druck des Momentes übertragen auf Vergangenheit und Zukunft. Sie hatte sich an dem Sterbelager des Gatten überwunden, und diesen Sieg datirte sie weiter zurück. -- Doch wohin verliere ich mich. Ich hatte daran gedacht, wenn sie frei ward, um ihre Hand zu bitten, mein Interesse war daher des Geheimraths früher Tod; er ist früher gestorben, als man erwartet, es heißt, nicht auf natürlichem Wege, ich war bis dahin, wenn nicht täglich, doch sehr oft in ihrem Hause, im nächsten Verkehr mit der, welche man der Giftmischerei bezüchtigt, sie empfing Spe¬ cereien, wobei mein Name genannt ward -- ich will mich auch gar nicht darauf berufen, daß ich grade in letzter Zeit seltener ansprach -- ich hielt darauf wirklich um ihre Hand an, wollte also meinen Vor¬ theil geltend machen. Nun, mein Herr, entscheiden Sie, ob das in Ihrem Lande dringende Verdachts¬ gründe sind."
Fuchsius hatte ihn fest angesehen: "Ich kehre die Frage um: was würden Sie in meiner Lage thun? Sie haben die Rechte studirt."
"In Amerika ließe ich den Mann auf der Stelle verhaften. Ich erinnere mich eines ähnlichen Falles, wo ich als Friedensrichter so handelte. Es ergab sich nachher, er war unschuldig. Aber Sie müssen den amerikanischen Charakter, die besondern Verhält¬ nisse beachten. Standesrücksichten giebt es nicht; die feineren Bezüge der Seelenkunde gehören dort nicht vor Gericht, nichts als die matter of fact. Ich weiß,
druck des Momentes übertragen auf Vergangenheit und Zukunft. Sie hatte ſich an dem Sterbelager des Gatten überwunden, und dieſen Sieg datirte ſie weiter zurück. — Doch wohin verliere ich mich. Ich hatte daran gedacht, wenn ſie frei ward, um ihre Hand zu bitten, mein Intereſſe war daher des Geheimraths früher Tod; er iſt früher geſtorben, als man erwartet, es heißt, nicht auf natürlichem Wege, ich war bis dahin, wenn nicht täglich, doch ſehr oft in ihrem Hauſe, im nächſten Verkehr mit der, welche man der Giftmiſcherei bezüchtigt, ſie empfing Spe¬ cereien, wobei mein Name genannt ward — ich will mich auch gar nicht darauf berufen, daß ich grade in letzter Zeit ſeltener anſprach — ich hielt darauf wirklich um ihre Hand an, wollte alſo meinen Vor¬ theil geltend machen. Nun, mein Herr, entſcheiden Sie, ob das in Ihrem Lande dringende Verdachts¬ gründe ſind.“
Fuchſius hatte ihn feſt angeſehen: „Ich kehre die Frage um: was würden Sie in meiner Lage thun? Sie haben die Rechte ſtudirt.“
„In Amerika ließe ich den Mann auf der Stelle verhaften. Ich erinnere mich eines ähnlichen Falles, wo ich als Friedensrichter ſo handelte. Es ergab ſich nachher, er war unſchuldig. Aber Sie müſſen den amerikaniſchen Charakter, die beſondern Verhält¬ niſſe beachten. Standesrückſichten giebt es nicht; die feineren Bezüge der Seelenkunde gehören dort nicht vor Gericht, nichts als die matter of fact. Ich weiß,
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[194/0204]
druck des Momentes übertragen auf Vergangenheit
und Zukunft. Sie hatte ſich an dem Sterbelager
des Gatten überwunden, und dieſen Sieg datirte
ſie weiter zurück. — Doch wohin verliere ich mich.
Ich hatte daran gedacht, wenn ſie frei ward, um
ihre Hand zu bitten, mein Intereſſe war daher des
Geheimraths früher Tod; er iſt früher geſtorben, als
man erwartet, es heißt, nicht auf natürlichem Wege,
ich war bis dahin, wenn nicht täglich, doch ſehr oft
in ihrem Hauſe, im nächſten Verkehr mit der, welche
man der Giftmiſcherei bezüchtigt, ſie empfing Spe¬
cereien, wobei mein Name genannt ward — ich will
mich auch gar nicht darauf berufen, daß ich grade in
letzter Zeit ſeltener anſprach — ich hielt darauf
wirklich um ihre Hand an, wollte alſo meinen Vor¬
theil geltend machen. Nun, mein Herr, entſcheiden
Sie, ob das in Ihrem Lande dringende Verdachts¬
gründe ſind.“
Fuchſius hatte ihn feſt angeſehen: „Ich kehre
die Frage um: was würden Sie in meiner Lage
thun? Sie haben die Rechte ſtudirt.“
„In Amerika ließe ich den Mann auf der Stelle
verhaften. Ich erinnere mich eines ähnlichen Falles,
wo ich als Friedensrichter ſo handelte. Es ergab
ſich nachher, er war unſchuldig. Aber Sie müſſen
den amerikaniſchen Charakter, die beſondern Verhält¬
niſſe beachten. Standesrückſichten giebt es nicht; die
feineren Bezüge der Seelenkunde gehören dort nicht
vor Gericht, nichts als die matter of fact. Ich weiß,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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