Gast. Auch Andere, die an ihr vorüber streiften, be¬ klagten die schöne Hand. "Es wird aber gewiß nichts auf sich haben." Wußte denn Jeder nicht nur die Thatsache, sondern schon das Mährchen, was sie sich künstlich zurecht gelegt, um die Wahrheit verber¬ gen zu dürfen? -- Von wem hatten sie's erfahren? -- Gott sei Dank, daß sie wenigstens das nicht ge¬ hört, von dem nichts wußten, was -- es war das erste Geheimniß, was sie unter ihrer pochenden Brust verbarg. Die Brust blutete vielleicht heftiger als die Hand.
In solchen Stimmungen kann eine große Ge¬ sellschaft, wo Keiner Zeit und Raum hat auf den An¬ dern Acht zu geben, zur Wohlthat für ein geängstetes Gemüth werden. Ein Hofmann hätte es eine ge¬ mischte genannt, sie bestand mehr aus den Optimaten des Reichthums als der Geburt. Der Reichthum hing von den Decken als Kronenleuchter, Armleuch¬ ter, Festons, Seiden- und Damastgardinen; er lastete in den Aufsätzen der Nischen und Ecktische, in den Teppichen auf dem Boden, vor allem auf und an der Wirthin. Zum Schildern ist nicht mehr Zeit. Die Juwelen, Ketten, Ringe, Aufsätze, die Madame Braunbiegler vom Wirbel bis zum Gürtel, von den Schultern bis zu den Fingerspitzen trug, waren in Berlin sprüchwörtlich. Reichthum, überall, wohin man sah, nicht ausgebreitet, sondern aufgeschichtet, lastend, prahlerisch, ohne Geschmack. In solchen Kreisen pflegt die Unterhaltung der Lebendigen, Hauch,
Gaſt. Auch Andere, die an ihr vorüber ſtreiften, be¬ klagten die ſchöne Hand. „Es wird aber gewiß nichts auf ſich haben.“ Wußte denn Jeder nicht nur die Thatſache, ſondern ſchon das Mährchen, was ſie ſich künſtlich zurecht gelegt, um die Wahrheit verber¬ gen zu dürfen? — Von wem hatten ſie's erfahren? — Gott ſei Dank, daß ſie wenigſtens das nicht ge¬ hört, von dem nichts wußten, was — es war das erſte Geheimniß, was ſie unter ihrer pochenden Bruſt verbarg. Die Bruſt blutete vielleicht heftiger als die Hand.
In ſolchen Stimmungen kann eine große Ge¬ ſellſchaft, wo Keiner Zeit und Raum hat auf den An¬ dern Acht zu geben, zur Wohlthat für ein geängſtetes Gemüth werden. Ein Hofmann hätte es eine ge¬ miſchte genannt, ſie beſtand mehr aus den Optimaten des Reichthums als der Geburt. Der Reichthum hing von den Decken als Kronenleuchter, Armleuch¬ ter, Feſtons, Seiden- und Damaſtgardinen; er laſtete in den Aufſätzen der Niſchen und Ecktiſche, in den Teppichen auf dem Boden, vor allem auf und an der Wirthin. Zum Schildern iſt nicht mehr Zeit. Die Juwelen, Ketten, Ringe, Aufſätze, die Madame Braunbiegler vom Wirbel bis zum Gürtel, von den Schultern bis zu den Fingerſpitzen trug, waren in Berlin ſprüchwörtlich. Reichthum, überall, wohin man ſah, nicht ausgebreitet, ſondern aufgeſchichtet, laſtend, prahleriſch, ohne Geſchmack. In ſolchen Kreiſen pflegt die Unterhaltung der Lebendigen, Hauch,
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Gaſt. Auch Andere, die an ihr vorüber ſtreiften, be¬
klagten die ſchöne Hand. „Es wird aber gewiß nichts
auf ſich haben.“ Wußte denn Jeder nicht nur die
Thatſache, ſondern ſchon das Mährchen, was ſie
ſich künſtlich zurecht gelegt, um die Wahrheit verber¬
gen zu dürfen? — Von wem hatten ſie's erfahren?
— Gott ſei Dank, daß ſie wenigſtens das nicht ge¬
hört, von dem nichts wußten, was — es war das
erſte Geheimniß, was ſie unter ihrer pochenden Bruſt
verbarg. Die Bruſt blutete vielleicht heftiger als
die Hand.
In ſolchen Stimmungen kann eine große Ge¬
ſellſchaft, wo Keiner Zeit und Raum hat auf den An¬
dern Acht zu geben, zur Wohlthat für ein geängſtetes
Gemüth werden. Ein Hofmann hätte es eine ge¬
miſchte genannt, ſie beſtand mehr aus den Optimaten
des Reichthums als der Geburt. Der Reichthum
hing von den Decken als Kronenleuchter, Armleuch¬
ter, Feſtons, Seiden- und Damaſtgardinen; er laſtete
in den Aufſätzen der Niſchen und Ecktiſche, in den
Teppichen auf dem Boden, vor allem auf und an
der Wirthin. Zum Schildern iſt nicht mehr Zeit.
Die Juwelen, Ketten, Ringe, Aufſätze, die Madame
Braunbiegler vom Wirbel bis zum Gürtel, von den
Schultern bis zu den Fingerſpitzen trug, waren in
Berlin ſprüchwörtlich. Reichthum, überall, wohin man
ſah, nicht ausgebreitet, ſondern aufgeſchichtet, laſtend,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/74>, abgerufen am 23.11.2024.
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