wollte, von französischen Jägern angerufen worden. Als er die Antwort schuldig blieb, hatten sie ge¬ feuert. Am Arm verwundet, war er vom Pferde ab¬ geschleudert und gefangen worden. Man hatte ihn nach Kahla gebracht und vor ein Kriegsgericht gestellt. Da er nichts sagen konnte oder wollte, als daß er in Aufträgen seiner Regierung nach Franken geschickt gewesen, und, beim Rückwege unter die Schaaren der Franzosen gerathen, den Versuch gemacht, durch den Thüringer Wald sich nach dem Hauptquartier seines Königs durchzuschlagen, hatte das Gericht ihn für einen Spion erklärt und zum Strang verurtheilt. Irgend ein Zufall, der schnelle Abmarsch, hatte die Execution verhindert; man hatte ihn mitgeschleppt bis Jena. Auch hier war dazu keine Zeit, man hatte ihn auch auf den Berg mitgeschleppt. -- Betrachtete er jetzt über sich den dürren Ast der Eiche, von dem er morgen herabschweben sollte, eine kalte Leiche? Oder suchte sein Auge durch den nebelgrau belegten Him¬ mel nach einem Stern, an den er seine Hoffnung knüpfen wollte?
Es war keine Hoffnung, die noch mit diesem Leben liebäugelt; das sprach sein umflorter Blick.
Man hatte ihn immer menschlich, zuletzt mit chevaleresker Höflichkeit behandelt. Sein Wächter hatte ihm vorhin eine Cigarre angeboten, mit dem seltsamen Trost, wie in Spanien, woher er sie gebracht, die Sitte fordere, daß der Henker mit seinem Opfer eine Art Friedenspfeife raucht. "Der
wollte, von franzöſiſchen Jägern angerufen worden. Als er die Antwort ſchuldig blieb, hatten ſie ge¬ feuert. Am Arm verwundet, war er vom Pferde ab¬ geſchleudert und gefangen worden. Man hatte ihn nach Kahla gebracht und vor ein Kriegsgericht geſtellt. Da er nichts ſagen konnte oder wollte, als daß er in Aufträgen ſeiner Regierung nach Franken geſchickt geweſen, und, beim Rückwege unter die Schaaren der Franzoſen gerathen, den Verſuch gemacht, durch den Thüringer Wald ſich nach dem Hauptquartier ſeines Königs durchzuſchlagen, hatte das Gericht ihn für einen Spion erklärt und zum Strang verurtheilt. Irgend ein Zufall, der ſchnelle Abmarſch, hatte die Execution verhindert; man hatte ihn mitgeſchleppt bis Jena. Auch hier war dazu keine Zeit, man hatte ihn auch auf den Berg mitgeſchleppt. — Betrachtete er jetzt über ſich den dürren Aſt der Eiche, von dem er morgen herabſchweben ſollte, eine kalte Leiche? Oder ſuchte ſein Auge durch den nebelgrau belegten Him¬ mel nach einem Stern, an den er ſeine Hoffnung knüpfen wollte?
Es war keine Hoffnung, die noch mit dieſem Leben liebäugelt; das ſprach ſein umflorter Blick.
Man hatte ihn immer menſchlich, zuletzt mit chevaleresker Höflichkeit behandelt. Sein Wächter hatte ihm vorhin eine Cigarre angeboten, mit dem ſeltſamen Troſt, wie in Spanien, woher er ſie gebracht, die Sitte fordere, daß der Henker mit ſeinem Opfer eine Art Friedenspfeife raucht. „Der
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wollte, von franzöſiſchen Jägern angerufen worden.
Als er die Antwort ſchuldig blieb, hatten ſie ge¬
feuert. Am Arm verwundet, war er vom Pferde ab¬
geſchleudert und gefangen worden. Man hatte ihn nach
Kahla gebracht und vor ein Kriegsgericht geſtellt.
Da er nichts ſagen konnte oder wollte, als daß er
in Aufträgen ſeiner Regierung nach Franken geſchickt
geweſen, und, beim Rückwege unter die Schaaren der
Franzoſen gerathen, den Verſuch gemacht, durch den
Thüringer Wald ſich nach dem Hauptquartier ſeines
Königs durchzuſchlagen, hatte das Gericht ihn für
einen Spion erklärt und zum Strang verurtheilt.
Irgend ein Zufall, der ſchnelle Abmarſch, hatte die
Execution verhindert; man hatte ihn mitgeſchleppt
bis Jena. Auch hier war dazu keine Zeit, man hatte
ihn auch auf den Berg mitgeſchleppt. — Betrachtete er
jetzt über ſich den dürren Aſt der Eiche, von dem er
morgen herabſchweben ſollte, eine kalte Leiche? Oder
ſuchte ſein Auge durch den nebelgrau belegten Him¬
mel nach einem Stern, an den er ſeine Hoffnung
knüpfen wollte?
Es war keine Hoffnung, die noch mit dieſem
Leben liebäugelt; das ſprach ſein umflorter Blick.
Man hatte ihn immer menſchlich, zuletzt mit
chevaleresker Höflichkeit behandelt. Sein Wächter
hatte ihm vorhin eine Cigarre angeboten, mit dem
ſeltſamen Troſt, wie in Spanien, woher er ſie
gebracht, die Sitte fordere, daß der Henker mit
ſeinem Opfer eine Art Friedenspfeife raucht. „Der
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/286>, abgerufen am 24.11.2024.
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