Aber die Fürstin arrangirte nichts, sie ließ Alles gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man möchte sagen auch nicht wie eine Freundin, sondern wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf dieses Haus und Alles darin zustand. Sie hatte ihre besonderen Zimmer, Diener, sie konnte Besuche empfangen, ausfahren, wie sie Lust hatte. Sie erschien oder blieb aus, wenn Gesellschaft sich versammelte; die Fürstin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn sie Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem Penchant zu leben.
Die Königin Louise hatte wieder gelegentlich den Wunsch geäußert, die schöne Adelheid zu sehen. Der Wunsch einer Königin ist sonst Befehl. Aber als Adelheid die Augen niedergeschlagen und geantwortet hatte: Was soll ich vor der hohen Frau! war die Fürstin ihr mit der liebenswürdigsten Art um den Hals gefallen: "Sie haben Recht, was sollen Sie da! Warum sich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬ sonen werfen in der einen Stunde einen Wunsch hin, um ihn in der nächsten zu vergessen."
Gegen vertraute Freunde äußerte sie: "Wo die Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur. Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr fremd sind, vergeht sie oder schießt zu einer unnatür¬ lichen Bastardart auf. Und eine Pflanze, die im
Aber die Fürſtin arrangirte nichts, ſie ließ Alles gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man möchte ſagen auch nicht wie eine Freundin, ſondern wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf dieſes Haus und Alles darin zuſtand. Sie hatte ihre beſonderen Zimmer, Diener, ſie konnte Beſuche empfangen, ausfahren, wie ſie Luſt hatte. Sie erſchien oder blieb aus, wenn Geſellſchaft ſich verſammelte; die Fürſtin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn ſie Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem Penchant zu leben.
Die Königin Louiſe hatte wieder gelegentlich den Wunſch geäußert, die ſchöne Adelheid zu ſehen. Der Wunſch einer Königin iſt ſonſt Befehl. Aber als Adelheid die Augen niedergeſchlagen und geantwortet hatte: Was ſoll ich vor der hohen Frau! war die Fürſtin ihr mit der liebenswürdigſten Art um den Hals gefallen: „Sie haben Recht, was ſollen Sie da! Warum ſich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬ ſonen werfen in der einen Stunde einen Wunſch hin, um ihn in der nächſten zu vergeſſen.“
Gegen vertraute Freunde äußerte ſie: „Wo die Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur. Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr fremd ſind, vergeht ſie oder ſchießt zu einer unnatür¬ lichen Baſtardart auf. Und eine Pflanze, die im
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0079"n="69"/><p>Aber die Fürſtin arrangirte nichts, ſie ließ Alles<lb/>
gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht<lb/>
wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man<lb/>
möchte ſagen auch nicht wie eine Freundin, ſondern<lb/>
wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf<lb/>
dieſes Haus und Alles darin zuſtand. Sie hatte ihre<lb/>
beſonderen Zimmer, Diener, ſie konnte Beſuche<lb/>
empfangen, ausfahren, wie ſie Luſt hatte. Sie erſchien<lb/>
oder blieb aus, wenn Geſellſchaft ſich verſammelte;<lb/>
die Fürſtin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn ſie<lb/>
Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es<lb/>
nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem<lb/>
Penchant zu leben.</p><lb/><p>Die Königin Louiſe hatte wieder gelegentlich den<lb/>
Wunſch geäußert, die ſchöne Adelheid zu ſehen. Der<lb/>
Wunſch einer Königin iſt ſonſt Befehl. Aber als<lb/>
Adelheid die Augen niedergeſchlagen und geantwortet<lb/>
hatte: Was ſoll ich vor der hohen Frau! war die<lb/>
Fürſtin ihr mit der liebenswürdigſten Art um den<lb/>
Hals gefallen: „Sie haben Recht, was ſollen Sie da!<lb/>
Warum ſich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬<lb/>ſonen werfen in der einen Stunde einen Wunſch hin,<lb/>
um ihn in der nächſten zu vergeſſen.“</p><lb/><p>Gegen vertraute Freunde äußerte ſie: „Wo die<lb/>
Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der<lb/>
Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur.<lb/>
Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr<lb/>
fremd ſind, vergeht ſie oder ſchießt zu einer unnatür¬<lb/>
lichen Baſtardart auf. Und eine Pflanze, die im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[69/0079]
Aber die Fürſtin arrangirte nichts, ſie ließ Alles
gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht
wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man
möchte ſagen auch nicht wie eine Freundin, ſondern
wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf
dieſes Haus und Alles darin zuſtand. Sie hatte ihre
beſonderen Zimmer, Diener, ſie konnte Beſuche
empfangen, ausfahren, wie ſie Luſt hatte. Sie erſchien
oder blieb aus, wenn Geſellſchaft ſich verſammelte;
die Fürſtin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn ſie
Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es
nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem
Penchant zu leben.
Die Königin Louiſe hatte wieder gelegentlich den
Wunſch geäußert, die ſchöne Adelheid zu ſehen. Der
Wunſch einer Königin iſt ſonſt Befehl. Aber als
Adelheid die Augen niedergeſchlagen und geantwortet
hatte: Was ſoll ich vor der hohen Frau! war die
Fürſtin ihr mit der liebenswürdigſten Art um den
Hals gefallen: „Sie haben Recht, was ſollen Sie da!
Warum ſich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬
ſonen werfen in der einen Stunde einen Wunſch hin,
um ihn in der nächſten zu vergeſſen.“
Gegen vertraute Freunde äußerte ſie: „Wo die
Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der
Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur.
Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr
fremd ſind, vergeht ſie oder ſchießt zu einer unnatür¬
lichen Baſtardart auf. Und eine Pflanze, die im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/79>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.