Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Arme sind noch kräftig, die Fäuste markig, die Schul¬
tersehnen zäh und dauerhaltig. Es ist ein dauer¬
haltiges Geschlecht, auf dessen Schultern sich die
Hohenzollern zu Kriegsfürsten erhoben, und noch ver¬
spüren wir nichts davon, daß die Träger der Last
überdrüssig wurden. War der Geist des großen Kö¬
nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr ist
so muß ein anderer Geist sich erheben. Und hören
Sie nicht den Geist? Braust er nicht daher wie das
Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es
kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬
ben, daß er nicht spielend vorüber fährt, daß er in's
Mark dringt."

"Und das ist ein Prozeß, nicht schwerer und
nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden."

"Weil ihn noch Niemand versucht."

"Vergessen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor
den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderstaub,
den sie ausgestreut, liegt dem Volke auf der Lunge.
Sie glauben es zu kennen, weil sie es an schönen
Sommerabenden bei der Promenade vor seinen Thüren
tanzen sahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch
die Administrationsacten. Steigen Sie mit dem
Accise-Revisator, mit dem Steuer-Revisor in's Heilig¬
thum ihrer Häuslichkeit, und sehen unter der dicken
Schaale hausbackener Ehrlichkeit die versessene Dumm¬
heit, den Troß und die speculirende Pfiffigkeit. Ge¬
lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotischen
Gefühle zu schauern, dann erkläre ich Sie für einen

Arme ſind noch kräftig, die Fäuſte markig, die Schul¬
terſehnen zäh und dauerhaltig. Es iſt ein dauer¬
haltiges Geſchlecht, auf deſſen Schultern ſich die
Hohenzollern zu Kriegsfürſten erhoben, und noch ver¬
ſpüren wir nichts davon, daß die Träger der Laſt
überdrüſſig wurden. War der Geist des großen Kö¬
nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr iſt
ſo muß ein anderer Geiſt ſich erheben. Und hören
Sie nicht den Geiſt? Brauſt er nicht daher wie das
Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es
kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬
ben, daß er nicht ſpielend vorüber fährt, daß er in's
Mark dringt.“

„Und das iſt ein Prozeß, nicht ſchwerer und
nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden.“

„Weil ihn noch Niemand verſucht.“

„Vergeſſen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor
den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderſtaub,
den ſie ausgeſtreut, liegt dem Volke auf der Lunge.
Sie glauben es zu kennen, weil ſie es an ſchönen
Sommerabenden bei der Promenade vor ſeinen Thüren
tanzen ſahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch
die Adminiſtrationsacten. Steigen Sie mit dem
Acciſe-Reviſator, mit dem Steuer-Reviſor in's Heilig¬
thum ihrer Häuslichkeit, und ſehen unter der dicken
Schaale hausbackener Ehrlichkeit die verſeſſene Dumm¬
heit, den Troß und die ſpeculirende Pfiffigkeit. Ge¬
lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotiſchen
Gefühle zu ſchauern, dann erkläre ich Sie für einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="10"/>
Arme &#x017F;ind noch kräftig, die Fäu&#x017F;te markig, die Schul¬<lb/>
ter&#x017F;ehnen zäh und dauerhaltig. Es i&#x017F;t ein dauer¬<lb/>
haltiges Ge&#x017F;chlecht, auf de&#x017F;&#x017F;en Schultern &#x017F;ich die<lb/>
Hohenzollern zu Kriegsfür&#x017F;ten erhoben, und noch ver¬<lb/>
&#x017F;püren wir nichts davon, daß die Träger der La&#x017F;t<lb/>
überdrü&#x017F;&#x017F;ig wurden. War der Geist des großen Kö¬<lb/>
nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o muß ein anderer Gei&#x017F;t &#x017F;ich erheben. Und hören<lb/>
Sie nicht den Gei&#x017F;t? Brau&#x017F;t er nicht daher wie das<lb/>
Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es<lb/>
kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬<lb/>
ben, daß er nicht &#x017F;pielend vorüber fährt, daß er in's<lb/>
Mark dringt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und das i&#x017F;t ein Prozeß, nicht &#x017F;chwerer und<lb/>
nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil ihn noch Niemand ver&#x017F;ucht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verge&#x017F;&#x017F;en Sie doch nicht die Zöpfe, und vor<lb/>
den Zöpfen waren Perrücken, und der Puder&#x017F;taub,<lb/>
den &#x017F;ie ausge&#x017F;treut, liegt dem Volke auf der Lunge.<lb/>
Sie glauben es zu kennen, weil &#x017F;ie es an &#x017F;chönen<lb/>
Sommerabenden bei der Promenade vor &#x017F;einen Thüren<lb/>
tanzen &#x017F;ahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch<lb/>
die Admini&#x017F;trationsacten. Steigen Sie mit dem<lb/>
Acci&#x017F;e-Revi&#x017F;ator, mit dem Steuer-Revi&#x017F;or in's Heilig¬<lb/>
thum ihrer Häuslichkeit, und &#x017F;ehen unter der dicken<lb/>
Schaale hausbackener Ehrlichkeit die ver&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ene Dumm¬<lb/>
heit, den Troß und die &#x017F;peculirende Pfiffigkeit. Ge¬<lb/>
lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patrioti&#x017F;chen<lb/>
Gefühle zu &#x017F;chauern, dann erkläre ich Sie für einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0020] Arme ſind noch kräftig, die Fäuſte markig, die Schul¬ terſehnen zäh und dauerhaltig. Es iſt ein dauer¬ haltiges Geſchlecht, auf deſſen Schultern ſich die Hohenzollern zu Kriegsfürſten erhoben, und noch ver¬ ſpüren wir nichts davon, daß die Träger der Laſt überdrüſſig wurden. War der Geist des großen Kö¬ nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr iſt ſo muß ein anderer Geiſt ſich erheben. Und hören Sie nicht den Geiſt? Brauſt er nicht daher wie das Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬ ben, daß er nicht ſpielend vorüber fährt, daß er in's Mark dringt.“ „Und das iſt ein Prozeß, nicht ſchwerer und nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden.“ „Weil ihn noch Niemand verſucht.“ „Vergeſſen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderſtaub, den ſie ausgeſtreut, liegt dem Volke auf der Lunge. Sie glauben es zu kennen, weil ſie es an ſchönen Sommerabenden bei der Promenade vor ſeinen Thüren tanzen ſahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch die Adminiſtrationsacten. Steigen Sie mit dem Acciſe-Reviſator, mit dem Steuer-Reviſor in's Heilig¬ thum ihrer Häuslichkeit, und ſehen unter der dicken Schaale hausbackener Ehrlichkeit die verſeſſene Dumm¬ heit, den Troß und die ſpeculirende Pfiffigkeit. Ge¬ lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotiſchen Gefühle zu ſchauern, dann erkläre ich Sie für einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/20
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/20>, abgerufen am 03.12.2024.