athmete auf. "Er ist doch nur ein Meteor! sprach er für sich. Wenn er untersinkt, wo bleibt Napoleons Schweif!" Wir glauben, daß Wandel sich hierin selbst belog. Er hatte andere Gründe, weshalb er Frankreich nicht mehr betrat.
Er war auf eine Bank unter den Linden hin¬ gesunken. Zwei Morgenspaziergänger, die einen Brunnen tranken, setzten sich ebenfalls. Nachdem sie über die Wirkungen des Wassers sich des Längeren unterhalten, sprachen sie auch von der Lupinus und ihrer Verhaftung. Die Geschichte erhielt neue Wen¬ dungen. Sie war nach des Einen Conjectur eine geborne Giftmischerin aus Instinct. Er wollte ge¬ hört haben, sie hätte schon in der Schule angegiftet, dann als fünfzehnjähriges Mädchen zuerst ihren Vater und darauf ihre Mutter complet vergiftet. Die Zahl ihrer übrigen Opfer lasse sich gar nicht berechnen, und sie thue es ohne allen Zweck und Vortheil, nur weil es in ihrem Blute liege. Sie könne es nicht lassen. Der Andere wollte entgegengesetzte Nach¬ richten haben: sie sei eine wohlerzogene und sonst treffliche Frau gewesen, aber die Neigung zu einem fremden vornehmen Herrn habe sie aus Rand und Band gebracht. Sie hätte sich zuerst selbst vergiften wollen, weil er ihre Leidenschaft nicht erwiedert, ihre Blicke nicht verstanden. Dann aber hätten sie sich verständigt, und der fremde Herr merken lassen, daß, wenn sie frei wäre, und nicht Manches sonst im Wege stände, er sie gern heirathen würde. Darauf hätte
athmete auf. „Er iſt doch nur ein Meteor! ſprach er für ſich. Wenn er unterſinkt, wo bleibt Napoleons Schweif!“ Wir glauben, daß Wandel ſich hierin ſelbſt belog. Er hatte andere Gründe, weshalb er Frankreich nicht mehr betrat.
Er war auf eine Bank unter den Linden hin¬ geſunken. Zwei Morgenſpaziergänger, die einen Brunnen tranken, ſetzten ſich ebenfalls. Nachdem ſie über die Wirkungen des Waſſers ſich des Längeren unterhalten, ſprachen ſie auch von der Lupinus und ihrer Verhaftung. Die Geſchichte erhielt neue Wen¬ dungen. Sie war nach des Einen Conjectur eine geborne Giftmiſcherin aus Inſtinct. Er wollte ge¬ hört haben, ſie hätte ſchon in der Schule angegiftet, dann als fünfzehnjähriges Mädchen zuerſt ihren Vater und darauf ihre Mutter complet vergiftet. Die Zahl ihrer übrigen Opfer laſſe ſich gar nicht berechnen, und ſie thue es ohne allen Zweck und Vortheil, nur weil es in ihrem Blute liege. Sie könne es nicht laſſen. Der Andere wollte entgegengeſetzte Nach¬ richten haben: ſie ſei eine wohlerzogene und ſonſt treffliche Frau geweſen, aber die Neigung zu einem fremden vornehmen Herrn habe ſie aus Rand und Band gebracht. Sie hätte ſich zuerſt ſelbſt vergiften wollen, weil er ihre Leidenſchaft nicht erwiedert, ihre Blicke nicht verſtanden. Dann aber hätten ſie ſich verſtändigt, und der fremde Herr merken laſſen, daß, wenn ſie frei wäre, und nicht Manches ſonſt im Wege ſtände, er ſie gern heirathen würde. Darauf hätte
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athmete auf. „Er iſt doch nur ein Meteor! ſprach
er für ſich. Wenn er unterſinkt, wo bleibt Napoleons
Schweif!“ Wir glauben, daß Wandel ſich hierin
ſelbſt belog. Er hatte andere Gründe, weshalb er
Frankreich nicht mehr betrat.
Er war auf eine Bank unter den Linden hin¬
geſunken. Zwei Morgenſpaziergänger, die einen
Brunnen tranken, ſetzten ſich ebenfalls. Nachdem ſie
über die Wirkungen des Waſſers ſich des Längeren
unterhalten, ſprachen ſie auch von der Lupinus und
ihrer Verhaftung. Die Geſchichte erhielt neue Wen¬
dungen. Sie war nach des Einen Conjectur eine
geborne Giftmiſcherin aus Inſtinct. Er wollte ge¬
hört haben, ſie hätte ſchon in der Schule angegiftet,
dann als fünfzehnjähriges Mädchen zuerſt ihren Vater
und darauf ihre Mutter complet vergiftet. Die Zahl
ihrer übrigen Opfer laſſe ſich gar nicht berechnen,
und ſie thue es ohne allen Zweck und Vortheil, nur
weil es in ihrem Blute liege. Sie könne es nicht
laſſen. Der Andere wollte entgegengeſetzte Nach¬
richten haben: ſie ſei eine wohlerzogene und ſonſt
treffliche Frau geweſen, aber die Neigung zu einem
fremden vornehmen Herrn habe ſie aus Rand und
Band gebracht. Sie hätte ſich zuerſt ſelbſt vergiften
wollen, weil er ihre Leidenſchaft nicht erwiedert, ihre
Blicke nicht verſtanden. Dann aber hätten ſie ſich
verſtändigt, und der fremde Herr merken laſſen, daß,
wenn ſie frei wäre, und nicht Manches ſonſt im Wege
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/198>, abgerufen am 22.11.2024.
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