Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Er haßt den Hofdienst und die Moskowiter. Der Schritt wird ihn erzürnen.

Um das zu verhindern, so weit es geht, bist du ein kluges Mädchen. Anfangs mögen wir es ihm verhehlen, dann ein heftiges Andringen der Herzogin vorschützen, unter Thränen uns gezwungen sehn, es anzunehmen, um sie nicht zu erzürnen. Ist er dann bei Sinnen, so greift er zu. Oder aber, wenn er zögert, und du merkst, daß die Flamme im Verborgenen glüht, stelle es als deinen Wunsch, als das Ziel deines Ehrgeizes vor, Hofdame zu werden. Dies wäre noch besser. Er wird dadurch zu wünschen gezwungen und selbst in eine Lage der Ungewißheit versetzt, welche leider jetzt auf unserer Seite ist.

Benigna wollte dies unwürdig finden. Der Oheim bestritt es: -- Wenn wir ein Lebensziel vor Augen haben, ist keine Vorsicht, durch die wir es zu erreichen suchen, unwürdig. Heutzutage, was man denkt, ohne Umschweif auszusprechen und auf etwas, was man begehrt, gerade loszuziehen, ist eben so wenig gut als klug. Czar Peter und König Karl scheiterten beide, und allein an diesem Fehler. Der Kluge wird ein doppeltes Ziel vor Augen behalten, um, wenn das eine fehlschlägt, sich am andern zu halten. Gewisse Lebensregeln werden für alle Fälle ausreichen! Beleidige Niemand durch eine abschlägliche Antwort, aber versprich auch nichts so gewiß, daß du nicht eine Hinterthür behältst, wenn du andern Sinnes wirst. Sei sittsam, denn die Sitte wird überall

Er haßt den Hofdienst und die Moskowiter. Der Schritt wird ihn erzürnen.

Um das zu verhindern, so weit es geht, bist du ein kluges Mädchen. Anfangs mögen wir es ihm verhehlen, dann ein heftiges Andringen der Herzogin vorschützen, unter Thränen uns gezwungen sehn, es anzunehmen, um sie nicht zu erzürnen. Ist er dann bei Sinnen, so greift er zu. Oder aber, wenn er zögert, und du merkst, daß die Flamme im Verborgenen glüht, stelle es als deinen Wunsch, als das Ziel deines Ehrgeizes vor, Hofdame zu werden. Dies wäre noch besser. Er wird dadurch zu wünschen gezwungen und selbst in eine Lage der Ungewißheit versetzt, welche leider jetzt auf unserer Seite ist.

Benigna wollte dies unwürdig finden. Der Oheim bestritt es: — Wenn wir ein Lebensziel vor Augen haben, ist keine Vorsicht, durch die wir es zu erreichen suchen, unwürdig. Heutzutage, was man denkt, ohne Umschweif auszusprechen und auf etwas, was man begehrt, gerade loszuziehen, ist eben so wenig gut als klug. Czar Peter und König Karl scheiterten beide, und allein an diesem Fehler. Der Kluge wird ein doppeltes Ziel vor Augen behalten, um, wenn das eine fehlschlägt, sich am andern zu halten. Gewisse Lebensregeln werden für alle Fälle ausreichen! Beleidige Niemand durch eine abschlägliche Antwort, aber versprich auch nichts so gewiß, daß du nicht eine Hinterthür behältst, wenn du andern Sinnes wirst. Sei sittsam, denn die Sitte wird überall

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <pb facs="#f0059"/>
        <p>Er haßt den Hofdienst und die Moskowiter. Der Schritt wird ihn erzürnen.</p><lb/>
        <p>Um das zu verhindern, so weit es geht, bist du ein kluges Mädchen. Anfangs mögen wir                es ihm verhehlen, dann ein heftiges Andringen der Herzogin vorschützen, unter Thränen                uns gezwungen sehn, es anzunehmen, um sie nicht zu erzürnen. Ist er dann bei Sinnen,                so greift er zu. Oder aber, wenn er zögert, und du merkst, daß die Flamme im                Verborgenen glüht, stelle es als deinen Wunsch, als das Ziel deines Ehrgeizes vor,                Hofdame zu werden. Dies wäre noch besser. Er wird dadurch zu wünschen gezwungen und                selbst in eine Lage der Ungewißheit versetzt, welche leider jetzt auf unserer Seite                ist.</p><lb/>
        <p>Benigna wollte dies unwürdig finden. Der Oheim bestritt es: &#x2014; Wenn wir ein Lebensziel                vor Augen haben, ist keine Vorsicht, durch die wir es zu erreichen suchen, unwürdig.                Heutzutage, was man denkt, ohne Umschweif auszusprechen und auf etwas, was man                begehrt, gerade loszuziehen, ist eben so wenig gut als klug. Czar Peter und König                Karl scheiterten beide, und allein an diesem Fehler. Der Kluge wird ein doppeltes                Ziel vor Augen behalten, um, wenn das eine fehlschlägt, sich am andern zu halten.                Gewisse Lebensregeln werden für alle Fälle ausreichen! Beleidige Niemand durch eine                abschlägliche Antwort, aber versprich auch nichts so gewiß, daß du nicht eine                Hinterthür behältst, wenn du andern Sinnes wirst. Sei sittsam, denn die Sitte wird                überall<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] Er haßt den Hofdienst und die Moskowiter. Der Schritt wird ihn erzürnen. Um das zu verhindern, so weit es geht, bist du ein kluges Mädchen. Anfangs mögen wir es ihm verhehlen, dann ein heftiges Andringen der Herzogin vorschützen, unter Thränen uns gezwungen sehn, es anzunehmen, um sie nicht zu erzürnen. Ist er dann bei Sinnen, so greift er zu. Oder aber, wenn er zögert, und du merkst, daß die Flamme im Verborgenen glüht, stelle es als deinen Wunsch, als das Ziel deines Ehrgeizes vor, Hofdame zu werden. Dies wäre noch besser. Er wird dadurch zu wünschen gezwungen und selbst in eine Lage der Ungewißheit versetzt, welche leider jetzt auf unserer Seite ist. Benigna wollte dies unwürdig finden. Der Oheim bestritt es: — Wenn wir ein Lebensziel vor Augen haben, ist keine Vorsicht, durch die wir es zu erreichen suchen, unwürdig. Heutzutage, was man denkt, ohne Umschweif auszusprechen und auf etwas, was man begehrt, gerade loszuziehen, ist eben so wenig gut als klug. Czar Peter und König Karl scheiterten beide, und allein an diesem Fehler. Der Kluge wird ein doppeltes Ziel vor Augen behalten, um, wenn das eine fehlschlägt, sich am andern zu halten. Gewisse Lebensregeln werden für alle Fälle ausreichen! Beleidige Niemand durch eine abschlägliche Antwort, aber versprich auch nichts so gewiß, daß du nicht eine Hinterthür behältst, wenn du andern Sinnes wirst. Sei sittsam, denn die Sitte wird überall

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/59
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/59>, abgerufen am 27.11.2024.