nur die Wenigsten hörten, aber Beider Augen ver¬ riethen den Sinn. Mit dem gnädigsten Nicken war sie vorüber geschwebt.
Die Scene hatte sich im Augenblick verwandelt. Die moquanten Mienen von vorhin waren zu langen Gesichtern geworden. Das junge Mädchen war noch eben als ein Eindringling in diese Kreise betrachtet und gemieden worden; fast isolirt hatte sie neben der Eitelbach gesessen, kein Tänzer sich ihr genaht. Welche Urtheile waren hinter ihrem Rücken gefällt worden! Ach, selbst ihre Jugendgeschichte hatte man hervor¬ gezogen. -- Ist das die! hatten zwei Hofdamen sich erschreckt angeblickt, mit dem Versuch, über die Er¬ innerung zu erröthen, der indeß unter dem dicken Karmin erstickt war. Einige begriffen nicht, was denn den Ruf ihrer Schönheit gemacht. Andre hat¬ ten gemeint, es komme eben nur auf den Ruf an, und in wie viel Häusern sie gewesen: und nirgend aus¬ gehalten! Da war es doch klar, daß sie selbst daran schuld sei. Einige hatten sich gewundert, Andere es schon choquant gefunden, daß man sie diesen Cirkeln aufdringe. -- Man muß eine russische Fürstin sein, um sich das erlauben zu dürfen! -- Aber bei der Fürstin muß sie wohl auch schon auf der Kippe stehen, sonst würde sie ihren Schützling nicht von der Eitelbach chaperon¬ niren lassen. Was läßt sich die gute Baronin nicht auf¬ binden! -- Eine Zuhörerin konnte schon fragen, ob denn Adelheid schon aus dem Hause ihrer Eltern verstoßen ge¬ wesen, als sie in dem der Obristin eine Zuflucht gesucht.
3*
nur die Wenigſten hörten, aber Beider Augen ver¬ riethen den Sinn. Mit dem gnädigſten Nicken war ſie vorüber geſchwebt.
Die Scene hatte ſich im Augenblick verwandelt. Die moquanten Mienen von vorhin waren zu langen Geſichtern geworden. Das junge Mädchen war noch eben als ein Eindringling in dieſe Kreiſe betrachtet und gemieden worden; faſt iſolirt hatte ſie neben der Eitelbach geſeſſen, kein Tänzer ſich ihr genaht. Welche Urtheile waren hinter ihrem Rücken gefällt worden! Ach, ſelbſt ihre Jugendgeſchichte hatte man hervor¬ gezogen. — Iſt das die! hatten zwei Hofdamen ſich erſchreckt angeblickt, mit dem Verſuch, über die Er¬ innerung zu erröthen, der indeß unter dem dicken Karmin erſtickt war. Einige begriffen nicht, was denn den Ruf ihrer Schönheit gemacht. Andre hat¬ ten gemeint, es komme eben nur auf den Ruf an, und in wie viel Häuſern ſie geweſen: und nirgend aus¬ gehalten! Da war es doch klar, daß ſie ſelbſt daran ſchuld ſei. Einige hatten ſich gewundert, Andere es ſchon choquant gefunden, daß man ſie dieſen Cirkeln aufdringe. — Man muß eine ruſſiſche Fürſtin ſein, um ſich das erlauben zu dürfen! — Aber bei der Fürſtin muß ſie wohl auch ſchon auf der Kippe ſtehen, ſonſt würde ſie ihren Schützling nicht von der Eitelbach chaperon¬ niren laſſen. Was läßt ſich die gute Baronin nicht auf¬ binden! — Eine Zuhörerin konnte ſchon fragen, ob denn Adelheid ſchon aus dem Hauſe ihrer Eltern verſtoßen ge¬ weſen, als ſie in dem der Obriſtin eine Zuflucht geſucht.
3*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0045"n="35"/>
nur die Wenigſten hörten, aber Beider Augen ver¬<lb/>
riethen den Sinn. Mit dem gnädigſten Nicken war<lb/>ſie vorüber geſchwebt.</p><lb/><p>Die Scene hatte ſich im Augenblick verwandelt.<lb/>
Die moquanten Mienen von vorhin waren zu langen<lb/>
Geſichtern geworden. Das junge Mädchen war noch<lb/>
eben als ein Eindringling in dieſe Kreiſe betrachtet<lb/>
und gemieden worden; faſt iſolirt hatte ſie neben der<lb/>
Eitelbach geſeſſen, kein Tänzer ſich ihr genaht. Welche<lb/>
Urtheile waren hinter ihrem Rücken gefällt worden!<lb/>
Ach, ſelbſt ihre Jugendgeſchichte hatte man hervor¬<lb/>
gezogen. — Iſt das <hirendition="#g">die</hi>! hatten zwei Hofdamen ſich<lb/>
erſchreckt angeblickt, mit dem Verſuch, über die Er¬<lb/>
innerung zu erröthen, der indeß unter dem dicken<lb/>
Karmin erſtickt war. Einige begriffen nicht, was<lb/>
denn den Ruf ihrer Schönheit gemacht. Andre hat¬<lb/>
ten gemeint, es komme eben nur auf den Ruf an,<lb/>
und in wie viel Häuſern ſie geweſen: und nirgend aus¬<lb/>
gehalten! Da war es doch klar, daß ſie ſelbſt daran<lb/>ſchuld ſei. Einige hatten ſich gewundert, Andere es<lb/>ſchon choquant gefunden, daß man ſie dieſen Cirkeln<lb/>
aufdringe. — Man muß eine ruſſiſche Fürſtin ſein,<lb/>
um ſich das erlauben zu dürfen! — Aber bei der Fürſtin<lb/>
muß ſie wohl auch ſchon auf der Kippe ſtehen, ſonſt würde<lb/>ſie ihren Schützling nicht von der Eitelbach chaperon¬<lb/>
niren laſſen. Was läßt ſich die gute Baronin nicht auf¬<lb/>
binden! — Eine Zuhörerin konnte ſchon fragen, ob denn<lb/>
Adelheid ſchon aus dem Hauſe ihrer Eltern verſtoßen ge¬<lb/>
weſen, als ſie in dem der Obriſtin eine Zuflucht geſucht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">3*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[35/0045]
nur die Wenigſten hörten, aber Beider Augen ver¬
riethen den Sinn. Mit dem gnädigſten Nicken war
ſie vorüber geſchwebt.
Die Scene hatte ſich im Augenblick verwandelt.
Die moquanten Mienen von vorhin waren zu langen
Geſichtern geworden. Das junge Mädchen war noch
eben als ein Eindringling in dieſe Kreiſe betrachtet
und gemieden worden; faſt iſolirt hatte ſie neben der
Eitelbach geſeſſen, kein Tänzer ſich ihr genaht. Welche
Urtheile waren hinter ihrem Rücken gefällt worden!
Ach, ſelbſt ihre Jugendgeſchichte hatte man hervor¬
gezogen. — Iſt das die! hatten zwei Hofdamen ſich
erſchreckt angeblickt, mit dem Verſuch, über die Er¬
innerung zu erröthen, der indeß unter dem dicken
Karmin erſtickt war. Einige begriffen nicht, was
denn den Ruf ihrer Schönheit gemacht. Andre hat¬
ten gemeint, es komme eben nur auf den Ruf an,
und in wie viel Häuſern ſie geweſen: und nirgend aus¬
gehalten! Da war es doch klar, daß ſie ſelbſt daran
ſchuld ſei. Einige hatten ſich gewundert, Andere es
ſchon choquant gefunden, daß man ſie dieſen Cirkeln
aufdringe. — Man muß eine ruſſiſche Fürſtin ſein,
um ſich das erlauben zu dürfen! — Aber bei der Fürſtin
muß ſie wohl auch ſchon auf der Kippe ſtehen, ſonſt würde
ſie ihren Schützling nicht von der Eitelbach chaperon¬
niren laſſen. Was läßt ſich die gute Baronin nicht auf¬
binden! — Eine Zuhörerin konnte ſchon fragen, ob denn
Adelheid ſchon aus dem Hauſe ihrer Eltern verſtoßen ge¬
weſen, als ſie in dem der Obriſtin eine Zuflucht geſucht.
3*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/45>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.