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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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leichtsinnig spielt wie mit den Goldrollen, die er alle
Abend am Pharotisch verliert."

"Jammerschade, daß unser Haugwitz sich von
ihm leiten läßt. Sonst ein so liebenswürdiger heller
Geist."

"Mich dünkt, es ist der höchste Grad des Un¬
verstandes, das Werkzeug der Verworfenheit Anderer
zu werden."

Auf einen solchen Ausspruch aus dem Munde
einer Königin muß der Unterthan in Ehrfurcht
schweigen. Hoym schwieg; auch die Königin schwieg
einen Augenblick, wie im Gefühl, mehr gesagt zu
haben, als die Etikette einer Königin zu sagen er¬
laubt. Die leichte Röthe war wieder von ihrem
huldstrahlenden Gesicht verschwunden, als sie fortfuhr:

"Ihm, ihm allein verdanken wir es, daß das
Ungeheuer mit kaltem Hohn auf uns herabblickt. Er
verachtet unsre Machthaber, weil wir solchen an ihn
bevollmächtigten. Ich sage nichts davon, wie er in
Brünn sich fortschicken, in Wien behandeln, in Schön¬
brunn dupiren ließ; ich zerdrücke meinen Schmerz,
daß er es war, der Hannover uns schenken ließ, der
Brocken, an dem unser Adler ersticken sollte. Daß
er aber nach dieser Erfahrung, belastet von den Ver¬
wünschungen einer ganzen edlen Nation, jetzt in
Paris wieder dieselbe Rolle der Insouciance spielen
konnte!"

"Er war vielleicht, wie Lombard in Brüssel, von
der Grandeur der neuen Majestät eblouirt. Il est un

leichtſinnig ſpielt wie mit den Goldrollen, die er alle
Abend am Pharotiſch verliert.“

„Jammerſchade, daß unſer Haugwitz ſich von
ihm leiten läßt. Sonſt ein ſo liebenswürdiger heller
Geiſt.“

„Mich dünkt, es iſt der höchſte Grad des Un¬
verſtandes, das Werkzeug der Verworfenheit Anderer
zu werden.“

Auf einen ſolchen Ausſpruch aus dem Munde
einer Königin muß der Unterthan in Ehrfurcht
ſchweigen. Hoym ſchwieg; auch die Königin ſchwieg
einen Augenblick, wie im Gefühl, mehr geſagt zu
haben, als die Etikette einer Königin zu ſagen er¬
laubt. Die leichte Röthe war wieder von ihrem
huldſtrahlenden Geſicht verſchwunden, als ſie fortfuhr:

„Ihm, ihm allein verdanken wir es, daß das
Ungeheuer mit kaltem Hohn auf uns herabblickt. Er
verachtet unſre Machthaber, weil wir ſolchen an ihn
bevollmächtigten. Ich ſage nichts davon, wie er in
Brünn ſich fortſchicken, in Wien behandeln, in Schön¬
brunn dupiren ließ; ich zerdrücke meinen Schmerz,
daß er es war, der Hannover uns ſchenken ließ, der
Brocken, an dem unſer Adler erſticken ſollte. Daß
er aber nach dieſer Erfahrung, belaſtet von den Ver¬
wünſchungen einer ganzen edlen Nation, jetzt in
Paris wieder dieſelbe Rolle der Inſouciance ſpielen
konnte!“

„Er war vielleicht, wie Lombard in Brüſſel, von
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[103/0113] leichtſinnig ſpielt wie mit den Goldrollen, die er alle Abend am Pharotiſch verliert.“ „Jammerſchade, daß unſer Haugwitz ſich von ihm leiten läßt. Sonſt ein ſo liebenswürdiger heller Geiſt.“ „Mich dünkt, es iſt der höchſte Grad des Un¬ verſtandes, das Werkzeug der Verworfenheit Anderer zu werden.“ Auf einen ſolchen Ausſpruch aus dem Munde einer Königin muß der Unterthan in Ehrfurcht ſchweigen. Hoym ſchwieg; auch die Königin ſchwieg einen Augenblick, wie im Gefühl, mehr geſagt zu haben, als die Etikette einer Königin zu ſagen er¬ laubt. Die leichte Röthe war wieder von ihrem huldſtrahlenden Geſicht verſchwunden, als ſie fortfuhr: „Ihm, ihm allein verdanken wir es, daß das Ungeheuer mit kaltem Hohn auf uns herabblickt. Er verachtet unſre Machthaber, weil wir ſolchen an ihn bevollmächtigten. Ich ſage nichts davon, wie er in Brünn ſich fortſchicken, in Wien behandeln, in Schön¬ brunn dupiren ließ; ich zerdrücke meinen Schmerz, daß er es war, der Hannover uns ſchenken ließ, der Brocken, an dem unſer Adler erſticken ſollte. Daß er aber nach dieſer Erfahrung, belaſtet von den Ver¬ wünſchungen einer ganzen edlen Nation, jetzt in Paris wieder dieſelbe Rolle der Inſouciance ſpielen konnte!“ „Er war vielleicht, wie Lombard in Brüſſel, von der Grandeur der neuen Majeſtät eblouirt. Il est un

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/113>, abgerufen am 17.05.2024.