Brust klaffte -- der Reiter sank vom Pferde -- und es ward wieder Nacht -- Im selben Augenblicke schloß das Spiel am Klavier mit einer grellen Dis¬ sonanz, als sprängen die Saiten. -- Der Prinz, blasser als je, trat heraus und winkte mir, ihm zu folgen. Er blieb einsylbig. Als er mich entließ, sprach er dumpf: ""Ich habe meinen Tod gesehen --"" Er hatte gesehen, was ich sah."
"Und?"
"Er fiel am nächsten Tage."
"Und Sie?"
"Ich bin kein Fortepianospieler, der auf den Wellen der Melodieen sein Schicksal beschwört. Und doch, vorhin drückte wieder dieselbe kalte Hand auf meine Stirn, die Wolken theilten sich und ich sah -- ich sah nicht mehr, als ich schon längst gesehen, und ich sehe es wieder --"
Er richtete sich plötzlich auf, er stand aufrecht: "Lachen Sie doch! -- Wenn Sie ein Schüler sind von Voltaire und Diderot, so müssen Sie mich auslachen -- ich sah mich selbst."
"Der Capitain lachte nicht, ihn fröstelte. Er sah eine Patrouille mit einem Ordonanzofficier heran¬ eilen. Er reichte dem Gefangenen die Hand:
"So wünsche ich Ihnen wenigstens Eines -- vor Ihrer letzten Stunde einen letzten Sonnenblick."
Bovillard schüttelte die dargereichte: "Das ist ein guter Wunsch. Das Scheiden von diesem Leben wird mir nicht schwer, ist's doch nur ein Rest,
Bruſt klaffte — der Reiter ſank vom Pferde — und es ward wieder Nacht — Im ſelben Augenblicke ſchloß das Spiel am Klavier mit einer grellen Diſ¬ ſonanz, als ſprängen die Saiten. — Der Prinz, blaſſer als je, trat heraus und winkte mir, ihm zu folgen. Er blieb einſylbig. Als er mich entließ, ſprach er dumpf: „„Ich habe meinen Tod geſehen —““ Er hatte geſehen, was ich ſah.“
„Und?“
„Er fiel am nächſten Tage.“
„Und Sie?“
„Ich bin kein Fortepianoſpieler, der auf den Wellen der Melodieen ſein Schickſal beſchwört. Und doch, vorhin drückte wieder dieſelbe kalte Hand auf meine Stirn, die Wolken theilten ſich und ich ſah — ich ſah nicht mehr, als ich ſchon längſt geſehen, und ich ſehe es wieder —“
Er richtete ſich plötzlich auf, er ſtand aufrecht: „Lachen Sie doch! — Wenn Sie ein Schüler ſind von Voltaire und Diderot, ſo müſſen Sie mich auslachen — ich ſah mich ſelbſt.“
„Der Capitain lachte nicht, ihn fröſtelte. Er ſah eine Patrouille mit einem Ordonanzofficier heran¬ eilen. Er reichte dem Gefangenen die Hand:
„So wünſche ich Ihnen wenigſtens Eines — vor Ihrer letzten Stunde einen letzten Sonnenblick.“
Bovillard ſchüttelte die dargereichte: „Das iſt ein guter Wunſch. Das Scheiden von dieſem Leben wird mir nicht ſchwer, iſt's doch nur ein Reſt,
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Bruſt klaffte — der Reiter ſank vom Pferde — und
es ward wieder Nacht — Im ſelben Augenblicke
ſchloß das Spiel am Klavier mit einer grellen Diſ¬
ſonanz, als ſprängen die Saiten. — Der Prinz,
blaſſer als je, trat heraus und winkte mir, ihm zu
folgen. Er blieb einſylbig. Als er mich entließ,
ſprach er dumpf: „„Ich habe meinen Tod geſehen —““
Er hatte geſehen, was ich ſah.“
„Und?“
„Er fiel am nächſten Tage.“
„Und Sie?“
„Ich bin kein Fortepianoſpieler, der auf den
Wellen der Melodieen ſein Schickſal beſchwört. Und
doch, vorhin drückte wieder dieſelbe kalte Hand auf
meine Stirn, die Wolken theilten ſich und ich ſah —
ich ſah nicht mehr, als ich ſchon längſt geſehen, und
ich ſehe es wieder —“
Er richtete ſich plötzlich auf, er ſtand aufrecht:
„Lachen Sie doch! — Wenn Sie ein Schüler ſind von
Voltaire und Diderot, ſo müſſen Sie mich auslachen
— ich ſah mich ſelbſt.“
„Der Capitain lachte nicht, ihn fröſtelte. Er
ſah eine Patrouille mit einem Ordonanzofficier heran¬
eilen. Er reichte dem Gefangenen die Hand:
„So wünſche ich Ihnen wenigſtens Eines —
vor Ihrer letzten Stunde einen letzten Sonnenblick.“
Bovillard ſchüttelte die dargereichte: „Das iſt
ein guter Wunſch. Das Scheiden von dieſem
Leben wird mir nicht ſchwer, iſt's doch nur ein Reſt,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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