Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Höhnend sah ihn das glänzende Wappen der Biron über den Portalflügeln an; er verglich den brillanten Goldfirniß mit der altersgrauen Färbung desselben Wappens am Kamin des Duc de Gontault. Eine innere Wuth durchzuckte ihn; da öffneten sich die Flügelthüren, und des Kammerherrn Stimme rief seinen Namen. Warum durchrieselte ihn jetzt eine nie gekannte Bangigkeit? Der menschenscheue Reisende war nicht fremd geblieben an den Höfen der Fürsten; seine Füße hatten sich auf dem glatten Boden mit um so mehr Freiheit bewegt, als er die auf demselben Wandelnden glaubte überschauen, verachten gelernt zu haben. Er hatte nicht gezittert vor dem Throne der Bourbonen und des Hannoveraners; weßhalb fühlte er jetzt eine solche Bewegung beim Eintritt in den Audienzsaal eines Emporkömmlings? -- Was durchzuckte ihn plötzlich die Erinnerung an ein unbedeutendes Abenteuer, an die Rückfahrt aus Königsberg, warum stand das Bild des eitlen Burschen, den er aus dem Wagen stieß, mit hellen, scharfen Farben vor dem Spiegel seiner Seele, jetzt, wo sein Fuß über die Schwelle glitt? Er stand im Audienzsaale. Vor ihm im vollen Lüstre und Geschmack der Zeit, und doch der Gold- und Brokatglanz der reichen Kleider noch überstrahlt durch das schwarze Auge, Biron, Herzog von Kurland. Biron weidete sich an der Verlegenheit, ja Bestürzung, welche den Freiherrn ergriff, als er in dem Herzog den eitlen Studenten aus Königsberg erkannte. Er war es, un- Höhnend sah ihn das glänzende Wappen der Biron über den Portalflügeln an; er verglich den brillanten Goldfirniß mit der altersgrauen Färbung desselben Wappens am Kamin des Duc de Gontault. Eine innere Wuth durchzuckte ihn; da öffneten sich die Flügelthüren, und des Kammerherrn Stimme rief seinen Namen. Warum durchrieselte ihn jetzt eine nie gekannte Bangigkeit? Der menschenscheue Reisende war nicht fremd geblieben an den Höfen der Fürsten; seine Füße hatten sich auf dem glatten Boden mit um so mehr Freiheit bewegt, als er die auf demselben Wandelnden glaubte überschauen, verachten gelernt zu haben. Er hatte nicht gezittert vor dem Throne der Bourbonen und des Hannoveraners; weßhalb fühlte er jetzt eine solche Bewegung beim Eintritt in den Audienzsaal eines Emporkömmlings? — Was durchzuckte ihn plötzlich die Erinnerung an ein unbedeutendes Abenteuer, an die Rückfahrt aus Königsberg, warum stand das Bild des eitlen Burschen, den er aus dem Wagen stieß, mit hellen, scharfen Farben vor dem Spiegel seiner Seele, jetzt, wo sein Fuß über die Schwelle glitt? Er stand im Audienzsaale. Vor ihm im vollen Lüstre und Geschmack der Zeit, und doch der Gold- und Brokatglanz der reichen Kleider noch überstrahlt durch das schwarze Auge, Biron, Herzog von Kurland. Biron weidete sich an der Verlegenheit, ja Bestürzung, welche den Freiherrn ergriff, als er in dem Herzog den eitlen Studenten aus Königsberg erkannte. Er war es, un- <TEI> <text> <body> <div n="6"> <pb facs="#f0079"/> <p>Höhnend sah ihn das glänzende Wappen der Biron über den Portalflügeln an; er verglich den brillanten Goldfirniß mit der altersgrauen Färbung desselben Wappens am Kamin des Duc de Gontault. Eine innere Wuth durchzuckte ihn; da öffneten sich die Flügelthüren, und des Kammerherrn Stimme rief seinen Namen.</p><lb/> <p>Warum durchrieselte ihn jetzt eine nie gekannte Bangigkeit? Der menschenscheue Reisende war nicht fremd geblieben an den Höfen der Fürsten; seine Füße hatten sich auf dem glatten Boden mit um so mehr Freiheit bewegt, als er die auf demselben Wandelnden glaubte überschauen, verachten gelernt zu haben. Er hatte nicht gezittert vor dem Throne der Bourbonen und des Hannoveraners; weßhalb fühlte er jetzt eine solche Bewegung beim Eintritt in den Audienzsaal eines Emporkömmlings? — Was durchzuckte ihn plötzlich die Erinnerung an ein unbedeutendes Abenteuer, an die Rückfahrt aus Königsberg, warum stand das Bild des eitlen Burschen, den er aus dem Wagen stieß, mit hellen, scharfen Farben vor dem Spiegel seiner Seele, jetzt, wo sein Fuß über die Schwelle glitt?</p><lb/> <p>Er stand im Audienzsaale. Vor ihm im vollen Lüstre und Geschmack der Zeit, und doch der Gold- und Brokatglanz der reichen Kleider noch überstrahlt durch das schwarze Auge, Biron, Herzog von Kurland. Biron weidete sich an der Verlegenheit, ja Bestürzung, welche den Freiherrn ergriff, als er in dem Herzog den eitlen Studenten aus Königsberg erkannte. Er war es, un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Höhnend sah ihn das glänzende Wappen der Biron über den Portalflügeln an; er verglich den brillanten Goldfirniß mit der altersgrauen Färbung desselben Wappens am Kamin des Duc de Gontault. Eine innere Wuth durchzuckte ihn; da öffneten sich die Flügelthüren, und des Kammerherrn Stimme rief seinen Namen.
Warum durchrieselte ihn jetzt eine nie gekannte Bangigkeit? Der menschenscheue Reisende war nicht fremd geblieben an den Höfen der Fürsten; seine Füße hatten sich auf dem glatten Boden mit um so mehr Freiheit bewegt, als er die auf demselben Wandelnden glaubte überschauen, verachten gelernt zu haben. Er hatte nicht gezittert vor dem Throne der Bourbonen und des Hannoveraners; weßhalb fühlte er jetzt eine solche Bewegung beim Eintritt in den Audienzsaal eines Emporkömmlings? — Was durchzuckte ihn plötzlich die Erinnerung an ein unbedeutendes Abenteuer, an die Rückfahrt aus Königsberg, warum stand das Bild des eitlen Burschen, den er aus dem Wagen stieß, mit hellen, scharfen Farben vor dem Spiegel seiner Seele, jetzt, wo sein Fuß über die Schwelle glitt?
Er stand im Audienzsaale. Vor ihm im vollen Lüstre und Geschmack der Zeit, und doch der Gold- und Brokatglanz der reichen Kleider noch überstrahlt durch das schwarze Auge, Biron, Herzog von Kurland. Biron weidete sich an der Verlegenheit, ja Bestürzung, welche den Freiherrn ergriff, als er in dem Herzog den eitlen Studenten aus Königsberg erkannte. Er war es, un-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |