Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mie Stadtarrest über alle Studirende verhängt hatte. Nach vierjährigen Studien wollte er in die Heimath. Die Erlaubniß war jetzt gekommen, seine Sachen gepackt, er hielt das zehnjährige Kind seines Hauswirths auf den Knieen und strich seinem Lieblinge die blonden Locken von der Stirn: Wirst du mich auch nicht vergessen, Benigna? Wenn du mich nicht vergissest, werde ich dich auch nicht vergessen, antwortete das Kind. Schon eigennützig, murmelte der Kurländer für sich. Gewährung nur, wo Gegendienste geboten werden; so rechnet die Natur bereits im unschuldigen Kindesalter. Sprichst du wieder so häßlich, dann habe ich dich gar nicht lieb, sagte Benigna. Wenn du mich nicht lieb hättest, warum sollte ich dich denn lieb haben? Du bist ja immer so finster, und siehst so schwarz aus. Also bist du mir eigentlich, ich meine von Grund der Seele, bös, und machst mir nur darum ein freundlich Gesicht, weil ich dir dann und wann ein buntes Band, oder ein Spielzeug brachte. Und wenn ich dir keines mehr brächte, würdest du eben so finster aussehen wie ich. Nun gehe ich fort, aus ist es mit der Liebe, und wenn ich dir kein Spielzeug schicke, dann suchst du zuerst mich zu vergessen, alsdann ärgerst du dich, daß du überhaupt noch an mich denkst. Darauf wird aus dem Aerger Widerwillen, aus dem Widerwillen Haß, und schließlich wünschest du mir alles Ueble auf den Hals. mie Stadtarrest über alle Studirende verhängt hatte. Nach vierjährigen Studien wollte er in die Heimath. Die Erlaubniß war jetzt gekommen, seine Sachen gepackt, er hielt das zehnjährige Kind seines Hauswirths auf den Knieen und strich seinem Lieblinge die blonden Locken von der Stirn: Wirst du mich auch nicht vergessen, Benigna? Wenn du mich nicht vergissest, werde ich dich auch nicht vergessen, antwortete das Kind. Schon eigennützig, murmelte der Kurländer für sich. Gewährung nur, wo Gegendienste geboten werden; so rechnet die Natur bereits im unschuldigen Kindesalter. Sprichst du wieder so häßlich, dann habe ich dich gar nicht lieb, sagte Benigna. Wenn du mich nicht lieb hättest, warum sollte ich dich denn lieb haben? Du bist ja immer so finster, und siehst so schwarz aus. Also bist du mir eigentlich, ich meine von Grund der Seele, bös, und machst mir nur darum ein freundlich Gesicht, weil ich dir dann und wann ein buntes Band, oder ein Spielzeug brachte. Und wenn ich dir keines mehr brächte, würdest du eben so finster aussehen wie ich. Nun gehe ich fort, aus ist es mit der Liebe, und wenn ich dir kein Spielzeug schicke, dann suchst du zuerst mich zu vergessen, alsdann ärgerst du dich, daß du überhaupt noch an mich denkst. Darauf wird aus dem Aerger Widerwillen, aus dem Widerwillen Haß, und schließlich wünschest du mir alles Ueble auf den Hals. <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0033"/> mie Stadtarrest über alle Studirende verhängt hatte. Nach vierjährigen Studien wollte er in die Heimath. Die Erlaubniß war jetzt gekommen, seine Sachen gepackt, er hielt das zehnjährige Kind seines Hauswirths auf den Knieen und strich seinem Lieblinge die blonden Locken von der Stirn: Wirst du mich auch nicht vergessen, Benigna?</p><lb/> <p>Wenn du mich nicht vergissest, werde ich dich auch nicht vergessen, antwortete das Kind.</p><lb/> <p>Schon eigennützig, murmelte der Kurländer für sich. Gewährung nur, wo Gegendienste geboten werden; so rechnet die Natur bereits im unschuldigen Kindesalter.</p><lb/> <p>Sprichst du wieder so häßlich, dann habe ich dich gar nicht lieb, sagte Benigna. Wenn du mich nicht lieb hättest, warum sollte ich dich denn lieb haben? Du bist ja immer so finster, und siehst so schwarz aus.</p><lb/> <p>Also bist du mir eigentlich, ich meine von Grund der Seele, bös, und machst mir nur darum ein freundlich Gesicht, weil ich dir dann und wann ein buntes Band, oder ein Spielzeug brachte. Und wenn ich dir keines mehr brächte, würdest du eben so finster aussehen wie ich. Nun gehe ich fort, aus ist es mit der Liebe, und wenn ich dir kein Spielzeug schicke, dann suchst du zuerst mich zu vergessen, alsdann ärgerst du dich, daß du überhaupt noch an mich denkst. Darauf wird aus dem Aerger Widerwillen, aus dem Widerwillen Haß, und schließlich wünschest du mir alles Ueble auf den Hals.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
mie Stadtarrest über alle Studirende verhängt hatte. Nach vierjährigen Studien wollte er in die Heimath. Die Erlaubniß war jetzt gekommen, seine Sachen gepackt, er hielt das zehnjährige Kind seines Hauswirths auf den Knieen und strich seinem Lieblinge die blonden Locken von der Stirn: Wirst du mich auch nicht vergessen, Benigna?
Wenn du mich nicht vergissest, werde ich dich auch nicht vergessen, antwortete das Kind.
Schon eigennützig, murmelte der Kurländer für sich. Gewährung nur, wo Gegendienste geboten werden; so rechnet die Natur bereits im unschuldigen Kindesalter.
Sprichst du wieder so häßlich, dann habe ich dich gar nicht lieb, sagte Benigna. Wenn du mich nicht lieb hättest, warum sollte ich dich denn lieb haben? Du bist ja immer so finster, und siehst so schwarz aus.
Also bist du mir eigentlich, ich meine von Grund der Seele, bös, und machst mir nur darum ein freundlich Gesicht, weil ich dir dann und wann ein buntes Band, oder ein Spielzeug brachte. Und wenn ich dir keines mehr brächte, würdest du eben so finster aussehen wie ich. Nun gehe ich fort, aus ist es mit der Liebe, und wenn ich dir kein Spielzeug schicke, dann suchst du zuerst mich zu vergessen, alsdann ärgerst du dich, daß du überhaupt noch an mich denkst. Darauf wird aus dem Aerger Widerwillen, aus dem Widerwillen Haß, und schließlich wünschest du mir alles Ueble auf den Hals.
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/33>, abgerufen am 16.07.2024. |