Miene annahm, auf die Königin Louise zu lenken. Als warmer Lobredner der erhabenen Tugenden seiner Monarchin habe er versucht, die böse Meinung oder den bösen Willen des Kaisers zu beschämen. -- Darüber ruht ein Schleier, den Niemand lüften wird. Nach der Rückkehr des Königspaares nach Berlin überreichte die Königin selbst Erman die Decoration, welche der König ihm verliehen, mit der Anrede: Mon chevalier!
Der vor Kurzem verstorbene Sohn jenes alten Erman, der auch wieder der alte Erman genannt ward, der berühmte Professor und Chemiker, schrieb in einem Briefe an eine Verwandte zur Zeit der Mobilmachung im Herbste 1850: "Ich denke jetzt oft an die Worte, die Napoleon an meinen Vater richtete: Votre reine m'a fait une guerre de petite fille et de petit garcon. Schon sieben Jahre später waren die Kinder der Knaben zu den Männern der Katzbach und von Leipzig erwachsen!
Eine andere Deputation berief später der zürnende Kaiser nach Paris. Es waren Männer des Gerichts, eines hohen Tribunals, das gewagt, ein Urtheil zu fällen, welches dem Gewaltigen nicht gefiel. Sie hatten Einen, der von Paris aus verfolgt ward, freigesprochen, und Napoleon wollte ihn verurtheilt wissen. Napoleon donnerte sie an und schloß mit der Drohung, wenn der Fall wieder vorkäme: "Je vous fusillerai!" Der Präsident des Tribunals er¬ widerte dem Imperator: "Sire, vous fusillerez la
Miene annahm, auf die Königin Louiſe zu lenken. Als warmer Lobredner der erhabenen Tugenden ſeiner Monarchin habe er verſucht, die böſe Meinung oder den böſen Willen des Kaiſers zu beſchämen. — Darüber ruht ein Schleier, den Niemand lüften wird. Nach der Rückkehr des Königspaares nach Berlin überreichte die Königin ſelbſt Erman die Decoration, welche der König ihm verliehen, mit der Anrede: Mon chevalier!
Der vor Kurzem verſtorbene Sohn jenes alten Erman, der auch wieder der alte Erman genannt ward, der berühmte Profeſſor und Chemiker, ſchrieb in einem Briefe an eine Verwandte zur Zeit der Mobilmachung im Herbſte 1850: „Ich denke jetzt oft an die Worte, die Napoleon an meinen Vater richtete: Votre reine m'a fait une guerre de petite fille et de petit garçon. Schon ſieben Jahre ſpäter waren die Kinder der Knaben zu den Männern der Katzbach und von Leipzig erwachſen!
Eine andere Deputation berief ſpäter der zürnende Kaiſer nach Paris. Es waren Männer des Gerichts, eines hohen Tribunals, das gewagt, ein Urtheil zu fällen, welches dem Gewaltigen nicht gefiel. Sie hatten Einen, der von Paris aus verfolgt ward, freigeſprochen, und Napoleon wollte ihn verurtheilt wiſſen. Napoleon donnerte ſie an und ſchloß mit der Drohung, wenn der Fall wieder vorkäme: „Je vous fusillerai!“ Der Präſident des Tribunals er¬ widerte dem Imperator: „Sire, vous fusillerez la
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Miene annahm, auf die Königin Louiſe zu lenken.
Als warmer Lobredner der erhabenen Tugenden ſeiner
Monarchin habe er verſucht, die böſe Meinung oder
den böſen Willen des Kaiſers zu beſchämen. —
Darüber ruht ein Schleier, den Niemand lüften wird.
Nach der Rückkehr des Königspaares nach Berlin
überreichte die Königin ſelbſt Erman die Decoration,
welche der König ihm verliehen, mit der Anrede:
Mon chevalier!
Der vor Kurzem verſtorbene Sohn jenes alten
Erman, der auch wieder der alte Erman genannt
ward, der berühmte Profeſſor und Chemiker, ſchrieb
in einem Briefe an eine Verwandte zur Zeit der
Mobilmachung im Herbſte 1850: „Ich denke jetzt oft
an die Worte, die Napoleon an meinen Vater richtete:
Votre reine m'a fait une guerre de petite fille et
de petit garçon. Schon ſieben Jahre ſpäter waren
die Kinder der Knaben zu den Männern der Katzbach
und von Leipzig erwachſen!
Eine andere Deputation berief ſpäter der zürnende
Kaiſer nach Paris. Es waren Männer des Gerichts,
eines hohen Tribunals, das gewagt, ein Urtheil zu
fällen, welches dem Gewaltigen nicht gefiel. Sie
hatten Einen, der von Paris aus verfolgt ward,
freigeſprochen, und Napoleon wollte ihn verurtheilt
wiſſen. Napoleon donnerte ſie an und ſchloß mit
der Drohung, wenn der Fall wieder vorkäme: „Je
vous fusillerai!“ Der Präſident des Tribunals er¬
widerte dem Imperator: „Sire, vous fusillerez la
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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