alte Krieger Worte vor: "Fluch -- über die Verräther! -- Diese Sykophanten an Friedrichs Thron, die sein Volk nichts achteten -- sie werden die ersten sein-- die ihm die Füße lecken, dem neuen Herrn -- Stem¬ pelt diesen, zeichnet ihn, daß man ihn wieder erkennt, -- er wird die fremde Livree tragen. -- O fort, -- hinaus, die Luft hier erstickt."
Rittgartens Stock hatte den Minister nicht ge¬ troffen, aber sein Blick und Wort. Er war ver¬ schwunden, in der nächsten Stunde auch aus Berlin. Die Prophezeiung des Sterbenden ging in Erfüllung. Der Minister -- aber er nicht allein -- ließ wenig Monate darauf sich ein neues bordirtes Galakleid anmessen; er antichambrirte im Ministerrock des Königs von Westphalen, so stolz und aufrecht, die Brust so reich geschmückt, und er sah so gnädig und herablassend auf Niedere, als damals, wo er nichts war und sein wollte, als ein treuer Diener seines Herrn, des Königs von Preußen. Kleider machen Leute, sagt das Sprüchwort, aber nicht auf Alle paßt es, denn in der Politik giebt es Männer, für die alle Kleider passen.
Ein Sterbender war der Major Rittgarten. Er athmete draußen noch ein Mal die freie Luft, er schien Eisenhauch zu erkennen, er erschrak nicht. Der führte ihn, den er einst auf Tod und Leben gefor¬ dert. Ein Anderer hatte die Loose geworfen, eine andre Hand die Kugel abgedrückt. Aber da lief ein Mann mit Pinsel und Zettel heran und klatschte ein
alte Krieger Worte vor: „Fluch — über die Verräther! — Dieſe Sykophanten an Friedrichs Thron, die ſein Volk nichts achteten — ſie werden die erſten ſein— die ihm die Füße lecken, dem neuen Herrn — Stem¬ pelt dieſen, zeichnet ihn, daß man ihn wieder erkennt, — er wird die fremde Livrée tragen. — O fort, — hinaus, die Luft hier erſtickt.“
Rittgartens Stock hatte den Miniſter nicht ge¬ troffen, aber ſein Blick und Wort. Er war ver¬ ſchwunden, in der nächſten Stunde auch aus Berlin. Die Prophezeiung des Sterbenden ging in Erfüllung. Der Miniſter — aber er nicht allein — ließ wenig Monate darauf ſich ein neues bordirtes Galakleid anmeſſen; er antichambrirte im Miniſterrock des Königs von Weſtphalen, ſo ſtolz und aufrecht, die Bruſt ſo reich geſchmückt, und er ſah ſo gnädig und herablaſſend auf Niedere, als damals, wo er nichts war und ſein wollte, als ein treuer Diener ſeines Herrn, des Königs von Preußen. Kleider machen Leute, ſagt das Sprüchwort, aber nicht auf Alle paßt es, denn in der Politik giebt es Männer, für die alle Kleider paſſen.
Ein Sterbender war der Major Rittgarten. Er athmete draußen noch ein Mal die freie Luft, er ſchien Eiſenhauch zu erkennen, er erſchrak nicht. Der führte ihn, den er einſt auf Tod und Leben gefor¬ dert. Ein Anderer hatte die Looſe geworfen, eine andre Hand die Kugel abgedrückt. Aber da lief ein Mann mit Pinſel und Zettel heran und klatſchte ein
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alte Krieger Worte vor: „Fluch — über die Verräther!
— Dieſe Sykophanten an Friedrichs Thron, die ſein
Volk nichts achteten — ſie werden die erſten ſein—
die ihm die Füße lecken, dem neuen Herrn — Stem¬
pelt dieſen, zeichnet ihn, daß man ihn wieder erkennt,
— er wird die fremde Livrée tragen. — O fort, —
hinaus, die Luft hier erſtickt.“
Rittgartens Stock hatte den Miniſter nicht ge¬
troffen, aber ſein Blick und Wort. Er war ver¬
ſchwunden, in der nächſten Stunde auch aus Berlin.
Die Prophezeiung des Sterbenden ging in Erfüllung.
Der Miniſter — aber er nicht allein — ließ wenig
Monate darauf ſich ein neues bordirtes Galakleid
anmeſſen; er antichambrirte im Miniſterrock des
Königs von Weſtphalen, ſo ſtolz und aufrecht, die
Bruſt ſo reich geſchmückt, und er ſah ſo gnädig und
herablaſſend auf Niedere, als damals, wo er nichts
war und ſein wollte, als ein treuer Diener ſeines
Herrn, des Königs von Preußen. Kleider machen
Leute, ſagt das Sprüchwort, aber nicht auf Alle
paßt es, denn in der Politik giebt es Männer, für
die alle Kleider paſſen.
Ein Sterbender war der Major Rittgarten. Er
athmete draußen noch ein Mal die freie Luft, er
ſchien Eiſenhauch zu erkennen, er erſchrak nicht. Der
führte ihn, den er einſt auf Tod und Leben gefor¬
dert. Ein Anderer hatte die Looſe geworfen, eine
andre Hand die Kugel abgedrückt. Aber da lief ein
Mann mit Pinſel und Zettel heran und klatſchte ein
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/366>, abgerufen am 24.11.2024.
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