Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierzehntes Kapitel.
In der Dorfkirche.

Im letzten Dorfe, welches die Königin passirte,
hatten die Relaispferde gefehlt. Der Geistliche hatte
seine Ackerpferde vorgespannt; aber sie waren auch
müde, eben von einer Vorspannfahrt zurückgekehrt.
Die Königin glaubte dem alten Manne die Sorge
um seine Thiere anzusehn; sie hatte sich anfänglich
geweigert sie anzunehmen. Der Prediger hatte er¬
widert: wer weiß, was heute sein ist, ob es morgen
sein bleibt! Wer es hingiebt zu einem guten Werke,
hat doch das Bewußtsein hinter sich.

Es war noch keine Flucht; die Monarchin hatte
endlich, von den tausend Stimmen, die laut und lau¬
ter gegen ihre Anwesenheit beim Heere sich ausspra¬
chen, gedrängt, das Hauptquartier verlassen; sie wollte
über Naumburg nach ihrem geliebten Magdeburg zu¬
rück. Es war ein herzzerreißender Abschied gewesen
von dem Gemahl -- der Schatten einer Leiche schwebte
schon über die Umarmung. Ihr schwarzes Kleid galt der
blutigen Erinnerung an den Prinzen Louis Ferdinand.

Vierzehntes Kapitel.
In der Dorfkirche.

Im letzten Dorfe, welches die Königin paſſirte,
hatten die Relaispferde gefehlt. Der Geiſtliche hatte
ſeine Ackerpferde vorgeſpannt; aber ſie waren auch
müde, eben von einer Vorſpannfahrt zurückgekehrt.
Die Königin glaubte dem alten Manne die Sorge
um ſeine Thiere anzuſehn; ſie hatte ſich anfänglich
geweigert ſie anzunehmen. Der Prediger hatte er¬
widert: wer weiß, was heute ſein iſt, ob es morgen
ſein bleibt! Wer es hingiebt zu einem guten Werke,
hat doch das Bewußtſein hinter ſich.

Es war noch keine Flucht; die Monarchin hatte
endlich, von den tauſend Stimmen, die laut und lau¬
ter gegen ihre Anweſenheit beim Heere ſich ausſpra¬
chen, gedrängt, das Hauptquartier verlaſſen; ſie wollte
über Naumburg nach ihrem geliebten Magdeburg zu¬
rück. Es war ein herzzerreißender Abſchied geweſen
von dem Gemahl — der Schatten einer Leiche ſchwebte
ſchon über die Umarmung. Ihr ſchwarzes Kleid galt der
blutigen Erinnerung an den Prinzen Louis Ferdinand.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0305" n="[295]"/>
      <div n="1">
        <head>Vierzehntes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">In der Dorfkirche.</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Im letzten Dorfe, welches die Königin pa&#x017F;&#x017F;irte,<lb/>
hatten die Relaispferde gefehlt. Der Gei&#x017F;tliche hatte<lb/>
&#x017F;eine Ackerpferde vorge&#x017F;pannt; aber &#x017F;ie waren auch<lb/>
müde, eben von einer Vor&#x017F;pannfahrt zurückgekehrt.<lb/>
Die Königin glaubte dem alten Manne die Sorge<lb/>
um &#x017F;eine Thiere anzu&#x017F;ehn; &#x017F;ie hatte &#x017F;ich anfänglich<lb/>
geweigert &#x017F;ie anzunehmen. Der Prediger hatte er¬<lb/>
widert: wer weiß, was heute &#x017F;ein i&#x017F;t, ob es morgen<lb/>
&#x017F;ein bleibt! Wer es hingiebt zu einem guten Werke,<lb/>
hat doch das Bewußt&#x017F;ein hinter &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Es war noch keine Flucht; die Monarchin hatte<lb/>
endlich, von den tau&#x017F;end Stimmen, die laut und lau¬<lb/>
ter gegen ihre Anwe&#x017F;enheit beim Heere &#x017F;ich aus&#x017F;pra¬<lb/>
chen, gedrängt, das Hauptquartier verla&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;ie wollte<lb/>
über Naumburg nach ihrem geliebten Magdeburg zu¬<lb/>
rück. Es war ein herzzerreißender Ab&#x017F;chied gewe&#x017F;en<lb/>
von dem Gemahl &#x2014; der Schatten einer Leiche &#x017F;chwebte<lb/>
&#x017F;chon über die Umarmung. Ihr &#x017F;chwarzes Kleid galt der<lb/>
blutigen Erinnerung an den Prinzen Louis Ferdinand.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[295]/0305] Vierzehntes Kapitel. In der Dorfkirche. Im letzten Dorfe, welches die Königin paſſirte, hatten die Relaispferde gefehlt. Der Geiſtliche hatte ſeine Ackerpferde vorgeſpannt; aber ſie waren auch müde, eben von einer Vorſpannfahrt zurückgekehrt. Die Königin glaubte dem alten Manne die Sorge um ſeine Thiere anzuſehn; ſie hatte ſich anfänglich geweigert ſie anzunehmen. Der Prediger hatte er¬ widert: wer weiß, was heute ſein iſt, ob es morgen ſein bleibt! Wer es hingiebt zu einem guten Werke, hat doch das Bewußtſein hinter ſich. Es war noch keine Flucht; die Monarchin hatte endlich, von den tauſend Stimmen, die laut und lau¬ ter gegen ihre Anweſenheit beim Heere ſich ausſpra¬ chen, gedrängt, das Hauptquartier verlaſſen; ſie wollte über Naumburg nach ihrem geliebten Magdeburg zu¬ rück. Es war ein herzzerreißender Abſchied geweſen von dem Gemahl — der Schatten einer Leiche ſchwebte ſchon über die Umarmung. Ihr ſchwarzes Kleid galt der blutigen Erinnerung an den Prinzen Louis Ferdinand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/305
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. [295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/305>, abgerufen am 22.11.2024.