nicht von dem Schatzgräber, der niemals reich ward, weil er alles gefundene Gold als Messing verkaufte?" Es mußte also doch eine Verstimmung, wenigstens eine Gleichgültigkeit zwischen der Prinzessin und ihrer Pflegetochter eingetreten sein. "Sie haben sich gut amüsirt? Das freut mich, sagte sie beim Einsteigen in den Wagen. Die Königin wird Sie rufen lassen. Ich weiß nicht, was Ihre Majestät mit Ihnen beab¬ sichtigt, ich empfehle Ihnen auch nicht, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß ist, denn Sie sind ein Sonntagskind, und es fügt sich Alles anders, als man es dachte. Der Hof sagt, Ihr Glück ist gemacht, die Stadt wird es nachplaudern, ich warne Sie auch nicht vor dem Neide -- ich schaudre nur vor dem, was die Menschen Glück nennen. Der große Schil¬ ler hat ein schönes Gedicht geschrieben, aber sein glücklicher Polykrates war doch ein Thor. Warum warf er den Ring in's Meer, dessen Anschauen ihm täglich Freude machte? Das Verhängniß wandte er nicht ab, wer aber brachte ihm die verlornen Augen¬ blicke zurück, als der Schimmer des Diamanten ihn entzückt!"
Drei Tage lang sprach man am Hofe, sieben in der Stadt, nur von der schönen Adelheid. Dann waren andre Gegenstände gekommen. Die Königin hatte sie nicht rufen lassen, die Königin hatte an Anderes zu denken. Die Fürstin mochte auch an Anderes denken, sie sagte nichts, aber wenn sie Adel¬ heid sah, schien ihr lächelnder Blick zu sprechen:
nicht von dem Schatzgräber, der niemals reich ward, weil er alles gefundene Gold als Meſſing verkaufte?“ Es mußte alſo doch eine Verſtimmung, wenigſtens eine Gleichgültigkeit zwiſchen der Prinzeſſin und ihrer Pflegetochter eingetreten ſein. „Sie haben ſich gut amüſirt? Das freut mich, ſagte ſie beim Einſteigen in den Wagen. Die Königin wird Sie rufen laſſen. Ich weiß nicht, was Ihre Majeſtät mit Ihnen beab¬ ſichtigt, ich empfehle Ihnen auch nicht, das Eiſen zu ſchmieden, ſo lange es heiß iſt, denn Sie ſind ein Sonntagskind, und es fügt ſich Alles anders, als man es dachte. Der Hof ſagt, Ihr Glück iſt gemacht, die Stadt wird es nachplaudern, ich warne Sie auch nicht vor dem Neide — ich ſchaudre nur vor dem, was die Menſchen Glück nennen. Der große Schil¬ ler hat ein ſchönes Gedicht geſchrieben, aber ſein glücklicher Polykrates war doch ein Thor. Warum warf er den Ring in's Meer, deſſen Anſchauen ihm täglich Freude machte? Das Verhängniß wandte er nicht ab, wer aber brachte ihm die verlornen Augen¬ blicke zurück, als der Schimmer des Diamanten ihn entzückt!“
Drei Tage lang ſprach man am Hofe, ſieben in der Stadt, nur von der ſchönen Adelheid. Dann waren andre Gegenſtände gekommen. Die Königin hatte ſie nicht rufen laſſen, die Königin hatte an Anderes zu denken. Die Fürſtin mochte auch an Anderes denken, ſie ſagte nichts, aber wenn ſie Adel¬ heid ſah, ſchien ihr lächelnder Blick zu ſprechen:
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nicht von dem Schatzgräber, der niemals reich ward,
weil er alles gefundene Gold als Meſſing verkaufte?“
Es mußte alſo doch eine Verſtimmung, wenigſtens
eine Gleichgültigkeit zwiſchen der Prinzeſſin und ihrer
Pflegetochter eingetreten ſein. „Sie haben ſich gut
amüſirt? Das freut mich, ſagte ſie beim Einſteigen
in den Wagen. Die Königin wird Sie rufen laſſen.
Ich weiß nicht, was Ihre Majeſtät mit Ihnen beab¬
ſichtigt, ich empfehle Ihnen auch nicht, das Eiſen zu
ſchmieden, ſo lange es heiß iſt, denn Sie ſind ein
Sonntagskind, und es fügt ſich Alles anders, als
man es dachte. Der Hof ſagt, Ihr Glück iſt gemacht,
die Stadt wird es nachplaudern, ich warne Sie auch
nicht vor dem Neide — ich ſchaudre nur vor dem,
was die Menſchen Glück nennen. Der große Schil¬
ler hat ein ſchönes Gedicht geſchrieben, aber ſein
glücklicher Polykrates war doch ein Thor. Warum
warf er den Ring in's Meer, deſſen Anſchauen ihm
täglich Freude machte? Das Verhängniß wandte er
nicht ab, wer aber brachte ihm die verlornen Augen¬
blicke zurück, als der Schimmer des Diamanten ihn
entzückt!“
Drei Tage lang ſprach man am Hofe, ſieben in
der Stadt, nur von der ſchönen Adelheid. Dann
waren andre Gegenſtände gekommen. Die Königin
hatte ſie nicht rufen laſſen, die Königin hatte an
Anderes zu denken. Die Fürſtin mochte auch an
Anderes denken, ſie ſagte nichts, aber wenn ſie Adel¬
heid ſah, ſchien ihr lächelnder Blick zu ſprechen:
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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