Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.die mich tief betrübten, um dann mich wieder desto Wandel, der etwas unaufmerksam gesessen, warf "Und das hat er Ihnen alles gesagt?" "Kein Wort." "Ah, also die Sympathie der Seelen!" "Warum senken Sie die Augen?" Er mußte sich gestehen, daß diese Wendung dem, "Oh, das ist ein Thema, rief er, bodenlos, un¬ "Sie erschrecken ja beinah." die mich tief betrübten, um dann mich wieder deſto Wandel, der etwas unaufmerkſam geſeſſen, warf „Und das hat er Ihnen alles geſagt?“ „Kein Wort.“ „Ah, alſo die Sympathie der Seelen!“ „Warum ſenken Sie die Augen?“ Er mußte ſich geſtehen, daß dieſe Wendung dem, „Oh, das iſt ein Thema, rief er, bodenlos, un¬ „Sie erſchrecken ja beinah.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="36"/> die mich tief betrübten, um dann mich wieder deſto<lb/> höher zu erheben. Er beleidigte mich, um mich wie¬<lb/> der zu mir ſelbſt zu bringen, um mich von meiner<lb/> Leidenſchaft zu heilen. So lebten wir eine lange<lb/> ſchmerzliche Weile uns zur gegenſeitigen Qual, bis<lb/> — wir uns verſtanden haben. Nun aber haben wir<lb/> es, und ich bitte es ihm tauſendmal im Herzen ab,<lb/> wie ich ihm Unrecht gethan. Ich glaubte zu leiden,<lb/> und wie mußte er erſt leiden, indem er mir und ſich<lb/> zugleich ſo unausſprechlich wehe that.“</p><lb/> <p>Wandel, der etwas unaufmerkſam geſeſſen, warf<lb/> hier einen forſchenden Blick auf die Rednerin. Er<lb/> hatte manches, aber dies grade nicht erwartet. Die<lb/> Geſchichte intereſſirte auch ihn nicht mehr beſonders,<lb/> oder er war im Nachſinnen, wie er ihr eine andre<lb/> Wendung beibringe, um ihr wieder ein Intereſſe abzu¬<lb/> gewinnen. Es war die Neugier, wie man in einem<lb/> empfindſamen Roman plötzlich die Seiten umſchlägt,<lb/> um die Motive eines den Leſer überraſchenden Sinnes¬<lb/> umſchlags zu erfahren, mit der er ſie raſch fragte:</p><lb/> <p>„Und das hat er Ihnen alles geſagt?“</p><lb/> <p>„Kein Wort.“</p><lb/> <p>„Ah, alſo die Sympathie der Seelen!“</p><lb/> <p>„Warum ſenken Sie die Augen?“</p><lb/> <p>Er mußte ſich geſtehen, daß dieſe Wendung dem,<lb/> was die Freunde wollten, am wenigſten entſpreche:</p><lb/> <p>„Oh, das iſt ein Thema, rief er, bodenlos, un¬<lb/> ergründlich.“</p><lb/> <p>„Sie erſchrecken ja beinah.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0046]
die mich tief betrübten, um dann mich wieder deſto
höher zu erheben. Er beleidigte mich, um mich wie¬
der zu mir ſelbſt zu bringen, um mich von meiner
Leidenſchaft zu heilen. So lebten wir eine lange
ſchmerzliche Weile uns zur gegenſeitigen Qual, bis
— wir uns verſtanden haben. Nun aber haben wir
es, und ich bitte es ihm tauſendmal im Herzen ab,
wie ich ihm Unrecht gethan. Ich glaubte zu leiden,
und wie mußte er erſt leiden, indem er mir und ſich
zugleich ſo unausſprechlich wehe that.“
Wandel, der etwas unaufmerkſam geſeſſen, warf
hier einen forſchenden Blick auf die Rednerin. Er
hatte manches, aber dies grade nicht erwartet. Die
Geſchichte intereſſirte auch ihn nicht mehr beſonders,
oder er war im Nachſinnen, wie er ihr eine andre
Wendung beibringe, um ihr wieder ein Intereſſe abzu¬
gewinnen. Es war die Neugier, wie man in einem
empfindſamen Roman plötzlich die Seiten umſchlägt,
um die Motive eines den Leſer überraſchenden Sinnes¬
umſchlags zu erfahren, mit der er ſie raſch fragte:
„Und das hat er Ihnen alles geſagt?“
„Kein Wort.“
„Ah, alſo die Sympathie der Seelen!“
„Warum ſenken Sie die Augen?“
Er mußte ſich geſtehen, daß dieſe Wendung dem,
was die Freunde wollten, am wenigſten entſpreche:
„Oh, das iſt ein Thema, rief er, bodenlos, un¬
ergründlich.“
„Sie erſchrecken ja beinah.“
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