Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906."Dazu müsst ihr uns erst erziehen!" sagte die Dame. "Wir haben keine Zeit dazu!" Der Kenner sah ein Kieselsteinchen mit einem Schneeklümpchen behaftet den Tannwald-Abhang herunterrieseln. "Eine Lawine!" schrie er und stürzte fort. "Wo?" fragte der Spaziergänger und war bereits begraben. Jedem Vorteil, den ich für mich einem lebendigen Geschöpfe hienieden abringe, entspricht in unentrinnbar gleicher Grösse ein Nachteil. Ein kastriertes Tier wird sanft und lenkbar. Aber es ist ein "kastriertes Tier"! [Abbildung]Zur Männer-"Schönheits"-Konkurrenz. Weshalb zeigst du das mühselig in endeloser Arbeit dem Leben Abgerungene als dein Schönstes?!? Siehe, deine übertriebenen Muskeln machen dich nur schwer und gewichtig und sind bestimmt, zu Fett zu werden, wenn deine Urkräfte im Laufe der Tage nachlassen! Im Sarge deiner Muskeln wirst du dann erstarren! Aber das von Anfang an dir Verliehene, die Gnadengeschenke eines gütigen milden Schicksals, das ist dein Schönstes, dieses „Dazu müsst ihr uns erst erziehen!“ sagte die Dame. „Wir haben keine Zeit dazu!“ Der Kenner sah ein Kieselsteinchen mit einem Schneeklümpchen behaftet den Tannwald-Abhang herunterrieseln. „Eine Lawine!“ schrie er und stürzte fort. „Wo?“ fragte der Spaziergänger und war bereits begraben. Jedem Vorteil, den ich für mich einem lebendigen Geschöpfe hienieden abringe, entspricht in unentrinnbar gleicher Grösse ein Nachteil. Ein kastriertes Tier wird sanft und lenkbar. Aber es ist ein „kastriertes Tier“! [Abbildung]Zur Männer-„Schönheits“-Konkurrenz. Weshalb zeigst du das mühselig in endeloser Arbeit dem Leben Abgerungene als dein Schönstes?!? Siehe, deine übertriebenen Muskeln machen dich nur schwer und gewichtig und sind bestimmt, zu Fett zu werden, wenn deine Urkräfte im Laufe der Tage nachlassen! Im Sarge deiner Muskeln wirst du dann erstarren! Aber das von Anfang an dir Verliehene, die Gnadengeschenke eines gütigen milden Schicksals, das ist dein Schönstes, dieses <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="114"/> <p>„Dazu müsst ihr uns erst erziehen!“ sagte die Dame.</p> <p><hi rendition="#g">„Wir haben keine Zeit dazu!</hi>“</p> <p>Der Kenner sah ein Kieselsteinchen mit einem Schneeklümpchen behaftet den Tannwald-Abhang herunterrieseln.</p> <p>„Eine Lawine!“ schrie er und stürzte fort.</p> <p>„Wo?“ fragte der Spaziergänger und war bereits begraben.</p> <p>Jedem Vorteil, den ich für mich einem lebendigen Geschöpfe hienieden abringe, entspricht in unentrinnbar gleicher Grösse ein Nachteil. Ein kastriertes Tier wird sanft und lenkbar. Aber es ist ein „kastriertes Tier“!</p> <figure/><lb/> <p><hi rendition="#g">Zur Männer-„Schönheits“-Konkurrenz</hi>.</p> <p>Weshalb zeigst du das <hi rendition="#g">mühselig in endeloser Arbeit</hi> dem Leben Abgerungene als dein Schönstes?!? Siehe, deine übertriebenen Muskeln machen dich nur schwer und gewichtig und sind bestimmt, zu Fett zu werden, wenn deine Urkräfte im Laufe der Tage nachlassen! Im Sarge deiner Muskeln wirst du dann erstarren! Aber das <hi rendition="#g">von Anfang an</hi> dir Verliehene, die Gnadengeschenke eines gütigen milden Schicksals, das ist dein Schönstes, dieses </p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0114]
„Dazu müsst ihr uns erst erziehen!“ sagte die Dame.
„Wir haben keine Zeit dazu!“
Der Kenner sah ein Kieselsteinchen mit einem Schneeklümpchen behaftet den Tannwald-Abhang herunterrieseln.
„Eine Lawine!“ schrie er und stürzte fort.
„Wo?“ fragte der Spaziergänger und war bereits begraben.
Jedem Vorteil, den ich für mich einem lebendigen Geschöpfe hienieden abringe, entspricht in unentrinnbar gleicher Grösse ein Nachteil. Ein kastriertes Tier wird sanft und lenkbar. Aber es ist ein „kastriertes Tier“!
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Zur Männer-„Schönheits“-Konkurrenz.
Weshalb zeigst du das mühselig in endeloser Arbeit dem Leben Abgerungene als dein Schönstes?!? Siehe, deine übertriebenen Muskeln machen dich nur schwer und gewichtig und sind bestimmt, zu Fett zu werden, wenn deine Urkräfte im Laufe der Tage nachlassen! Im Sarge deiner Muskeln wirst du dann erstarren! Aber das von Anfang an dir Verliehene, die Gnadengeschenke eines gütigen milden Schicksals, das ist dein Schönstes, dieses
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Zitationshilfe: | Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906/114>, abgerufen am 16.02.2025. |