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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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"Wahrscheinlich auch die folgende Charakteristik:
""Physisch und moralisch gleich gelähmt und abge¬
stumpft. Seine Kenntnisse französische Schöngeisterei.
Ernsthafte Wissenschaften haben diesen frivolen Men¬
schen nie beschäftigt, frühzeitige Theilnahme an den
Orgien der Rietzischen Familie sein moralisches Ge¬
fühl erstickt."" Soll das auch bleiben?"

"Weiter!"

""In den unreinen und schwachen Händen eines
französischen Dichterlings von niederer Herkunft, eines
Roues, der seine Zeit im Umgang mit leeren Men¬
schen, mit Spiel und Polissonnerieen vergeudet, ist die
Leitung der diplomatischen Verhältnisse, und in einer
Periode, die in der neuern Staatengeschichte nicht
ihres Gleichen findet."" Auch das?"

"Ist's nicht wahr?"

"Aber wozu der Vorwurf niederer Herkunft?"

"Das verstehn Sie nicht. Der Minister war
aufgesprungen. Brüstet er sich nicht selbst bei jeder
Gelegenheit, daß er der Sohn eines Perrückenmachers
ist! Ein Scandal! eine Verworfenheit ohne Gleichen.
-- Ja, wenn sie den Adel nicht systematisch zu La¬
quaien depravirt hätten, es stände anders. -- Ihnen
geschieht recht. -- Laß sie an der Frucht ihrer Schuld
nagen."

"Das folgende, persönlich gegen den Minister Ge¬
richtete ist schon so oft gesagt --"

"Kann aber nicht oft genug wiederholt werden."

Walter las mit Zaudern: ""Sein Leben eine

„Wahrſcheinlich auch die folgende Charakteriſtik:
„„Phyſiſch und moraliſch gleich gelähmt und abge¬
ſtumpft. Seine Kenntniſſe franzöſiſche Schöngeiſterei.
Ernſthafte Wiſſenſchaften haben dieſen frivolen Men¬
ſchen nie beſchäftigt, frühzeitige Theilnahme an den
Orgien der Rietziſchen Familie ſein moraliſches Ge¬
fühl erſtickt.““ Soll das auch bleiben?“

„Weiter!“

„„In den unreinen und ſchwachen Händen eines
franzöſiſchen Dichterlings von niederer Herkunft, eines
Roués, der ſeine Zeit im Umgang mit leeren Men¬
ſchen, mit Spiel und Poliſſonnerieen vergeudet, iſt die
Leitung der diplomatiſchen Verhältniſſe, und in einer
Periode, die in der neuern Staatengeſchichte nicht
ihres Gleichen findet.““ Auch das?“

„Iſt's nicht wahr?“

„Aber wozu der Vorwurf niederer Herkunft?“

„Das verſtehn Sie nicht. Der Miniſter war
aufgeſprungen. Brüſtet er ſich nicht ſelbſt bei jeder
Gelegenheit, daß er der Sohn eines Perrückenmachers
iſt! Ein Scandal! eine Verworfenheit ohne Gleichen.
— Ja, wenn ſie den Adel nicht ſyſtematiſch zu La¬
quaien depravirt hätten, es ſtände anders. — Ihnen
geſchieht recht. — Laß ſie an der Frucht ihrer Schuld
nagen.“

„Das folgende, perſönlich gegen den Miniſter Ge¬
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[43/0053] „Wahrſcheinlich auch die folgende Charakteriſtik: „„Phyſiſch und moraliſch gleich gelähmt und abge¬ ſtumpft. Seine Kenntniſſe franzöſiſche Schöngeiſterei. Ernſthafte Wiſſenſchaften haben dieſen frivolen Men¬ ſchen nie beſchäftigt, frühzeitige Theilnahme an den Orgien der Rietziſchen Familie ſein moraliſches Ge¬ fühl erſtickt.““ Soll das auch bleiben?“ „Weiter!“ „„In den unreinen und ſchwachen Händen eines franzöſiſchen Dichterlings von niederer Herkunft, eines Roués, der ſeine Zeit im Umgang mit leeren Men¬ ſchen, mit Spiel und Poliſſonnerieen vergeudet, iſt die Leitung der diplomatiſchen Verhältniſſe, und in einer Periode, die in der neuern Staatengeſchichte nicht ihres Gleichen findet.““ Auch das?“ „Iſt's nicht wahr?“ „Aber wozu der Vorwurf niederer Herkunft?“ „Das verſtehn Sie nicht. Der Miniſter war aufgeſprungen. Brüſtet er ſich nicht ſelbſt bei jeder Gelegenheit, daß er der Sohn eines Perrückenmachers iſt! Ein Scandal! eine Verworfenheit ohne Gleichen. — Ja, wenn ſie den Adel nicht ſyſtematiſch zu La¬ quaien depravirt hätten, es ſtände anders. — Ihnen geſchieht recht. — Laß ſie an der Frucht ihrer Schuld nagen.“ „Das folgende, perſönlich gegen den Miniſter Ge¬ richtete iſt ſchon ſo oft geſagt —“ „Kann aber nicht oft genug wiederholt werden.“ Walter las mit Zaudern: „„Sein Leben eine

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/53>, abgerufen am 23.11.2024.