Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Verwandten und Freunden verfolgte ihn in dem Maße, wie er sie floh, bis in die stillsten Winkel. Man drängte ihm Nachrichten auf, vor denen er gern die Ohren verstopft hätte: von dem Jubelleben in Annahof, den Günstlingen, Bewerbern um die Herzogin. Im selben Grade, wie man sie um ihn lobte, empfand er einen Widerwillen gegen diese Fürstin. Seine Neigung zum Fräulein Treyden ging in Erbitterung über, als er vernahm, in wie hoher Gunst sie bei ihr stand. Täglich verdrießlicher ward ihm der Aufenthalt im Vaterlande, und er beschloß, auf einer Reise durch Europa die peinliche Gegenwart zu vergessen zu suchen.

Ein Neffe, den er liebte und zu seinem Erben ernannt, für den Fall, daß er kinderlos stürbe, begleitete ihn bis an die Grenze. Theosophus ließ es nicht an Ermahnungen fehlen, denen seine eigene bittere Stimmung sich beimischte. Vor Allem sei auf der Hut vor Denen, welche sich dir durch Zuvorkommenheit verpflichten wollen. Sie lauern nur auf den Gegengewinn, und fordern, was sie dir geben, mit Wucherzinsen zurück. Geiz und Verschwendung machen uns zu Sklaven, diese zu denen der Andern, jener zu einem von uns selbst; aber schlimmer als Geiz und Verschwendung ist die Eitelkeit; sie macht uns zum Sklaven unserer und Anderer zugleich. Dies der Anker, an dem uns das Weib ködert. Ein Lächeln, ein verführerischer Blick zündet in uns alle von der Vernunft gebändigten Geister des Hochmuths, und diesen Silberblick aufgeregten Selbst-

Verwandten und Freunden verfolgte ihn in dem Maße, wie er sie floh, bis in die stillsten Winkel. Man drängte ihm Nachrichten auf, vor denen er gern die Ohren verstopft hätte: von dem Jubelleben in Annahof, den Günstlingen, Bewerbern um die Herzogin. Im selben Grade, wie man sie um ihn lobte, empfand er einen Widerwillen gegen diese Fürstin. Seine Neigung zum Fräulein Treyden ging in Erbitterung über, als er vernahm, in wie hoher Gunst sie bei ihr stand. Täglich verdrießlicher ward ihm der Aufenthalt im Vaterlande, und er beschloß, auf einer Reise durch Europa die peinliche Gegenwart zu vergessen zu suchen.

Ein Neffe, den er liebte und zu seinem Erben ernannt, für den Fall, daß er kinderlos stürbe, begleitete ihn bis an die Grenze. Theosophus ließ es nicht an Ermahnungen fehlen, denen seine eigene bittere Stimmung sich beimischte. Vor Allem sei auf der Hut vor Denen, welche sich dir durch Zuvorkommenheit verpflichten wollen. Sie lauern nur auf den Gegengewinn, und fordern, was sie dir geben, mit Wucherzinsen zurück. Geiz und Verschwendung machen uns zu Sklaven, diese zu denen der Andern, jener zu einem von uns selbst; aber schlimmer als Geiz und Verschwendung ist die Eitelkeit; sie macht uns zum Sklaven unserer und Anderer zugleich. Dies der Anker, an dem uns das Weib ködert. Ein Lächeln, ein verführerischer Blick zündet in uns alle von der Vernunft gebändigten Geister des Hochmuths, und diesen Silberblick aufgeregten Selbst-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0065"/>
Verwandten und                Freunden verfolgte ihn in dem Maße, wie er sie floh, bis in die stillsten Winkel. Man                drängte ihm Nachrichten auf, vor denen er gern die Ohren verstopft hätte: von dem                Jubelleben in Annahof, den Günstlingen, Bewerbern um die Herzogin. Im selben Grade,                wie man sie um ihn lobte, empfand er einen Widerwillen gegen diese Fürstin. Seine                Neigung zum Fräulein Treyden ging in Erbitterung über, als er vernahm, in wie hoher                Gunst sie bei ihr stand. Täglich verdrießlicher ward ihm der Aufenthalt im                Vaterlande, und er beschloß, auf einer Reise durch Europa die peinliche Gegenwart zu                vergessen zu suchen.</p><lb/>
        <p>Ein Neffe, den er liebte und zu seinem Erben ernannt, für den Fall, daß er kinderlos                stürbe, begleitete ihn bis an die Grenze. Theosophus ließ es nicht an Ermahnungen                fehlen, denen seine eigene bittere Stimmung sich beimischte. Vor Allem sei auf der                Hut vor Denen, welche sich dir durch Zuvorkommenheit verpflichten wollen. Sie lauern                nur auf den Gegengewinn, und fordern, was sie dir geben, mit Wucherzinsen zurück.                Geiz und Verschwendung machen uns zu Sklaven, diese zu denen der Andern, jener zu                einem von uns selbst; aber schlimmer als Geiz und Verschwendung ist die Eitelkeit;                sie macht uns zum Sklaven unserer und Anderer zugleich. Dies der Anker, an dem uns                das Weib ködert. Ein Lächeln, ein verführerischer Blick zündet in uns alle von der                Vernunft gebändigten Geister des Hochmuths, und diesen Silberblick aufgeregten                Selbst-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] Verwandten und Freunden verfolgte ihn in dem Maße, wie er sie floh, bis in die stillsten Winkel. Man drängte ihm Nachrichten auf, vor denen er gern die Ohren verstopft hätte: von dem Jubelleben in Annahof, den Günstlingen, Bewerbern um die Herzogin. Im selben Grade, wie man sie um ihn lobte, empfand er einen Widerwillen gegen diese Fürstin. Seine Neigung zum Fräulein Treyden ging in Erbitterung über, als er vernahm, in wie hoher Gunst sie bei ihr stand. Täglich verdrießlicher ward ihm der Aufenthalt im Vaterlande, und er beschloß, auf einer Reise durch Europa die peinliche Gegenwart zu vergessen zu suchen. Ein Neffe, den er liebte und zu seinem Erben ernannt, für den Fall, daß er kinderlos stürbe, begleitete ihn bis an die Grenze. Theosophus ließ es nicht an Ermahnungen fehlen, denen seine eigene bittere Stimmung sich beimischte. Vor Allem sei auf der Hut vor Denen, welche sich dir durch Zuvorkommenheit verpflichten wollen. Sie lauern nur auf den Gegengewinn, und fordern, was sie dir geben, mit Wucherzinsen zurück. Geiz und Verschwendung machen uns zu Sklaven, diese zu denen der Andern, jener zu einem von uns selbst; aber schlimmer als Geiz und Verschwendung ist die Eitelkeit; sie macht uns zum Sklaven unserer und Anderer zugleich. Dies der Anker, an dem uns das Weib ködert. Ein Lächeln, ein verführerischer Blick zündet in uns alle von der Vernunft gebändigten Geister des Hochmuths, und diesen Silberblick aufgeregten Selbst-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/65
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/65>, abgerufen am 27.11.2024.