Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

geffen, aber keine Weiber zwischen uns. Die Köni¬
gin muß fort. Sie bringen ihm, Ihrem Vaterlande
den Frieden, junger Mann. Rasch, ohne sich um¬
zusehen, ohne zu athmen, wie der Blitz!"

Das Schlachtroß bäumte sich unter dem Impe¬
rator. Der erste Kanonenschuß tönte dumpf aus der
Tiefe, und in dem Augenblick ging die Sonne auf,
eine unförmliche, blutroth dunstende Kugel, den
Herbstnebel färbend, der nicht weichen wollte. Auch
des Imperators Haupt war einen Augenblick von
ihr angeglüht, der Jubelruf seiner Garden schwellte
in die Luft. In Louis Bovillard rief eine Stimme:
"Dieser Sieger bringt der Welt nicht das Heil, er
bringt ihr den Sieg der Lüge."

Kaum daß der Kaiser fortgesprengt, stand der
schönste andalusische Renner vor der Thür, man hob
ihn hinauf, vornehme Officiere waren dabei geschäf¬
tig, man empfahl ihm dringend Eile, die Richtung,
die er zu halten habe, rechts am linken Saaleufer
fort, damit er aus dem Bereich der scharmutzirenden
Parteigänger komme, dann müsse er nordwestlich nach
der Gegend zwischen Weimar und Auerstädt sich hal¬
ten, rasch direct nach des Königs Hauptquartier.

Der Capitain geleitete ihn wieder bis zu den
äußersten Vorposten. Las er die Fragen und Zwei¬
fel auf der Stirn des Entlassenen? Er flüsterte
ihm zu: "Ein Emissair Napoleons, ein Herr von Mon¬
tesquieu, ist, wie ich eben hörte, von preußischen
Parteigängern gefangen. Ihm könnte das Schicksal

geffen, aber keine Weiber zwiſchen uns. Die Köni¬
gin muß fort. Sie bringen ihm, Ihrem Vaterlande
den Frieden, junger Mann. Raſch, ohne ſich um¬
zuſehen, ohne zu athmen, wie der Blitz!“

Das Schlachtroß bäumte ſich unter dem Impe¬
rator. Der erſte Kanonenſchuß tönte dumpf aus der
Tiefe, und in dem Augenblick ging die Sonne auf,
eine unförmliche, blutroth dunſtende Kugel, den
Herbſtnebel färbend, der nicht weichen wollte. Auch
des Imperators Haupt war einen Augenblick von
ihr angeglüht, der Jubelruf ſeiner Garden ſchwellte
in die Luft. In Louis Bovillard rief eine Stimme:
„Dieſer Sieger bringt der Welt nicht das Heil, er
bringt ihr den Sieg der Lüge.“

Kaum daß der Kaiſer fortgeſprengt, ſtand der
ſchönſte andaluſiſche Renner vor der Thür, man hob
ihn hinauf, vornehme Officiere waren dabei geſchäf¬
tig, man empfahl ihm dringend Eile, die Richtung,
die er zu halten habe, rechts am linken Saaleufer
fort, damit er aus dem Bereich der ſcharmutzirenden
Parteigänger komme, dann müſſe er nordweſtlich nach
der Gegend zwiſchen Weimar und Auerſtädt ſich hal¬
ten, raſch direct nach des Königs Hauptquartier.

Der Capitain geleitete ihn wieder bis zu den
äußerſten Vorpoſten. Las er die Fragen und Zwei¬
fel auf der Stirn des Entlaſſenen? Er flüſterte
ihm zu: „Ein Emiſſair Napoleons, ein Herr von Mon¬
tesquieu, iſt, wie ich eben hörte, von preußiſchen
Parteigängern gefangen. Ihm könnte das Schickſal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0302" n="292"/>
geffen, aber keine Weiber zwi&#x017F;chen uns. Die Köni¬<lb/>
gin muß fort. Sie bringen ihm, Ihrem Vaterlande<lb/>
den Frieden, junger Mann. Ra&#x017F;ch, ohne &#x017F;ich um¬<lb/>
zu&#x017F;ehen, ohne zu athmen, wie der Blitz!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Schlachtroß bäumte &#x017F;ich unter dem Impe¬<lb/>
rator. Der er&#x017F;te Kanonen&#x017F;chuß tönte dumpf aus der<lb/>
Tiefe, und in dem Augenblick ging die Sonne auf,<lb/>
eine unförmliche, blutroth dun&#x017F;tende Kugel, den<lb/>
Herb&#x017F;tnebel färbend, der nicht weichen wollte. Auch<lb/>
des Imperators Haupt war einen Augenblick von<lb/>
ihr angeglüht, der Jubelruf &#x017F;einer Garden &#x017F;chwellte<lb/>
in die Luft. In Louis Bovillard rief eine Stimme:<lb/>
&#x201E;Die&#x017F;er Sieger bringt der Welt nicht das Heil, er<lb/>
bringt ihr den Sieg der Lüge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Kaum daß der Kai&#x017F;er fortge&#x017F;prengt, &#x017F;tand der<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;te andalu&#x017F;i&#x017F;che Renner vor der Thür, man hob<lb/>
ihn hinauf, vornehme Officiere waren dabei ge&#x017F;chäf¬<lb/>
tig, man empfahl ihm dringend Eile, die Richtung,<lb/>
die er zu halten habe, rechts am linken Saaleufer<lb/>
fort, damit er aus dem Bereich der &#x017F;charmutzirenden<lb/>
Parteigänger komme, dann mü&#x017F;&#x017F;e er nordwe&#x017F;tlich nach<lb/>
der Gegend zwi&#x017F;chen Weimar und Auer&#x017F;tädt &#x017F;ich hal¬<lb/>
ten, ra&#x017F;ch direct nach des Königs Hauptquartier.</p><lb/>
        <p>Der Capitain geleitete ihn wieder bis zu den<lb/>
äußer&#x017F;ten Vorpo&#x017F;ten. Las er die Fragen und Zwei¬<lb/>
fel auf der Stirn des Entla&#x017F;&#x017F;enen? Er flü&#x017F;terte<lb/>
ihm zu: &#x201E;Ein Emi&#x017F;&#x017F;air Napoleons, ein Herr von Mon¬<lb/>
tesquieu, i&#x017F;t, wie ich eben hörte, von preußi&#x017F;chen<lb/>
Parteigängern gefangen. Ihm könnte das Schick&#x017F;al<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0302] geffen, aber keine Weiber zwiſchen uns. Die Köni¬ gin muß fort. Sie bringen ihm, Ihrem Vaterlande den Frieden, junger Mann. Raſch, ohne ſich um¬ zuſehen, ohne zu athmen, wie der Blitz!“ Das Schlachtroß bäumte ſich unter dem Impe¬ rator. Der erſte Kanonenſchuß tönte dumpf aus der Tiefe, und in dem Augenblick ging die Sonne auf, eine unförmliche, blutroth dunſtende Kugel, den Herbſtnebel färbend, der nicht weichen wollte. Auch des Imperators Haupt war einen Augenblick von ihr angeglüht, der Jubelruf ſeiner Garden ſchwellte in die Luft. In Louis Bovillard rief eine Stimme: „Dieſer Sieger bringt der Welt nicht das Heil, er bringt ihr den Sieg der Lüge.“ Kaum daß der Kaiſer fortgeſprengt, ſtand der ſchönſte andaluſiſche Renner vor der Thür, man hob ihn hinauf, vornehme Officiere waren dabei geſchäf¬ tig, man empfahl ihm dringend Eile, die Richtung, die er zu halten habe, rechts am linken Saaleufer fort, damit er aus dem Bereich der ſcharmutzirenden Parteigänger komme, dann müſſe er nordweſtlich nach der Gegend zwiſchen Weimar und Auerſtädt ſich hal¬ ten, raſch direct nach des Königs Hauptquartier. Der Capitain geleitete ihn wieder bis zu den äußerſten Vorpoſten. Las er die Fragen und Zwei¬ fel auf der Stirn des Entlaſſenen? Er flüſterte ihm zu: „Ein Emiſſair Napoleons, ein Herr von Mon¬ tesquieu, iſt, wie ich eben hörte, von preußiſchen Parteigängern gefangen. Ihm könnte das Schickſal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/302
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/302>, abgerufen am 21.11.2024.