieder Thränen finden, verfluchen mich! Nichts von Reſignation, Vergebung edler Seelen; ein Palliativ, was die Natur abſchwächt. Nein, erge¬ hen Sie ſich in Ihrem ganzen Haß, aber dann — dann bedenken Sie, daß wir Beide uns kennen, daß der Zufall in der Welt eine bedeutende Rolle ſpielt, daß, wo kein Thron mehr ſicher ſteht, die ſicherſte Stellung im Leben es nicht mehr iſt, daß Fälle denkbar ſind —“
Sie ſah ihn ſcheu an: „Sie meinen —“
„Ich gebe nichts auf Ahnungen, aber — einen Wunſch, eine Weiſung laß ich Ihnen zurück, als letztes Angebinde. Sie haben ſich ſtark gezeigt, blei¬ ben Sie es, wenn das Unglück da iſt. Welches Recht haben dieſe Menſchen, die wir kennen, über uns? Etwa uns in's Herz zu ſchauen! Der Pöbel! Wer in aller Welt giebt ihnen das: unſre innerſten Gedanken auszufragen? In's Gefängniß mögen ſie den Freien ſchleppen, auf den Rabenſtein uns ſchlei¬ fen, nicht uns zwingen, daß wir uns ſelbſt verrathen und verdammen. Das Recht hat keiner Mutter Sohn, er ſtehe ſo hoch er will. Der Pöbel kann uns nicht, wir können ihn, wenn wir feſt bleiben, überwinden. Die Märtyrer wurden mit Recht Heilige, nur daß
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ten? — O ſtill, meine Freundin, ich weiß, was die¬
ſes Aufathmen ſagen ſoll: Sie ſtürzten lieber in den
Abgrund, als ſie von mir annehmen! Ich laſſe die¬
ſem natürlichen Gefühl ſein Recht, wie die Alten
ſchreien mußten, um ihren Schmerz loszuwerden.
Schreien Sie, meine Freundin, innerlich, weinen Sie,
wenn Sie wieder Thränen finden, verfluchen mich!
Nichts von Reſignation, Vergebung edler Seelen;
ein Palliativ, was die Natur abſchwächt. Nein, erge¬
hen Sie ſich in Ihrem ganzen Haß, aber dann — dann
bedenken Sie, daß wir Beide uns kennen, daß der
Zufall in der Welt eine bedeutende Rolle ſpielt, daß,
wo kein Thron mehr ſicher ſteht, die ſicherſte Stellung
im Leben es nicht mehr iſt, daß Fälle denkbar ſind —“
Sie ſah ihn ſcheu an: „Sie meinen —“
„Ich gebe nichts auf Ahnungen, aber — einen
Wunſch, eine Weiſung laß ich Ihnen zurück, als
letztes Angebinde. Sie haben ſich ſtark gezeigt, blei¬
ben Sie es, wenn das Unglück da iſt. Welches
Recht haben dieſe Menſchen, die wir kennen, über
uns? Etwa uns in's Herz zu ſchauen! Der Pöbel!
Wer in aller Welt giebt ihnen das: unſre innerſten
Gedanken auszufragen? In's Gefängniß mögen ſie
den Freien ſchleppen, auf den Rabenſtein uns ſchlei¬
fen, nicht uns zwingen, daß wir uns ſelbſt verrathen
und verdammen. Das Recht hat keiner Mutter Sohn,
er ſtehe ſo hoch er will. Der Pöbel kann uns nicht,
wir können ihn, wenn wir feſt bleiben, überwinden.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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