Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

es ist sein Geist, der mich in diesem Augenblick
umschwebt."

Während die Geheimräthin es sprach, waren
Aller Blicke auf sie gerichtet. Es war eine Feier¬
lichkeit in ihrem Wesen, ein sonorer Ton der
Sprache, der selbst der Braunbiegler imponirte. Mit
ganz besondern Blicken beobachteten sie aber zwei der
Anwesenden, Wandel und Herr von Fuchsius; jenes
Gesicht erheiterte sich, dieser behielt denselben Ausdruck.

"Nun aber, lieber Schwager, ging die Lupinus
plötzlich in einen andern Ton über, thun Sie uns
den Gefallen und gehn zu Andern, denn Ihre Fla¬
nellbinden dürfen unsre Heiterkeit nicht stören. Was
Sie mir gethan, ist vergeben und vergessen. Sie
sehen, wir haben die Karten in der Hand, und bren¬
nen, zu spielen."

Die Liebenswürdigkeit selbst! -- Nein, eine Vor¬
nehmheit doch, und diese Sanftmuth dazu! -- Wenn
es nicht gesagt, wurde es gedacht. Wie herzlich, zu¬
traulich, um es wieder gut zu machen, hatte sie dem
Schwager, der so tief unter ihr stand, die Hand
gereicht zum Abschied. Lupinus hatte die Hand
an die Lippen gedrückt -- etwas schauspielerhaft,
sagten Einige. Wie ein Polisson -- Andere. --
"Er ist doch immer der Bruder meines seligen Man¬
nes, der einzig Hinterbliebene der Familie! hatte sie
geseufzt. Und was man auch immer gegen ihn sagen
mag, von Herzen ist er gut."

Mit welcher Aufmerksamkeit sie spielte, sie webte

es iſt ſein Geiſt, der mich in dieſem Augenblick
umſchwebt.“

Während die Geheimräthin es ſprach, waren
Aller Blicke auf ſie gerichtet. Es war eine Feier¬
lichkeit in ihrem Weſen, ein ſonorer Ton der
Sprache, der ſelbſt der Braunbiegler imponirte. Mit
ganz beſondern Blicken beobachteten ſie aber zwei der
Anweſenden, Wandel und Herr von Fuchſius; jenes
Geſicht erheiterte ſich, dieſer behielt denſelben Ausdruck.

„Nun aber, lieber Schwager, ging die Lupinus
plötzlich in einen andern Ton über, thun Sie uns
den Gefallen und gehn zu Andern, denn Ihre Fla¬
nellbinden dürfen unſre Heiterkeit nicht ſtören. Was
Sie mir gethan, iſt vergeben und vergeſſen. Sie
ſehen, wir haben die Karten in der Hand, und bren¬
nen, zu ſpielen.“

Die Liebenswürdigkeit ſelbſt! — Nein, eine Vor¬
nehmheit doch, und dieſe Sanftmuth dazu! — Wenn
es nicht geſagt, wurde es gedacht. Wie herzlich, zu¬
traulich, um es wieder gut zu machen, hatte ſie dem
Schwager, der ſo tief unter ihr ſtand, die Hand
gereicht zum Abſchied. Lupinus hatte die Hand
an die Lippen gedrückt — etwas ſchauſpielerhaft,
ſagten Einige. Wie ein Poliſſon — Andere. —
„Er iſt doch immer der Bruder meines ſeligen Man¬
nes, der einzig Hinterbliebene der Familie! hatte ſie
geſeufzt. Und was man auch immer gegen ihn ſagen
mag, von Herzen iſt er gut.“

Mit welcher Aufmerkſamkeit ſie ſpielte, ſie webte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="153"/>
es i&#x017F;t &#x017F;ein Gei&#x017F;t, der mich in die&#x017F;em Augenblick<lb/>
um&#x017F;chwebt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Während die Geheimräthin es &#x017F;prach, waren<lb/>
Aller Blicke auf &#x017F;ie gerichtet. Es war eine Feier¬<lb/>
lichkeit in ihrem We&#x017F;en, ein &#x017F;onorer Ton der<lb/>
Sprache, der &#x017F;elb&#x017F;t der Braunbiegler imponirte. Mit<lb/>
ganz be&#x017F;ondern Blicken beobachteten &#x017F;ie aber zwei der<lb/>
Anwe&#x017F;enden, Wandel und Herr von Fuch&#x017F;ius; jenes<lb/>
Ge&#x017F;icht erheiterte &#x017F;ich, die&#x017F;er behielt den&#x017F;elben Ausdruck.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun aber, lieber Schwager, ging die Lupinus<lb/>
plötzlich in einen andern Ton über, thun Sie uns<lb/>
den Gefallen und gehn zu Andern, denn Ihre Fla¬<lb/>
nellbinden dürfen un&#x017F;re Heiterkeit nicht &#x017F;tören. Was<lb/>
Sie mir gethan, i&#x017F;t vergeben und verge&#x017F;&#x017F;en. Sie<lb/>
&#x017F;ehen, wir haben die Karten in der Hand, und bren¬<lb/>
nen, zu &#x017F;pielen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Liebenswürdigkeit &#x017F;elb&#x017F;t! &#x2014; Nein, eine Vor¬<lb/>
nehmheit doch, und die&#x017F;e Sanftmuth dazu! &#x2014; Wenn<lb/>
es nicht ge&#x017F;agt, wurde es gedacht. Wie herzlich, zu¬<lb/>
traulich, um es wieder gut zu machen, hatte &#x017F;ie dem<lb/>
Schwager, der &#x017F;o tief unter ihr &#x017F;tand, die Hand<lb/>
gereicht zum Ab&#x017F;chied. Lupinus hatte die Hand<lb/>
an die Lippen gedrückt &#x2014; etwas &#x017F;chau&#x017F;pielerhaft,<lb/>
&#x017F;agten Einige. Wie ein Poli&#x017F;&#x017F;on &#x2014; Andere. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Er i&#x017F;t doch immer der Bruder meines &#x017F;eligen Man¬<lb/>
nes, der einzig Hinterbliebene der Familie! hatte &#x017F;ie<lb/>
ge&#x017F;eufzt. Und was man auch immer gegen ihn &#x017F;agen<lb/>
mag, von Herzen i&#x017F;t er gut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mit welcher Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;ie &#x017F;pielte, &#x017F;ie webte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0163] es iſt ſein Geiſt, der mich in dieſem Augenblick umſchwebt.“ Während die Geheimräthin es ſprach, waren Aller Blicke auf ſie gerichtet. Es war eine Feier¬ lichkeit in ihrem Weſen, ein ſonorer Ton der Sprache, der ſelbſt der Braunbiegler imponirte. Mit ganz beſondern Blicken beobachteten ſie aber zwei der Anweſenden, Wandel und Herr von Fuchſius; jenes Geſicht erheiterte ſich, dieſer behielt denſelben Ausdruck. „Nun aber, lieber Schwager, ging die Lupinus plötzlich in einen andern Ton über, thun Sie uns den Gefallen und gehn zu Andern, denn Ihre Fla¬ nellbinden dürfen unſre Heiterkeit nicht ſtören. Was Sie mir gethan, iſt vergeben und vergeſſen. Sie ſehen, wir haben die Karten in der Hand, und bren¬ nen, zu ſpielen.“ Die Liebenswürdigkeit ſelbſt! — Nein, eine Vor¬ nehmheit doch, und dieſe Sanftmuth dazu! — Wenn es nicht geſagt, wurde es gedacht. Wie herzlich, zu¬ traulich, um es wieder gut zu machen, hatte ſie dem Schwager, der ſo tief unter ihr ſtand, die Hand gereicht zum Abſchied. Lupinus hatte die Hand an die Lippen gedrückt — etwas ſchauſpielerhaft, ſagten Einige. Wie ein Poliſſon — Andere. — „Er iſt doch immer der Bruder meines ſeligen Man¬ nes, der einzig Hinterbliebene der Familie! hatte ſie geſeufzt. Und was man auch immer gegen ihn ſagen mag, von Herzen iſt er gut.“ Mit welcher Aufmerkſamkeit ſie ſpielte, ſie webte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/163
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/163>, abgerufen am 17.05.2024.